Kapitalismusdebatte.



  • scrub schrieb:

    Mr. N schrieb:

    Die meisten hätten wohl problemlos die Fabrik verlassen können, bevorzugten aber, zu bleiben. Hätte der Fabrikbesitzer lieber keine Fabrik aufmachen sollen?

    "bevorzugten", soso. Aber nicht, weil es toll war.

    Ja und? Wichtig ist, was besser für sie war. Was wir heute unter "toll" verstehen, war doch damals einfach nicht realistisch. Heute ist es (bei uns) für einen Großteil der Bevölkerung möglich, Bananen zu essen und es verhungert auch so ziemlich keiner mehr, und wir müssen auch keine 70 Wochenstunden mehr arbeiten, das ist toll. Früher war es aber vielleicht schon toll, in einer kleinen Wohnung mit Möbeln (das war nicht selbstverständlich!) zu hausen und Schuhe zu tragen, die halbwegs bequem waren und die Füße trocken hielten - auch wenn man dafür malochen musste, es war besser, als das Landleben, Ohne Gar Nichts. Man muss das eben relativ sehen.

    scrub schrieb:

    Mr. N schrieb:

    Sondern? Was ist deine Alternative?

    Mäßigung auf Arbeitgeberseite natürlich. Dann gehts allen besser. Leider sind die im Moment damit beschäftigt, ihre Raffgier mit Floskeln wie "Neiddebatte" den anderen zuzuspielen.

    Der vorgesehene Mechanismus zur Mäßigung ist die Konkurrenz. Nicht der Staat, nicht die Kirche, nicht die Ethik. (Also wenn der Staat nötig ist, um die Konkurrenzsituation aufrecht zu erhalten, dann spielt er natürlich schon eine Rolle, aber das ist ein Sonderfall.)


  • Mod

    @scrub: Wenn die Arbeitsleistung durch die Ausbeutung sinkt, dann ist es nicht im Sinne des Kapitalismus die Angestellten noch mehr auszubeuten. Heute ist bekannt, dass viel höhere Leistungen auf anderem Wege zu Tage gebracht werden können.

    MfG SideWinder



  • Wenn dass was hier momentan abläuft Kapitalismus ist, dann bin ich definitiv nicht dafür.

    Und Reich ist relativ. Da wo die Leute weniger Geld für ihre Arbeit bekommen, kostet auch das Essen weniger. Ist nur immer die Frage wie es im Verhältnis zueinander aussieht.



  • Andromeda schrieb:

    ChrisM schrieb:

    so so, wo gab es denn in der Vergangenheit diesen "reinen" Kapitalismus, der zu solchen Zuständen geführt hat?

    War es nicht am Anfang des Industriezeitalters so? Wo die Leute, sogar Kinder, für Hungerlöhne in Fabriken schufteten?

    Wirr.

    Den Menschen (also 90% davon) ging es die tausend Jahre davor beschissen. Kinder sind massenweise irgendwo verreckt, die Landbevölkerung ist ständig in irgendwelchen Dreckslöchern verrottet und dann kam "das Industriezeitalter", in dem sich noch nicht so wahnsinnig viel geändert hat (lies: es ging immer noch 90% der Menschheit beschissen), aber sie konnten nun in die Städte ziehen und dort arbeiten und hatten wenigstens die Chance, mal was anderes zu sehen als die Dreckslöcher in denen sie bisher gehaust hatten. Es hat sich so viel gar nicht geändert, "im Industriezeitalter" (am Anfang), nur daß die Leute jetzt in der Stadt gehaust haben und irgendwelche realtitätsgestörten Intellektuellen ala Marx und Co. *sehen* mussten, daß es 90% der Menschheit einfach beschissen geht, weil das Elend jetzt nicht mehr 100km vor den Toren stattgefunden hat, sondern vor der Haustür.

    Aber so zu tun, als ginge es den Leuten im Zeitalter der Hochindustrie viel schlechter als davor, ist entweder historische Unwissenheit (Landbevölkerung, ach wie romantisch) oder bewußtes Unterschlagen von Tatsachen.



