Die politische Einstellung und der Arbeitsplatz



  • mifudd schrieb:

    Ich habe mich jetzt ein bißchen an Dir abgearbeitet. Möglicherweise auf übertriebene Weise, weil Du die DDR auch sehr kritisch siehst. Aber die DDR interessiert mich und das musste jetzt einfach mal raus *g*

    War trotzdem sehr interessant. 👍



  • Hi Mifudd,

    war ganz interessant, Deine antwort, wenn auch nicht in allen Dingen sachlich richtig.
    Zu Arbeitslagern kann ich nichts sagen, Daß es Gefängnisse gab (Zuchthäuser waren abgeschafft zumindest offiziell) war bekannt. Daß es für "Schwererziehbare" Jugendliche entsprechende "Jugendwerkhöfe" gab war es auch.
    Auch bekannt war in der DDR daß es zum Beispiel auf dem Gelände des KZ Buchenwald auch nach 1945 ein unter sowjetischer Leitung stehendes KZ gab. Galt aber zu meiner Zeit (also nach 1957) als nicht mehr existent.
    sicher wirds auch welche gegeben haben, ie von diesen Arbeitslagern gewust haben. Die Masse hatte aber definitiv keine Ahnung davon. Wahrscheinlich war es ähnlich wie bei denen die in Schwedt (Militärgefängnis) gesessen haben, die haben danach auch nicht davon gesprochen. Mir waren sie jedenfalls nicht bekannt.

    Zu Marx, der hat zwar das kommunistische Manifest geschrieben, aber was die meisten immer wieder durcheinander bringen ist die Tatschae, daß Marx eben kein Gesellschaftswissenschaftler war, zumindest nicht in erster Linie, sondern in erster Linie Nationalökonom bzw. Politökonom. Wie die nächste Gesellschaft aussehen soll hat er nur in ein paar Andeutungen gesagt, dafür recht gründlich die ökonomischen Grundlagen wie eine Gesellschaft funktioniert betrachtet. Vergleich blos mal die Seitenstärke des Kommunistischen Manifests mit der Seitenstärke des Kapitals. 95% dessen was in der DDR als Marx verkauft wurde war Hineininterpretation bzw. Hineingelüge. Aber lenin, Mao... waren eben keine Deutschen... mit denen konnte man sich nicht schmücken.
    Gab übrigens in der DDR den schönen Spruch "Theorie ist Marx, Praxis ist Murks".

    Die Investitionsquote war in der DDR sicher zu hoch, was ich meinte, war nicht die Investitionsquote, sondern die Reinvestitionsquote. Was nützt es, wenn mit gewaltigem Aufwand Vorzeigeobjekte aus dem Boden geprügelt wurden.

    Was nützt es, wenn ich einige wenige Vorzeigeobjekte aufpäppele, wenn der Rest der Fabriken verwahrlost. Ich hatte mal ca 1981 die Möglichkeit einen Blick in einen der Betriebe der Halleschen Maschinenfabrik zu werfen und hab mich im Vorhof der Hölle gefühlt.

