Die augeklärte Welt
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Guten Abend,
in so vielen Threads und in vielen Diskussionen wird es als vorrausgesetzt angesehen, dass wir heutzutage endlich Bescheid wissen. Wir sind nämlich eine aufgeklärte Gesellschaft.
Ich wollte hier nur mal sagen, dass ich solche Statements als totalen Schwachsinn ansehe. Egal welchen Menschen man aus welcher Epoche fragt; man wird immer dieselbe Antwort erhalten: Wir sind aufgeklärt. In 500 Jahren wird man vielleicht über uns lachen. Daher finde ich, dass Argumente wie "Wir leben schließlich heute bzw. in einer augeklärten Welt" nichts wert sind.
lg, freakC++
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aufgeklärt heißt nicht, dass wir alles wissen.
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Worauf beziehst du dich?
Naturwissenschaften, Solzialgedöns/Moral oder gar Religion/Ideologie? Oder ganz was anderes?
Was Naturwissenschaften angeht, haben wir heute sicher bessere Modelle als früher. Das kann man auch einfach "messen", indem man guckt wie genau und wie oft mit dem Modell gemacht Vorhersagen zutreffen. Auch behauptet in den Naturwissenschaften kaum jemand dass man etwas "wüsste" bzw. dass es "stimmt". Es sind Modelle, und es sind die besten die man bisher hat. Sie funktionieren für bestimmte Dinge, für andere nicht. Auch hat man oft mehrere parallel die die selben Dinge beschreiben. z.B. das Standardmodell parallel zur ART. Das alleine zeigt ja schon, dass keines der beiden Modelle 100% stimmen kann.
Was Sozialgedöns/Moral angeht: was man für gut & richtig hält, orientiert sich nach den anerkannten Standards von gut & richtig einer Gesellschaft. Mit "Wir leben schließlich heute ..." meint man einfach, dass die Gesellschaft etwas heute anders sieht als früher.
Und über Religion/Ideologie mag ich nicht reden, das wird mir zu doof. Von daher sag ich dazu auch nix weiter
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hustbaer schrieb:
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Und über Religion/Ideologie mag ich nicht reden, das wird mir zu doof. Von daher sag ich dazu auch nix weiter++
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Wir sind nämlich eine aufgeklärte Gesellschaft.
Ich zitiere dazu Kant:
Wenn denn nun gefragt wird: leben wir jetzt in einem aufgeklärten Zeitalter? so ist die Antwort: Nein, aber wohl in einem Zeitalter der Aufklärung
Das gilt fortwährend und weiterhin.
EDIT:
Und über Religion/Ideologie mag ich nicht reden, das wird mir zu doof. Von daher sag ich dazu auch nix weiter
Ich sage dazu nur folgendes:
Über Religion zu diskutieren ist heikel, man wird wohl nie ein Ergebnis finden, denn die Abstraktion als sprachliches Mittel der Theologen und die Terminologie der Kritiker führen zu einer metasprachlichen Diskussion, bei der gezielt der Thematik ausgewichen wird
EDIT 2: Wichtige Korrektur: ein "nie" vergessen
EDIT 3: ... ich sollte schlafen
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Verstandesgemäß sind wir heute sehr aufgeklärt. Leider betrifft das nur einen kleinen Teil der Gesellschaft, nämlich die wissenschaftlich arbeitenden Leute, vielfach auch Firmenangestellte und Akademiker. Politiker haben oft eine falsch verstandene Auffassung und haben das mit Denken und Logik nicht ganz kapiert. Und dann gibt es natürlich noch einen großen Teil dumme Gesellschaft, die weder nachdenkt, noch aufgeklärt ist und von den Menschen im Mittelalter vielleicht nicht so weit entfernt ist.
Das ist aber nur eine Hirnhälfte. Nach der Klassik hat sich die Aufklärung auf das Denken versteift und die emotionalen Komponenten sind dabei verkümmert. Und das trifft auf heute auch sehr gut zu. Öffentlich Gefühle ausdrücken ist geradezu ein Tabuthema, wer das tut, wird als schwach abgetan. Kinder werden dazu erzogen, am Besten emotionslos durch das Leben zu laufen. Immer weniger (v.a. junge) Menschen haben menschlichen Kontakt, viel mehr geschieht nur hinterm Computer. Niedergeschlagenheit, Rückgratlosigkeit, Burn-Out-Syndrom und viele weitere psychische Mäkel nehmen heutzutage ebenfalls weiter zu usw. usf.