  • Daniel E. schrieb:

    Andromeda schrieb:

    ChrisM schrieb:

    so so, wo gab es denn in der Vergangenheit diesen "reinen" Kapitalismus, der zu solchen Zuständen geführt hat?

    War es nicht am Anfang des Industriezeitalters so? Wo die Leute, sogar Kinder, für Hungerlöhne in Fabriken schufteten?

    Den Menschen (also 90% davon) ging es die tausend Jahre davor beschissen. Kinder sind massenweise irgendwo verreckt, die Landbevölkerung ist ständig in irgendwelchen Dreckslöchern verrottet und dann kam "das Industriezeitalter", in dem sich noch nicht so wahnsinnig viel geändert hat (lies: es ging immer noch 90% der Menschheit beschissen), aber sie konnten nun in die Städte ziehen und dort arbeiten und hatten wenigstens die Chance, mal was anderes zu sehen als die Dreckslöcher in denen sie bisher gehaust hatten.

    Mal was anderes sehen? Ja, das kann man schon als "die total Chance" bezeichnen. 🙄
    Etwas Abwechslung tut jedem Menschen gut, auch wenn man von einem Drecksloch ins andere zieht und dann noch von Fabrikbesitzern ausgebeutet wird, wie eine Herde Nutzvieh. Einige auf diesem Board haben ein großartiges Talent, im schlimmsten Übel noch was positives zu sehen. Beneidenswert!



  • Andromeda schrieb:

    Daniel E. schrieb:

    [Zum bösen Industriezeitalter]

    Den Menschen (also 90% davon) ging es die tausend Jahre davor beschissen. Kinder sind massenweise irgendwo verreckt, die Landbevölkerung ist ständig in irgendwelchen Dreckslöchern verrottet und dann kam "das Industriezeitalter", in dem sich noch nicht so wahnsinnig viel geändert hat (lies: es ging immer noch 90% der Menschheit beschissen), aber sie konnten nun in die Städte ziehen und dort arbeiten und hatten wenigstens die Chance, mal was anderes zu sehen als die Dreckslöcher in denen sie bisher gehaust hatten.

    Mal was anderes sehen? Ja, das kann man schon als "die total Chance" bezeichnen. 🙄
    Etwas Abwechslung tut jedem Menschen gut, auch wenn man von einem Drecksloch ins andere zieht und dann noch von Fabrikbesitzern ausgebeutet wird, wie eine Herde Nutzvieh. Einige auf diesem Board haben ein großartiges Talent, im schlimmsten Übel noch was positives zu sehen. Beneidenswert!

    Nun, die Lebensumstände der darmaligen Bevölkerung hat nunmal nicht die Auswahl zwischen "Ausbeutung durch Fabrikbesitzer", "Ausbeutung durch Grundbesitzer" und "Kreuzfahrt durch die Karibik" beinhaltet, sondern nur die ersten zwei Alternativen. Ja, das ist eine, pardon, drecksbeschissene Auswahl. Aber das war die Realität für die meisten Leute damals und nein, das ist nicht beneidenswert, aber so zu tun, als wäre die damalige Bevölkerung eine große Gruppe an Vollidioten gewesen, die sich hat ausbeuten lassen, trifft die Sache einfach nicht. Die haben sich für Städte und "Ausbeutung durch Fabrikbesitzer" *entschieden*, weil sie sich davon ein *besseres* Leben erhofft haben. Auch hier wieder: ja, "besser" ist ein relativer Begriff und den Leuten gings immer noch saubeschissen.

    Aber letztenendes wurden die Zustände ja besser (Quizfrage: warum?) und die Industriealisierung hat letztenendes einen Wohlstand für viel breitere Bevölkerungsschichten geschaffen als jemals sonst irgendetwas bisher.

    Du kannst nur nicht herkommen und "den Kapitalismus" (was auch immer das ist) für Zustände verantwortlich machen, die über tausende von Jahren sich kaum geändert haben.



  • estartu schrieb:

    Wenn dass was hier momentan abläuft Kapitalismus ist, dann bin ich definitiv nicht dafür.