    In dem Betrieb wo ich gearbeitet habe war das zum Glück ein bisschen anders, aber nicht wesentlich. Erhaltungsinvestitionen wurden nach dem Machtantritt Honeckers immer schwieriger bzw. zum Teil fast unmöglich. Maschinen wurden dann ehr oder weniger zugeteilt, wenn man Glück hatte geeignete, es gab aber auch Fälle, wo ein Betrieb der eine Revolverdrehbank wollte eine 7-Meter-Außenrundschleifmaschine bekam. es wurde eben das verteilt, was grad "im Töpfchen" war.
    Wirkliche Investitionen waren nur machbar, wenn man ein medienträchtiges Superprojekt aus dem Boden stampfte. Dann waren auf einmalauch neue NC-Maschinen und Industrieroboter verfügbar. auch wenn da dann durchaus nicht unbedingt das kam, was angefordert worden war.
    (ist aber heute noch genau so, zwei Dorfteile sollen mit einem Schotterfussweg verbunden werden. Aber dafür gibts keine Fördermittel. Damits Fördermittel gibt muß ein von Hand gepflasterter Fußweg mit Pflaster aus vietnamesischem Porhyr und parallelem edel asphaltiertem Radweg einschließlich Blumenrabatten, Sitzbänken, Beleuchtung und Krötentunneln gebaut werden).
    Nun, meine Erfahrungen beziehen sich nicht auf die Schuhproduktion sondern auf den Maschinenbau. Das heist indirekt auch auf die Maschinen, mit denen wieder Maschinen gebaut wurden (als Nutzer).
    Ich kann da nur sagen, daß die Maschinen (Kreiselpumpen) die wir gebaut haben absolut nicht hinter denen zurückstanden, die die Firma die uns übernomen hat gefertigt hat. Technisch waren sie teilweise durchaus besser (Kraftwerkspumpen, Mehrstufige Kreiselpumpen, hochdrückende Kesselspeisepumpen...). Die gingen sowohl in das eigene Land, als auch in alle Welt, auch in die BRD. Unterschied nur, daß bei Export BRD mit der ganz großen Lupe geguckt wurde. Die mussten nicht nur technisch in Ordnung sine, sondern auch ohne den geringsten Schönheitsfehler.
    Die Maschinen die wir dafür gebraucht haben kamen bis ca 1973 noch überwiegend aus eigener DDR-Produktion (WMW). Die ganzen konventionellen Maschinen waren ganz ausgezeichnete unverwüstliche qualitativ sehr gute Maschinen. Da war damals auch auf dem Westmerkt nichts wesentlich besseres zu haben. Viele von den snd auch nach 30 Jahren in 3 Schichten im gemischten Schrupp-Schlichtbetrieb noch absolut wie die Bienchen gelaufen.
    Bei den NC-Maschinen war es ähnlich. Mechanisch waren die Maschnen top. Woran sie aber gekrankt haben waren die Steuerungen. Braunkohlebefeuerte mongolische Mikroprozessoren ersetzen eben keine ordentliche NC-steuerung. Daher wurden viele Mashcienen die ins westliche Ausland gingen auch nachträglich mit einer anderen Steuerung (Sinumeric, Fanuc...) ausgestattet.
    Nach 1973 versiegte dann der Zustrom an DDR-Maschinen. Ab da kamen dann sowjetische, polnische, rumänische, bulgarische... Maschinen. Da hat man schon einen gewaltigen Unterschied gemerkt. Außerdem sank die Zahl der neuen Maschinen gewaltig.
    Sicher eine Folge mit, daß nach Honeckers Machtantritt Ulbrichts neues ökonomisches System
    http://de.wikipedia.org/wiki/Neues_Ökonomisches_System_der_Planung_und_Leitung
    endgültig auch in den letzten Zipfeln zu grabe getragen wurde. da wurden die letzten privaten, halbstatlichen oder genossenschaftlichen Betrieb zu staatlichen gemacht und zu riesigen Kombinaten zusammengeschlossen, auch was nicht immer passte.
    Maschinenbau war das täglich Brot, aber Konsumgüterproduktion, Mikroelektronik... waren Rauschmittel für die Regierung. Jeder Betrieb musste einen bestimmten Prozentsatz (ich glaube 5%) Konsumgüter produzieren, auch wenns überhaupt nicht passte. Was will en Braunkohlentagebau für Konsumgüter produzieren.
    Was die Autoproduktion betrifft, Export spielte da nicht die Rolle. In erster Linie war der Trabbi Heroin fürs Volk und der Wartburg Koks für die Mittel- und Oberschicht. Die Produktion sollte einfach nur ohne Kosten weiter gehen.
    Wie sollte auch groß was exportiert werden, wenn die Produktion des Wartburg Tourist (Kombi) vielfach bei 20 Fahrzeugen pro Tag lag.