Also eine zum Teil aufgeklärte Gesellschaft. Aber auf alle Fälle mehr "Aufklärung" als alles andere. Aber bedenkt: Das ist nur eine Epoche gewesen. Und dass man die heutige Zeit niemals mit Sturm und Drang, Klassik oder gar Romantik verbinden würde, hat seinen Grund. Ein großer Fehler, das gutzuheißen.
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Ne, über Religion möchte ich hier auch nicht reden. Da gibt es bereits genug Threads. Ich meine jetzt kein bestimmtes Gebiet, aber nehmen wir uns mal die Wissenschaft heraus. Gut, wir sehen sie als eigenständige Instanz an. Das war früher. Wir wissen vielleicht auch ein wenig mehr, aber das meiste kennen wir ja noch gar nicht. Moralisch gesehen ist es doch sehr schwierig zu behaupten, ob wir aufgeklärt sind. Klar, jeder behauptet das. Warum sollten wir das leugnen. Auch Terroristen denken wahrscheinlich, sie seien augeklärt, denn sie handeln im Namen Gottes (was wohl falsch ist). Nach ihrer Ansicht müssten wir das noch lernen und sind daher weniger aufgeklärt. Momentan bin ich schlichtweg der Überzeugung, dass man sich Begründungsansätze, die auf der aufgeklärten Welt basieren, sparen kann.
lg, freakC++
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freakC++ schrieb:
Momentan bin ich schlichtweg der Überzeugung, dass man sich Begründungsansätze, die auf der aufgeklärten Welt basieren, sparen kann.
Der Satz ist doch nur an einer Stelle brauchbar, nämlich wenn man gegen Aberglauben argumentiert. Und daran kann ich nichts falsches erkennen, insbesondere wird nicht vorausgesetzt, dass man besonders viel oder gar alles weiß.
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wenn ich sehe, wie viele an esoterischen Schwachsinn und dergleichen wirklich glauben, kanns mit der Aufklärung nicht weit her sein
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[EDIT: Im falschen Thread gepostet.]
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Bashar schrieb:
freakC++ schrieb:
Momentan bin ich schlichtweg der Überzeugung, dass man sich Begründungsansätze, die auf der aufgeklärten Welt basieren, sparen kann.
Der Satz ist doch nur an einer Stelle brauchbar, nämlich wenn man gegen Aberglauben argumentiert. Und daran kann ich nichts falsches erkennen, insbesondere wird nicht vorausgesetzt, dass man besonders viel oder gar alles weiß.
Genau. Man muss nicht selbst Spitzenkoch sein, um sagen zu dürfen, wenn das Essen nach Scheiße schmeckt.
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Vollkommene Aufklärung ist eben auch nicht gut. Das menschliche Hirn hat nicht umsonst zwei Hemisphären. Aufklärung wäre Fixierung auf eine. Das beschränkt den Menschen auf eine Maschine. Das ist Aufklärung. Dass man in bestimmten Bereichen mehr Verstand haben sollte, ist davon ja unbeeinträchtigt.
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Die Frage ist aber, ob man überhaupt das Recht hat, zu behaupten, dass etwas Blödsinn ist bzw, dass das Essen scheiße ist
lg, freakC++
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Wieso nicht?
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Eisflamme schrieb:
Vollkommene Aufklärung ist eben auch nicht gut. Das menschliche Hirn hat nicht umsonst zwei Hemisphären. Aufklärung wäre Fixierung auf eine. Das beschränkt den Menschen auf eine Maschine. Das ist Aufklärung. Dass man in bestimmten Bereichen mehr Verstand haben sollte, ist davon ja unbeeinträchtigt.
Da kommt der Aberglaube wieder hervor.