    Und Reich ist relativ. Da wo die Leute weniger Geld für ihre Arbeit bekommen, kostet auch das Essen weniger. Ist nur immer die Frage wie es im Verhältnis zueinander aussieht.

    Was laueft den momentan ab? Die Arbeitslosigkeit sinkt**, immer mehr Leute koennen sich Luxus leisten, keiner muss verhungern, alle haben ein Dach ueber dem Kopf.

    **http://de.wikipedia.org/wiki/Arbeitslosenquote
    **in allen aufgelisteten Laender sinkt die Arbeitslosenquote

    Jeder Deutsche hat eine Kranken-, Sozial- Arbeitslosenversicherung, Studenten kriegen Bafoeg, Arbeitslose Sozialhilfegeld.

    Wenn man was tut, dann kriegt man auch einen Job, wenn nicht kannst du auswandern in alle Laender innhalb der EU. Brauchst dafuer weder Visum noch andere Waehrung (bis auf UK). Du kannst auch nach USA, Canada, SuedKorea, Japan, Australien, usw.

    Im Grunde geht es den Buergern in der EU so gut wie nie zuvor. Kriege sind so gut wie ausgeschlossen, jeder hat min. ein Handy, die meisten einen Computer, alle haben einen Fernseher. Alle tragen Snikers und T-Shirts oder Modeschuhe.

    Es werden immer weiter neue Maerkte erschlossen (China, Vietnam, Korea, Irak, usw.), die Technologie macht astronimische Fortschritte, die Medizin kann dir bei Krankheiten helfen die vor 50 Jahren toetlich waren.

    Ihr habt Probleme damit das Nokia seine Fabriken schliest? Ist es den besser wenn Nokia sich vom Staat (also von uns) subventionieren laesst, wie die Kohleindustrie? Ist es besser wenn Nokia hier gar nicht erst ein Werk eroeffnet haette?

    Ist es besser das ein Unternehmen in 5 Jahren Konkurs anmeldet, weil es keine 5.000 Stellen abgebaut hat?

    Edit:
    Purer Kapitalismus ist genauso boese wie Kommunismus. Was purer Kapitalismus anrichtet haben wir ja waehrend der Industriellen Revolution gesehen. Aber welches Land hat den puren Kapitalismus? Vielleicht die USA, aber selbst da haben Arbeitenehmer Rechte.



  • DEvent schrieb:

    Ist es besser das ein Unternehmen in 5 Jahren Konkurs anmeldet, weil es keine 5.000 Stellen abgebaut hat?

    Nokia ist mir salopp gesagt "völlig egal".

    Wodrum es mir geht ist, dass die Kosten steigen und die Löhne sinken.

    Nahrungsmittel werden immer teurer... Fernseher und PCs billiger - neee die schmecken nicht und sind bestimmt ungesund.

    Viele gehen arbeiten und müssen trotzdem Sozialleistungen bekommen. Toll und dann gibts echt noch Leute die sich wundern dass man da lieber zu Hause bleibt? Irgendwo hab ich neulich die Bezeichnung "Spritkostenbeteiligung des Arbeitgebers" gelesen. Sehr passend für das was ich als Bezahlung im Freundeskreis immer wieder sehen muss. Ein Job fürs Benzin, einer für die Miete und einer fürs Essen - ja sowas gibt es.

    Achja "die Arbeitslosigkeit sinkt"... und? Auf welche Weisen wurde die Statistik geschönt?
    400 Euro Jobber sind nicht dabei.
    Arbeitssuchende die aus diversen Gründen kein Geld vom Staat bekommen sind nicht dabei.
    Leute im Umschulungen oder Zeitarbeitsfirmen oder oder oder sind nicht dabei - aber so gut wie arbeitslos da die "Zusammenarbeit" meist nur kurz währt. 👎

    Schön wenn ihr nur Leute kennt, denen es noch echt gut geht. Ich hab da wohl den falschen Bekanntenkreis. 🙄
    Mir gehts da im Verhältnis gesehen auch noch echt gut obwohl das Konto spätestens ab dem 10. meist so leer ist, dass ich vorm Tanken gucken muss ob genug drauf ist.