    Das ein ziemlicher tiel des Erdöls aus der SU weiterverarbeitet nach Westen ging ist ein offenes Geheimnis, aber das hat uns die SU ja auch pübel genommen und in folge dessen die Lieferungen reduziert und die Preise angehoben.
    Daß die DDR aber nur eine große Raffinerie war, ist aber absoluter Schwachsinn. Das Gegenteil war der Fall und auch ener der großen Fehler der DDR, auch wenn wir vielfach keine andere Wahl hatten. Die DDR hat Kaufhausproduktion betrieben. Statt Konzentration auf das was wir gut konnten (ja das gabs auch) wurde absolut alles selbst gemacht. Aber was wollte man, für bestimmte Sachen (z.B. Mikroelektronik gabs ja Westembargos). vielfach wurde auf Grund von Realisierungsproblemen in Folge Geldmangel einfach auch nur KnowHow billig verkauft anstatt es selber zu Geld zu machen. Und letztlich hat zum großen Teil die SU bei uns reingeredet und festgelegt was wir für sie zu produzieren hätten. (nannte sich RGW). Gabs nen schönen Witz, wie Honecker in Rostock Matrosen fragt: wohin fahrt ihr und womit kommt ihr zurück: Erster Mit Maschinen nach Kuba und zurück mit Orangen. Zweiter Mit Optik/Feinmechanik nach Ägypten und zurück mit Baumwolle. Dritter Mit Maschinen, Optik/Feinmechanik und Orangen in die Sowjetunion und zurück kommen wir mit dem Zug.
    Wie weit die Industrie der DDr runtergewirtschaftet war, sieht man am besten an dem Vergleich, daß in Buna/Leuna angeblich an einem Tag so viel Dampf durch undichte Rohrleitungen entwichen ist, daß man damit eine Kleinstadt ein Jahr heizen könnte. Obs stimmt weiß ich nicht, aber es waren gewaltige Industrieanlagen, die nur noch durch tägliche Zauberei der dort arbeitenden am Leben erhalten werden konnten. Es gab da kurz vor wendezeiten eine Bericht einer kommision unter Leitung von Egon Krenz, die zu der Feststellung gekommen war, daß ein Großteil der Anlagen Schrott war und daß in Zukunft auch in der DDR Arbeitslose nicht zu vermeiden gewesen wären.
    Was Du über die Wohnungen in der DDR schreibst ist schlicht Schwachsinn. Zum ienen halfen sich DDR-Bürger selbst udn sind mit einem Eimer Teer selbst aufs Dach gegangen abdichten (so funktionierte letztlich der ganze Staat und die ganze Wirtschaft) oder kannten jemanden der das konnte, zum andern war nichts mit Ausziehen. In der DDR herrschte gravierende Wohnungsnot. In jedes irgendwie bewohnbare Loch wurde jemand reingesteckt. Einfach ausziehen war nicht, wo sollte man eine Wohnung hernehmen. Und was die schlimmen Plattenbauten betrifft (wohne immer noch in einem und sehr gerne) erstens ist keine andere Stadt so grün wie die ach so schlimmen Betonwüsten, und zum anderen hab ich genügend Familein gesehen und selbst erlebt, die bei übergabe einer der schlimmen Wohnungen vor Freude geweint haben udn weiß auch selbst noch wie ich mich gefühlt habe, als wir endlich eine bekomen haben.
    Der Schürer-Bericht ist insofern unkomplett, als Schalk selber mal gesagt hat, daß die DDR seit 1973 immer am Rande einer Pleite entlanggeschlittert ist.
    Trotzdem bin ich heifroh, daß Leute wie er das immer wieder irgendwie hingebogen haben (wenn auch mit teilweise sehr kriminellen Methoden) denn zu Breschnjews Zeiten hätte es KEINE Wiedervereinigung gegeben, da hättenwir hier in der DDR albanische Verhältnisse gehabt.
    Letztlicvh muß man sagen, die ganzen wirklichen Probleme wie zum Beispiel die von Dir beschriebene Arbeitslager... hjaben in erster Linie Leute am oberen und unteren Rand betroffen. Der durchschnittliche DDR-Bürger hat sich seine Nische gesucht, hat sich arrangiert (wie heute auch) und hatte die meiste Zeit ein sorgloses in ruhigen Bahnen verlaufendes zufriedenes Leben. Der größte Teil, die jetzt alles Wiederstandskämpfer und Unterdrückte waren, waren zu DDR-zeiten einfach ganz normale Spießer die ihre Tür hinter sich zugezogen haben und nichts gesehen haben oder nichts sehen wollten.

    Gruß Mümmel



  • Hi,

    was ich noch sagen wollte, der Sozialismus hatte eine echte Chance, nämlich als der des Prager Frühlings, der 1968 unter Dubceks Leitung in der CSSR ausprobiert wurde. Leider haben sowjetische Panzer diese Chance und die Hoffnung von Miliionen Menschen auf eine bessere Zukunft gnadenlos niedergewalzt und zusammengeschossen.