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Du hast vollkommen Recht. Alles, was die rechte Hirnhälfte hervorbringt, ist Schwachsinn. Um Rückenproblemen vorzubeugen, sollte man sie nach der Geburt besser entfernen.
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Eisflamme schrieb:
Du hast vollkommen Recht. Alles, was die rechte Hirnhälfte hervorbringt, ist Schwachsinn. Um Rückenproblemen vorzubeugen, sollte man sie nach der Geburt besser entfernen.
Nein, ich meine die Beschränkung auf eine Maschine.
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Ich meinte mit Maschine nicht einen Roboter, der theoretisch in Zukunft bestehen könnte, sondern eine Maschine, die zwar gehen und Arbeiten erledigen kann und eben auch logisch denken, programmieren oder sonst was, aber eben keine Emotionen besitzen.
Und Du hast schon Recht. Sind wir schon so weit, dass es Aberglaube ist, einen Mensch als mehr als solch eine oben beschriebene Arbeitsmaschine zu sehen? Na ja, ich kann mir vorstellen, dass das hier im Forum viele so sehen. Wie gesagt, lasst euch eure rechten Hirnhälften doch rausoperieren, dann habt ihr mehr vom Leben. Keine Ablenkung durch irgendwelche unnützen Gefühle, super. :p
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Könntest du mal versuchen, die Verbindung zum Thema Aufklärung herzustellen? Was du sagst, klingt für mich nach einem ausgemachten Strohmann-Argument, nur dass es so abstrus ist, dass ich gar keinen Anreiz habe, dagegen zu argumentieren.
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Na ja, das Thema hier handelt davon, ob Aufklärung hier überhaupt vorherrscht. Ich denke, das ist partiell umgesetzt, sicher nicht überall da, wo es umgesetzt sein sollte.
Was ich danach sagte, war die Kritik an der Aufklärung für den Fall, dass sie bereits vollständig umgesetzt wäre. Es gibt genügend Autoren der entsprechenden Zeit nach der Aufklärung, die genau das, was ich oben beschrieben habe, als Kritik genommen haben. So hat Sturm und Drang sich dann deutlich mehr auf Gefühle fixiert und Klassik hat dann die Extreme aufgelöst, indem es sich beidem bedient hat. Das ist meiner Meinung nach die richtige Lösung. Nicht nur Nachdenken, sondern auch Intuition zulassen. Da finden sich auch Größen wie Goethe, die genau diese Ansicht teilen. Goethe war auch Sturm und Dränger und dann Klassiker. Aber Du kannst auch gerne alles als abstrus hinstellen und solche Leute für bescheuert erklären, wenn Du denkst, damit näher an "der Wahrheit" zu liegen.
Aber ist sozusagen off-topic, weil es hier ja nicht darum geht. Aber ich spreche halt wie man weiß so gern gegen die Verherrlichung des reinen, isolierten Verstandes und dass die Aufklärung genau dazu geführt hatte, wird halt gerne vergessen. Wenn man schon epochale Begriffe nutzt, dann auch bitteschön mit der historischen Kritik dazu und nicht isoliert.
Wenn ihr die Epoche aber lieber isoliert betrachtet wollt, weil alles danach Unsinn ist, weil es ja wieder nicht direkt vom Verstand abgeleitet ist, sagt Bescheid, dann geh ich wieder. Ich verstehe nur nicht, inwiefern wir heute so viel fortgeschrittener sind als früher, wo man sich auch noch mehr auf Gefühle (und Glauben, aber lassen wir das) eingelassen hat. Klar wissen wir hier und da etwas mehr, aber das ändert doch im Wesentlichen nichts. Breitere Bildung? Ich glaube, Goethe war recht gebildet, aber korrigiert mich. Denkt ihr nicht, die Epochen danach müsste man auch in Betracht ziehen, da könnte auch was Wichtiges dran sein? Ich finde ein "Nein, nur Aufklärung gut, hugh" irgendwie alles andere als fortschrittlich. Mit dem Wissen, dass es danach andere Epochen hab, finde ich sogar die Fixierung auf die Aufklärungs-Epoche dem Gedanken der Aufklärung widersprechend. Empirie verleugnend und so.