    Mein Paps lebt z.b. noch in einer Welt wo es sich unter 1500 im Monat auf dem Konto nicht lohnt arbeiten zu gehen. Der versteht nicht was eigentlich grade so los ist und heult weil seine Rente nicht erhöht wird - hat aber alleine mehr als manches Paar wo beide arbeiten. 🙄

    Wer niemanden kennt der derart kämpfen muss, der wird meine Ansicht wohl immer verurteilen.



  • estartu schrieb:

    Nahrungsmittel werden immer teurer... Fernseher und PCs billiger - neee die schmecken nicht und sind bestimmt ungesund.

    Ja, aber sind steigende Nahrungsmittelpreise eine schlechte Sache? Auf den ersten Blick natürlich schon, aber überleg mal, was das genau bedeutet. Und noch viel wichtiger: überleg dir, was passieren würde, wenn der Preis *nicht* steigen würde.

    Marktwirtschaft 101:

    Die Preisentwicklung sagt uns nämlich was ganz einfaches: Nahrungsmittel werden knapper, dh. es wird relativ gesehen mehr Nahrung nachgefragt als angeboten. Der Preis ist ein Warnsignal, "wir produzieren zu wenig Nahrung". Und auf der anderen Seite kommt damit ein Ausgleichsprozess in Gang: da das Nahrungsmittelgeschäft lukrativer wird, steigen mehr Leute in das Geschäft ein, es werden mehr Nahrungsmittel produziert und angeboten -> die Preise sinken wieder auf ein stabiles Niveau ab. Natürlich kann dieses Niveau höher sein als es früher war (kommt auf beliebig viele Faktoren an, wie hoch das genau ist) und dann wird das für viele Menschen in ärmeren Gebieten der Welt echt unangenehm, weil die sowieso extrem viel Geld für Nahrung ausgeben (wir in Mitteleuropa geben ja eh relativ zu unserem Verdienst sehr wenig für Essen aus, so daß uns Preissteigerungen da gar nicht sooo sehr stören -- wie man in der dritten Welt die unangenehmen Auswirkungen minimiert, das ist eine eigene Diskussion).

    Aber was sind die Alternativen? Was passiert, wenn wir keine Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln haben würden (weil wir fixierte Preise haben)? Dann fehlt uns das immens wichtige Preissignal zur Marktüberwachung, wir müssen dann hoffen, daß irgendwelche Experten rechtzeitig die richtigen Entscheidungen für uns treffen, damit wir auch morgen noch was zu essen haben. Ansonsten haben wir das Problem, das wir immer haben, wenn Du ein Produkt unter Marktpreis anbietest: Es kommt zu einer Verknappung. Verkaufe mal Diamanten zum halben Preis bei Aldi. Die sind sofort weg, es ist nicht genug für alle da. Das wird mit Nahrung auch passieren, wenn Du sie künstlich unter Marktpreis verkaufst. Sie sind sofort weg, es ist nicht genug für alle da. Die Konsequenz sind Hungersnöte.

    Man wird mir jetzt wieder Freude für eine unangenehme Sache unterstellen, aber die hohen Nahrungsmittelpreise sind wichtig, die sagen uns "wenn wir so weitermachen, dann haben wir bald *richtige* Probleme" (und ja, ein kollabierenden Lebensmittelmarkt wäre auch in Europa ein riesiges Problem) und gleichzeitig korrigieren sie das System so, daß sich der Effekt abschwächt.



  • Daniel E. schrieb:

    Die Preisentwicklung sagt uns nämlich was ganz einfaches: Nahrungsmittel werden knapper, dh. es wird relativ gesehen mehr Nahrung nachgefragt als angeboten. Der Preis ist ein Warnsignal, "wir produzieren zu wenig Nahrung". Und auf der anderen Seite kommt damit ein Ausgleichsprozess in Gang: da das Nahrungsmittelgeschäft lukrativer wird, steigen mehr Leute in das Geschäft ein, es werden mehr Nahrungsmittel produziert und angeboten -> die Preise sinken wieder auf ein stabiles Niveau ab. Natürlich kann dieses Niveau höher sein als es früher war (kommt auf beliebig viele Faktoren an, wie hoch das genau ist) und dann wird das für viele Menschen in ärmeren Gebieten der Welt echt unangenehm, weil die sowieso extrem viel Geld für Nahrung ausgeben (wir in Mitteleuropa geben ja eh relativ zu unserem Verdienst sehr wenig für Essen aus, so daß uns Preissteigerungen da gar nicht sooo sehr stören -- wie man in der dritten Welt die unangenehmen Auswirkungen minimiert, das ist eine eigene Diskussion).