    Gruß Mümmel



  • muemmel schrieb:

    Zu Marx, der hat zwar das kommunistische Manifest geschrieben, aber was die meisten immer wieder durcheinander bringen ist die Tatschae, daß Marx eben kein Gesellschaftswissenschaftler war, zumindest nicht in erster Linie, sondern in erster Linie Nationalökonom bzw. Politökonom. Wie die nächste Gesellschaft aussehen soll hat er nur in ein paar Andeutungen gesagt, dafür recht gründlich die ökonomischen Grundlagen wie eine Gesellschaft funktioniert betrachtet.

    Nicht wirklich. Er hat im "Kapital" eine spezielle Gesellschaft, nämlich die, die er damals gesehen hat, "recht gründlich betrachtet", bzw. eher nicht. Auch das Kapital liest sich eher wie eine Hasstirade, klassisch-intellektuelles Schema: wenig Inhalt, viele Fremdwörter. Darüber, wie Gesellschaften allgemein funktionieren, hat Marx nie geschrieben und die ökonomischen Theorien, die es damals gab, hat er auch kaum verstanden. Hegel dagegen vermutlich schon ...



  • Hi,

    wie man heute weiß, hat marx ja sehr vieles, was als von Marx gilt gar nicht selbst geschrieben. Vieles kam von engels und wurde von Marx nur verkauft.
    Die dicken Scxhwarten von Marx hab ich nie gelesen, da mir da Aufwand und Nutzen nicht im Verhältnis standen. aber einen gewissen hang zu "gescheid wirkender Schreibweise" um nicht zu sagen Fachkryptologie hatte er schon.

    Wie hat bei uns an der UNI mal einer gesagt: 10 % muß man erzählen was die Leute schon wissen, damit sie sagen ja das kenne ich auch das stimmt. Das meiste muß den Leuten was neues geben und 5-10% muß dabei sein, was die Leute nicht verstehen, damit die sagen ja der ist wissenschaftlich.

    Hier noch ein Satz aus Wikipedia:
    Marx versucht nicht, eine fertige Utopie des Kommunismus zu entwerfen, sondern begreift die kommunistische Bewegung als „die selbständige Bewegung der ungeheuren Mehrzahl im Interesse der ungeheuren Mehrzahl“,[3] deren genauer Charakter sich durch die historischen Bedingungen bestimmt, in denen diese Bewegung agiert. Die Konturen einer kommunistischen, klassenlosen Gesellschaft werden oft nur vage umrissen; eine berühmte Formel lautet: „An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.“

    Und gerade das war ja das, was im Stalinismus der DDR nicht erwünscht/nicht möglich war.

    Die alte vergreiste und inkompetente Führungsriege unter Honecker hat nie begriffen das in dem Begriff "Du darfst" viel viel mehr Macht steckt ist als in dem Begriff "Du must".

    Was den Hegel betrifft, der hat (aus meiner Sicht) mehr selbst etwas geschaffen, wärend marx mehr versucht hat, aus vorhandenen nicht immer zusammen passenden Baustenen was zusammenzusetzen. Ob ich damit richtig liege ist die andere Frage.

    Gruß Mümmel



  • Hallo Mümmel,

    entschuldige das ich so spät antworte. Ich habe mir noch mal die Bücher und das Vorlesungsskript von damals durchgelesen und muss ein paar Dinge berichtigen.
    Bücher:
    - Q1: DDR 1990 Zahlen und Fakten vom März 1990, Verfasser: StaBu in Zusammenarbeit mit StaAmt DDR
    - Q2: Die Endzeit der DDR-Wirtschaft, Analysen zur DDR Wirtschafts- Sozial- und Umweltpolitik herausgegeben von Eberhard Kuhrt im Auftrag des Innenministeriums.

    Zur Investitionsquote:Wie man sieht lag die Bruttoinvestitionsquote ab den 70er Jahren bei 30%. Die Investitionsquote in der BRD ist allerdings höher als 10% (mein Fehler).
    Hier eine Aufteilung der Investitionen nach Sektoren.
    Der Energie und Brennstoffsektor nimmt eine sehr große Rolle ein. Mein Behauptung "die DDR sei nur eine Raffinerie" war etwas überspitzt, aber nicht vollkommen grundlos. Laut (Q2 S134) hat der DDR selbst in der 80er Jahren 30% Ihrer Erdölimporte wieder exportiert.
    Allerdings war der Ölpreis in dieser Zeit sehr niedrig, so dass der Erlös wohl in der Statistik keinen sehr großen Impakt hatte.

    Die DDR war eine große Raffenerie:

    daß in Buna/Leuna angeblich an einem Tag so viel Dampf durch undichte Rohrleitungen entwichen ist, daß man damit eine Kleinstadt ein Jahr heizen könnte

    Die DDR hatte in den 70'er Jahren den höchsten Energieverbrauch in Europa (Q2 S132) und weltweit an dritter Stelle hinter Nordamerika (bei einem Bruchteil der Produktivität). Mit einer sehr viel höheren Beschäftigungsquote ist sie nur auf 50% (Stand 1989) des BRD-Bip pro Kopf (also gesamte Bevölkerung) gekommen. Rechnet man Bip/Beschäftigter aus liegt man bei einem Drittel. In der DDR hat also ein größerer Bevölkerungserwerbsanteil nur halb so viel geschafft wie im Westen.

    Die Luftverschmutzung in Berlin soll laut DDR Umweltminister Reichelt (Q2 S210) 2-3 mal so hoch gewesen sein wie in New York, Tokio oder London. Noch 1989 sollen 50% der Wohnungen mit Kohleheizungen betrieben worden sein. Dazu noch die viele Braunkohle für die Elektrizitätswerke. Ein Trabi soll übrigens 13,2 Liter pro 100 Kilometer verbrauchen (Q2 S204). Durch das Preisdiktat (die DDR Preise waren staatlich festgelegt) musste der Staat immer mehr Geld in den Energiebereich hineinstecken um die Preissteigerungen (Öl, Lohnsteigerungen bei einheimischen Arbeitern, ...) aufzufangen. Laut (Q2 S207) hat der Staat am Ende letztlich 86% der Heizkosten durch Subventionen bezahlt. Das hat natürlich nicht zu einem ökonomischen Umgang mit Energie geführt. Der Energiesektor war viel größer als im Westen.

    Maschinenbau:
    Du hattest das Beispiel Maschinenbau gebracht. Aus dem statischem Jahrbuch der DDR sieht man aber das die DDR viel weniger Investitionsgüter (zB. Maschinen) von der BRD importiert hat als exportiert. Daher leite ich die Vermutung ab das im Westhandel der MaschBau der DDR nicht so konkurrenzfähig war. Laut (Q2 S134) hat die DDR regelmäßig interne Umrechnungskurse (Devisenertragskennziffer) erstellt, zu welchen Preisen man DDR Produkte im Westen absetzen könnte. 1975 konnte man Produkte im Wert einer DDR-Mark noch für über 0,5 Westmark absetzen. 10 Jahre später (1985) waren es nur noch 0,34 Mark und 1989 hat man für den DDR Warenkorb nur noch 0,26 Westmark bekommen. Ein Zeichen für verloren gegangen Wettbewerbsfähigkeit.
    In der Statistik sieht man auch sehr gut den Knick der durch die beinahe Zahlungsunfähigkeit Anfang der 80'er zustande gekommen ist. Auch das Export/Defizit gegenüber der BRD ist zu erkennen.

    Wohnen in der DDR:

    Was Du über die Wohnungen in der DDR schreibst...

    Laut (Q2, Seite 88) gab es in der DDR 2,9 Millionen staatliche, 1,2 Millionen genossenschaftliche und noch mal 2,9 Millionen private Wohnungen. Dadurch dass der Staat die Mieten auf ein niedriges Niveau festgelegt hatte, wurden die privaten Wohnungen (diese waren meist in der Innenstadt) nicht adäquat erneuert. Daraus hätte sich dann das Problem der verfallenden Innenstädte ergeben. Außerdem wurde zuviel Gewicht auf den Plattenbau gelegt und die Baureparaturkapazitäten nicht ausreichend entwickelt (Siehe Schürer in Q2 S88 ff). Wenn man berücksichtigt das die Oststädte weit weniger bombardiert wurden und von 1949-89 die DDR einen Nettobevölkerungsverlust von 4,4 Mil Menschen hatte (Q2 S42) spricht das nicht gerade für die Planwirtschaft.
    Bei "gefälschter" Statistik habe ich mich vertan:
    Laut Schürer (Q2 S86) war im Plan vorgesehen 3 Millionen Wohnungen fertig zu stellen (->zu bauen ODER zu renovieren). Es wurden dann bis 1989 1,7 Millionen Wohnungen gebaut und 1,1 bis 1,3 renoviert. Somit war der Plan erfüllt. Der Terminus Wohnungen fertig zu stellen hört sich für einen Westler sehr nach Neubau an. Wenn er dann ließt das von den 3 Mil Wohnungen nur 1,7 Mio gebaut worden sind, Honecker aber die dreimillionste Wohnung mit den Worten „Plan erfüllt“ eingeweiht hätte… dieser Fehler scheint übrigens im Web weitverbreitet zu sein.