    Ich glaube das Sinken der Preise wird im der Praxis einfach vergessen.
    Ansonsten ist die Erklärung gut - nur habe ich eben meine Zweifel ob das jemals so umgesetzt wird.



  • Natürlich steigen Leute in den Lebensmittelmarkt ein, weil es sich mittlerweile lohnt, neue Flächen zu nutzen. Siehe http://www.fao.org/newsroom/en/news/2008/1000826/index.html

    Und natürlich sind über Jahrzehnte hinweg die Lebensmittelpreise gefallen (die Lebensmittelpreise relativ zum Verdienst sowieso).

    Ob Norma 2 Cent beim Joghurt einbehält, weil dann ein schönerer Preis rauskommt, ist ne andere Diskussion, aber daß die grundlegenden Marktmechanismen greifen, daran kann man eigentlich nicht zweifeln.



  • Und wie lange dauert es bis Paprika wieder 4 statt 7 Euro das Kilo kostet?
    Also, dass wir nochmal 3 Euro erreichen glaub ich eh nicht...

    So mal als Beispiel wo ich genaue Preise weiß.
    Achja, und bitte auch Ware die man noch essen möchte, ohne Dellen oder gar Pelz.



  • estartu schrieb:

    Und wie lange dauert es bis Paprika wieder 4 statt 7 Euro das Kilo kostet?
    Also, dass wir nochmal 3 Euro erreichen glaub ich eh nicht...

    Solange wie es dauert, bis es entsprechend billiger wird, ihn zu produzieren / importieren (gibt ja nicht unerhebliche Zölle, Subventionen usw). Dass das passiert, wage ich allerdings auch zu bezweifeln. Vielleicht mit Gentechnik...

    Naja, anderes Beispiel: DDR-RAM. Da sind die Preise ja schon ziemlich massiv gesunken, und nein, das haben die Hersteller nicht freiwillig gemacht (also die Preise zu senken). Übrigens rede ich von RAM-Riegeln ohne Dellen. 😉



  • So ganz richtig kann ich an dieses "der Markt reguliert das schon" nicht glauben. Ich kann mich noch gut an die Umstellung auf den Euro erinnern, da haben einige Pizzerien einfach "DM" durch "€" ersetzt. Hatte sogar mal zwei Speisekarten von derselben Pizzeria, eine von ein paar Monaten vor dem Euro, eine von ein paar Monaten nach dem Euro, beide exakt dieselben Preise bei allen Gerichten, nur halt DM<->€. Und jetzt erzählt mir nicht, dass sich die Gehälter oder rohen Lebensmittelpreise in diesem halben Jahr verdoppelt haben..



  • Nein nein, die Nachfrage ist sprunghaft angestiegen. Da haben die Marktgesetze natürlich voll gegriffen. Aber nicht vergessen, die Währungsumstellung war ja ein Eingriff vom bösen Staat- da kann man dem armen Kapitalismus nun nichts vorwerfen.



  • Badestrand schrieb:

    So ganz richtig kann ich an dieses "der Markt reguliert das schon" nicht glauben. Ich kann mich noch gut an die Umstellung auf den Euro erinnern, da haben einige Pizzerien einfach "DM" durch "€" ersetzt.

    Ja, aber "es gibt"-Aussagen sind doch recht unbrauchbar, findest Du nicht?

    Gucken wir uns die Teuerungsraten im Jahr nach der Euro-Einführung halt an. Im ersten Quartal betrug die Inflationsrate ca. 5% (lies: die Schweine haben die Preise fett erhöht), über das gesamte Jahr betrachtet nicht ganz 2%. Wie erklärst Du uns also, daß in den verbleibenden drei Quartalen die Preise tendentiell eher gefallen sind, wenn nicht durch Wettbewerb?