    Ich war letztens auf einem Symposium eines Westberliner Radiosenders der vor der Wende mit der Videokamera durch Ostdeutsche Städte gefahren ist und dort Leute interviewt hat. Daher das Beispiel mit den Leuten die aus den oberen Wohnungen ausziehen weil es durchregnet, dann die Mieter darunter, weil in der Wohnung darüber die Eimer nicht mehr ausgeleert werden...
    Die Videos der Innenstädte haben für sich gesprochen. (Stark verfallen)

    Und was die schlimmen Plattenbauten betrifft (wohne immer noch in einem und sehr gerne) erstens ist keine andere Stadt so grün wie die ach so schlimmen Betonwüsten

    Plattenbau mit einem Blick ins Grüne kann sehr komfortabel sein. Was sagte der Besitzer des Empire State Building noch so treffend: Das schönste am World Trade Center ist die Aussicht auf das Empire State Building. Es hat also derjenige das Problem der auf die Platte schauen muss.

    Staatsverschuldung:

    Der Schürer-Bericht ist insofern unkomplett, als Schalk selber mal gesagt hat, dass die DDR seit 1973 immer am Rande einer Pleite entlang geschlittert ist.

    Ja. In den 70'er Jahren hat die DDR auf Kredit exzessiv mehr importiert (Q2, S151) als exportiert. Erst die Liquiditätskrise 1981/82 hätte zu einem Umsteuern geführt (Westimporte stark einschränken, möglichst viel für Devisen exportieren). Polen, Ungarn und Rumänien waren ab 78/79 zahlungsunfähig, die Banken haben sich ab 1981 auch aus der DDR zurückgezogen (Q2 S159). Wie man sieht hat die DDR Ende der 80'er Jahre Exportüberschüsse generiert: Außenhandel Grafik
    Leider habe ich keine Statistik gefunden die den reinen Westhandel abbildet. Dort müsste die Schieflage (Verschuldung in Devisen) dann sichtbar sein.

    Wenn man sich die Verschuldung ansieht scheint die Lage nicht sehr ernst gewesen zu sein. Im Jahr 1989 mussten Netto 2,2 Mrd Zinsen gezahlt werden. Wenn man dann noch die Einnahmen aus dem innerdeutschen Transitverkehr einrechnet (1,6 Mrd DM), wäre nur noch eine 600 Mio Lücke zu schließen. Hier die Aufschlüsselung der DM Zuflüsse aus Zwangsumtausch und Kirchengeschäften (= die DDR hat Menschen gegen Geld in den Westen verkauft.), ...
    Zum Defizit kommt dann natürlich noch der Export/Import Fehlbetrag aus dem Westhandel hinzu, für den die DDR als Staatsunternehmen voll verantwortlich war. Mit einem radikalen Umsteuern in der Wirtschaftspolitik hätte man aber sicherlich einen ähnlichen Weg wie andere osteuropäische Staaten einschlagen können.

    Das Neue Ökonomische System:
    Die Beschreibung der NÖS Mittel um die DDR wieder nach vorne zu bringen klingen in kapitalistischen Ohren gar nicht so weltfremd:
    - Reduzierung der bürokratisch geplanten Kennzahlen und somit mehr Entscheidungsfreiheit für Betriebsleiter.
    - Leistungsbelohnung. (Soweit ich gelesen habe war das ein 13 Monatsgehalt für Arbeiter, Betriebsleiter haben ein Vielfaches an Prämien bekommen.)
    - Rentabilitätserwägungen in die Planung einfließen lassen. (Sieh an! *g*)
    - Starre Preise aufheben und somit Subventionen verringern/streichen.