    Abgesehen davon war vor der Euro-Einführung die Inflation auch nicht niedriger als nachher, nur daß man sich nicht so plakativ auf irgendwas beziehen konnte (weißt Du noch, was Du 1994 für ein Bier/Schokoriegel gezahlt hast? 1998? usw.) und außerdem hat sowieso niemand richtig umgerechnet zwischen Euro und DM (wir erinnern uns: der Umrechnungsfaktor war NICHT 2DM=1€!).

    Der "Teuro" ist das wohl am größten aufgebauschte, nicht existierende Phänomen, das mir bisher über den Weg gelaufen ist.



  • Badestrand schrieb:

    So ganz richtig kann ich an dieses "der Markt reguliert das schon" nicht glauben. Ich kann mich noch gut an die Umstellung auf den Euro erinnern, da haben einige Pizzerien einfach "DM" durch "€" ersetzt. Hatte sogar mal zwei Speisekarten von derselben Pizzeria, eine von ein paar Monaten vor dem Euro, eine von ein paar Monaten nach dem Euro, beide exakt dieselben Preise bei allen Gerichten, nur halt DM<->€. Und jetzt erzählt mir nicht, dass sich die Gehälter oder rohen Lebensmittelpreise in diesem halben Jahr verdoppelt haben..

    Naja, wenn du beim Pizzeria-Suchen strikt nach Preis handeln würdest, hätten die sich das nicht leisten können. Es ist natürlich so, dass der vielbeschworene Markt nicht perfekt ist, aber meistens ist er doch ganz brauchbar. Es ist durchaus ganz inspirierend, darüber nachzudenken, unter welchen Bedingungen ein funktionierender Markt entsteht.

    Ein Hinweis: Ein Angebotsmonopol des Staates sorgt eher nicht für einen funktionierenden Markt.

    Übrigens ist der Euro toll, weil er Transaktionskosten und Risiko senkt. Das merkt man im unmittelbaren Vergleich natürlich nicht, weil die Währungen des Eurolandes ja schon Jahre im Voraus an den Euro gekoppelt waren, wodurch die meisten Vorteile des Euros bereits gegeben waren. So waren die Euro-Währungen wie D-Mark, Franc und Lire untereinander ja extrem stabil, ganz anders als der Euro-Dollar-Kurs, welcher ja das Exportrisiko für Firmen wie Airbus deutlich erhöht.

    Übrigens hat sich eine größere Autofirma, Honda oder so, gegen eine Fabrik in Großbritannien entschieden, weil deren Währung (Pound Sterling :)) nicht stabil zum Euro ist, diese aber vor allem für Euro-Staaten produzieren sollte.



  • Daniel E. schrieb:

    Badestrand schrieb:

    So ganz richtig kann ich an dieses "der Markt reguliert das schon" nicht glauben. Ich kann mich noch gut an die Umstellung auf den Euro erinnern, da haben einige Pizzerien einfach "DM" durch "€" ersetzt.

    Gucken wir uns die Teuerungsraten im Jahr nach der Euro-Einführung halt an. Im ersten Quartal betrug die Inflationsrate ca. 5% (lies: die Schweine haben die Preise fett erhöht), über das gesamte Jahr betrachtet nicht ganz 2%. Wie erklärst Du uns also, daß in den verbleibenden drei Quartalen die Preise tendentiell eher gefallen sind, wenn nicht durch Wettbewerb?

    Mir ist völlig klar, dass der Markt sich zum Großteil selbst reguliert, in diesem speziellen Fall war's aber nicht so. Da kannst du rum-erklären wie du willst, wenn meine Pizza plötzlich doppelt so viel kostet wie vor einem halben Jahr, hat sich da für mich nix von selbst geregelt. Billiger ist sie mit der Zeit übrigens auch nicht geworden. Und nein, die Alternativpizzerien waren nicht unbedingt billiger.
    Ich will nicht irgendwelche Marktgesetze in Frage stellen. Ich will nur darauf hinaus, dass das System nicht so perfekt ist wie in der Theorie und wie du es hier darstellst.

    Daniel E. schrieb:

    und außerdem hat sowieso niemand richtig umgerechnet zwischen Euro und DM (wir erinnern uns: der Umrechnungsfaktor war NICHT 2DM=1€!).

    Toll, dann halt 1,96 wie weltbewegend 🙄



  • Badestrand schrieb:

    Daniel E. schrieb:

    [Fieser Pizzabäcker verdoppelt Preise]
    Gucken wir uns die Teuerungsraten im Jahr nach der Euro-Einführung halt an. Im ersten Quartal betrug die Inflationsrate ca. 5% (lies: die Schweine haben die Preise fett erhöht), über das gesamte Jahr betrachtet nicht ganz 2%. Wie erklärst Du uns also, daß in den verbleibenden drei Quartalen die Preise tendentiell eher gefallen sind, wenn nicht durch Wettbewerb?

    Mir ist völlig klar, dass der Markt sich zum Großteil selbst reguliert, in diesem speziellen Fall war's aber nicht so. Da kannst du rum-erklären wie du willst, wenn meine Pizza plötzlich doppelt so viel kostet wie vor einem halben Jahr, hat sich da für mich nix von selbst geregelt. Billiger ist sie mit der Zeit übrigens auch nicht geworden. Und nein, die Alternativpizzerien waren nicht unbedingt billiger.

    Dann sieht's für mich nach einem hervorragend funktionierenden Markt aus, wenn alle mehr verlangen, ist es doch voll ok.

    Ich will nicht irgendwelche Marktgesetze in Frage stellen. Ich will nur darauf hinaus, dass das System nicht so perfekt ist wie in der Theorie und wie du es hier darstellst.

    Niemand sagt, daß keine Preisspünge um $viel möglich sind, ich sage nur daß das Einzelfälle waren und der Europreissprung allgemein überschätzt wird und volkswirtschaftlich keine nennenswerte Rolle gespielt hat.

    Auf der anderen Seite ist natürlich immer die Frage, wie elastisch ein Markt ist. Wenn die Leute ohne zu murren die neue Pizza bezahlen, dann gibts doch gar kein Problem. Wenn der Wirt könnte, dann würde er sicher auch 100€ pro Pizza kassieren. Oder 1000. Oder mehr. Du reitest darauf herum, daß er versucht hat, am erste Januar 2002 den Preis anzuheben und es offenbar geklappt hat. Ist doch schön für ihn.

    Schau dir halt mal an, wie Preisbildung wirklich funktioniert und nein, damit meine ich keine Schnittpunkte im Angebots-Nachfrage-Diagramm, sondern sich mal hinzusetzen und überlegen, warum Zeug das kostet, was es kostet.

    Daniel E. schrieb:

    und außerdem hat sowieso niemand richtig umgerechnet zwischen Euro und DM (wir erinnern uns: der Umrechnungsfaktor war NICHT 2DM=1€!).

    Toll, dann halt 1,96 wie weltbewegend 🙄

    2% mehr oder weniger in der Inflationsrate ist ein ziemlich fetter Batzen, findeste nicht?



  • Daniel E. schrieb:

    Auf der anderen Seite ist natürlich immer die Frage, wie elastisch ein Markt ist. Wenn die Leute ohne zu murren die neue Pizza bezahlen, dann gibts doch gar kein Problem. Wenn der Wirt könnte, dann würde er sicher auch 100€ pro Pizza kassieren. Oder 1000. Oder mehr. Du reitest darauf herum, daß er versucht hat, am erste Januar 2002 den Preis anzuheben und es offenbar geklappt hat. Ist doch schön für ihn.

    Wenn viele Pizzabäcker unabhängig voneinander praktisch zeitgleich versuchen den Pizzapreis anzuheben, dann hat man es mit einem neuen Phänomen zutun.
    Hier in B. sind die Pizzapreise im Rahmen der Euroumstellung auch über Nacht heftig gestiegen obwohl es definitiv kein Pizzabäckerkartell gibt.


Anmelden zum Antworten