    Wie man an diesem Wirtschaftsprogramm sieht war der Gestaltungsspielraum im Inneren der DDR doch sehr groß (so lange man nicht mit den Amerikaner gekuschelt hat). Ulbricht hat 61 die Thesen vom Übergang zum Kommunismus nicht aus der UdSSR übernommen, Honecker hat sich gegen Perestroika gestemmt. Jugoslawischer Kommunismus war anders als Kubanischer oder Chinesischer. Trotzdem sind ausnahmslos alle kommunistischen/sozialistischen Staaten gescheitert (Kuba und Nordkorea sind ja nur noch zur Belustigung gut). Die Bilanz dieser Wirtschaftsform ist eindeutig! Das NÖS hätte den Soz/Kom (Planwirtschaft+verstaatlichte Produktionsmittel) vermutlich auch nicht gerettet.

    Ein anderes Beispiel sind die Genossenschaften die als Unternehmensform im 19/20ten Jhdt neben den Inhaber/Aktien geführten Unternehmen entstanden sind.

    Zweck einer Genossenschaft ist der Förderauftrag, d. h. die Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder. Verfolgung und Erfüllung des Förderzweckes ist unabdingbarer Auftrag. […] Die Besonderheit der Genossenschaft gegenüber anderen Rechtsformen (z. B. der GmbH) liegt darin, dass sie die erwirtschafteten Leistungen an ihre Mitglieder weitergibt.

    Die Genossenschaften (frei fabuliert: Sozialismus im Kleinen) hat sich als Betriebsform dann auch nicht durchgesetzt. (Die NOS Reformen scheinen ja in die Richtung zu gehen.)
    Ein berühmtes Beispiel für eine Genossenschaft ist übrigens die taz:

    Der Bruttolohn für die meisten Angestellten liegt laut Haustarif bei rund 2.000 Euro im Monat; es gibt kein Urlaubs- oder Weihnachtsgeld.
    Bis heute verdienen Redakteure bei der taz deutlich weniger als in anderen Zeitungen, zum Teil verzichten sie aus Solidarität mit der Zeitung sogar auf einen Teil ihres Gehaltes.

    Ein interessantes Kapitel in Q2 ist der Bericht über den verschlafenen Strukturwandel:
    Laut Q2 war der Strukturwandel in der DDR ähnlich wie im Westen. Weg von Landwirtschaft (= Primärer Sektor) und Industrie (= Sekundärer Sektor), hin zur Dienstleistungsgesellschaft (= Tertiärer Sektor). Dieser wurde jedoch in der DDR stark verzögert.
    Während in der DDR noch 1989 10% (andere Quellen sagen sogar 12,9%) der Beschäftigten in der Landwirtschaft gearbeitet hätten waren es in der BRD weniger als 4%. In der DDR waren somit 13,5 Arbeitnehmer je 100 Hektar Landwirtschaftliche Nutzfläche beschäftigt. (9 "Arbeiter" und 4,5 Leute für Verwaltung, Reparatur, Kultur, Soziales, Bau, ...) Während es im Westen nur noch insgesamt 6,5 Beschäftigte waren.
    Der Ertrag pro Beschäftigtem war in der DDR nur halb so groß. Zu Ostpreisen hat die DDR Landwirtschaft Gewinne gemacht (durch den teuren Aufkauf des Staates und die subventionierten Abgabe an die Bevölkerung.). In Westpreisen gerechnet war der Agrarsektor trotz Großbetrieb unrentabel.
    Die Gründe für die "Überbeschäftigung" waren der geringe Mechanisierungsgrad und die in der DDR weit verbreitete versteckte Arbeitslosigkeit. Nach der Wende musste die "überschüssigen" Leute in (Früh)Rente geschickt werden. Von den 863.000 Beschäftigten (1989) blieben nur 159.000 Beschäftigte (1996) übrig. (Bei fast gleicher Nutzfläche waren also bei Neuer Bewirtschaftung 4/5 der Leute überflüssig.)
    Die 700.000 meist gering qualifizierten Arbeiter würden mit 6,4 Mrd Mark pro Jahr die Renten- und Sozialkassen belassen. (Q2 S262)

    Hier ein Brief an Erich Honecker über die Unterbeschäftigung: Teil 1 Teil 2 Teil 3

    Das gegenwärtige Stimulierungssytem vermag offenbar nicht, die Arbeiter im überwiegenden Teil unserer Wirtschaft zum vollen Einsatz ihrer Arbeitskraft anzuspornen, Im Hoch-, Tief-, und Staßenbau ist das offensichtlich, daß es zu einem Politikum geworden ist. [...] Hier ein paar Beispiele [...]

    Ein Mann am Bagger, 6 Mann schauen zu und unterhalten sich; von 3 Handwerkern arbeitet einer und die anderen beiden qualmen die Butze voll; ...
    Von 1,5 Mrd nominellen Arbeitsstunden (DDR insgesamt) sind alleine 130 Mio aufgrund von ärztlichen Attesten ausgefallen.

    Hier noch ein paar Statistiken:
    Mit wem hat die DDR Handel getrieben: Außenhandel Stagnation!
    Produktionsgüter 1 Produktionsgüter 2
    Staatsausgaben. Größte Posten: Subventionen.
    Erwerbstätige

    Marxsche Prophezeiungen:
    Eine interessante These ist natürlich ob hinter diesem Desaster nicht ein Masterplan steht. Zuerst einmal die Marxschen(+Lenin) Prophezeiungen:
    1. Der zunehmende technische Fortschritt (Mechanisierung) ersetzt Arbeiter. Die Folgen sind eine erhöhte Arbeitslosigkeit und damit einhergehend Druck in Richtung niedriger Löhne (= weniger Kaufkraft im Inland) -> weniger Umsatz der Unternehmen -> Imperialismus (= Eroberung neuer Absatzmärkte und Verlagerung der arbeitsintensiven Produktionsstätten ins billigere Ausland). Die Firmen würden immer weiter wachsen woraufhin der Kapitalismus in seine Endphase treten würde: StaMoKap (Staats monopolistischer Kapitalismus). Verwebung von staatlichen und Unternehmensinteressen, Militarisierung des Staates zum Schutz der Unternehmen gegen Arbeiter, Ausbeutung, ...
    2. In den nun deindustrialisierten Gegenden würden sich darauf hin die Arbeiter zusammenschließen (Gemeinschaftseigentum und -bewirtschaftung), worauf zwangsläufig der Kommunismus entstehen würde. (Irgendwie so, es wird einfach gesagt: Nach StoMoKap Zusammenbruch entsteht der Sozialismus PUNKT)

    Wenn man sich die DDR ansieht war sie ja nichts anderes als ein einziges riesiges Unternehmen. Jedes Unternehmen ist schließlich eine Planwirtschaft... Konkurrenz gab es nicht zw den Unternehmen in der DDR (->Monopol), die Preise waren diktiert (->Monopol!!!), Schutzrechte gegenüber diesem Unternehmen gab es nicht (wie ev Verfassungsklagen im Westen), Stasi (->Militarisierung), die einzige Gewerkschaft war nur eine Unterabteilung des Staatsunternehmen, ... ich behaupte DDR=StaMoKap

    Staatssekretär Möbis an DDR „Präsident“ Stoph:

    Demzufolge müssen 1988 fast 70% der geplanten Exporterlöse allein zur Zahlung von Zinsen und Kosten für aufgenommene Kredite eingesetzt werden. Umgerechnet heißt das, dass rund 3/4 des für 1988 geplanten Zuwachses an produziertem Nationaleinkommen den kapitalistischen Banken als Profit überlassen werden muss. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass die Werktätigen der DDR über Kredit- und Zinsmechanismen "hintenherum" in die Ausbeutung durch den Kapitalismus einbezogen sind.

    Für den Westexport (Rettung des Systems) war den Oberen alles Recht. Von Menschenverkauf, Blutkonservenverkauf bis Zwangsenteignungen von Kunst/Wertgegenständen (um sie dann im Westen zu verkaufen) war auf einmal alles drin (siehe KoKo). -> Ausbeutung

    Ich stelle also die Behauptung auf: Der Zusammenbruch war gewollt um entgültig den Kommunismus entstehen zu lassen. Hat es geklappt? Oder hätte man die zweite Prophezeiung weiter ausarbeiten müssen 😃

    EDIT: Rechtschreibfehler und Fragmente entfernt. Die Bilder muß ich noch mal woanders hochladen...


  • Mod

    Respekt für diese Ausarbeitung. 👍


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