Brüssels schlimmster Albtraum wurde wahr



  • muemmel schrieb:

    aber gerade die Verfassung bzw. deren Nachfolge hätte ein bißchen Freiheit von der allmächtigen EU und ihren Zwängen bis hin zu Austritten einzelner Länder gebracht.

    Auf welche Verfassung beziehst du dich? Die alte gültige oder die neue verhinderte irische oder den Vertrag von Lissabon, welcher ja hin und wieder als EU-Verfassung bezeichnet wird?



  • Daniel E. schrieb:

    Mr. N schrieb:

    Es sind weniger die Subventionen, die Irland so geholfen haben, als natürlich vielmehr die Integration in den Binnenmarkt.

    Da sind wir uns sogar einig, ich wollte nur den 0815-Einwand ("es waren die Subventionen, die Irland geholfen haben") aus dem Weg gehen. Aber es ist ja nicht so, daß freier Handel eine EU-Idee wäre. Eher das Gegenteil ist ja der Fall (man beachte die Zölle an den EU-Aussengrenzen) und wenn das der einzige Sinn der EU *wäre*, dann könnte man sie sich nämlich fast komplett schenken, dafür braucht es nicht mal die bilateralen Verträge, die z.B. die Schweiz mit der EU hat. Die sind ja nur dafür da, daß ganze über eine längere Zeit festzunageln.

    Also die Zölle an den Außengrenzen sind im Vergleich zu früher ja schon recht gering. Habe neulich Bücher aus den USA importiert (ja, hat sich gelohnt) und keinen Zoll, nur Einfuhrumsatzsteuer bezahlt - und die zahlt man auch innerhalb der EU, klar. Gibt aber natürlich schon Zölle.

    Binnenmarkt heißt aber mehr als nur Zollfreiheit, Binnenmarkt heißt auch Aufbrechen von Monopolen (Post, Telekom...), exzentrischen Eintrittsbarrieren (Meisterzwang, Reinheitsgebot - wobei ich trotzdem nur Bier nach Reinheitsgebot kaufe 🤡), gegenseitige Anerkennung der akademischen und Berufsabschlüsse - noch vor einem Jahr oder so konnte man als deutscher Optiker nicht so leicht nach Belgien, Vereinheitlichung des Handelsrechts usw. All das ist nötig um einen wahren Binnenmarkt zu bilden.

    Das sind die Dinge, wegen der ich die EU so mag. Dass ich emotional etwas gegen hinterwäldlerische Kleinstaaterei habe, kommt allerdings noch hinzu. [Das gebe ich ganz offen zu, in der Gefahr, dass es gegen mich verwendet wird.]

    Ach ja: Deutschland war auch zuerst eine Zollunion. Meint ihr, es ist so schlimm, dass wir heute eine innerdeutsche Harmonisierung haben?

    Ben04 schrieb:

    Auf welche Verfassung beziehst du dich? Die alte gültige oder die neue verhinderte irische oder den Vertrag von Lissabon, welcher ja hin und wieder als EU-Verfassung bezeichnet wird?

    Die Iren haben den Vertrag von Lissabon - in der ursprünglichen Zeitplanung zumindest - verhindert, der aber in den wichtigsten Punkten dem ursprünglichen Verfassungsvertrag entspricht. Auch die "Verfassung" war übrigens keine Verfassung, aber das sind ja nur Details.

    Marc++us schrieb:

    Da drehen wir uns aber im Kreis... den dieses "freie" Europa kommt in Form der Zwangsvariante rüber, d.h. man kann das Recht auf Austritt nur erhalten, wenn man das Recht auf zentralen Beamtenstaat akzeptiert. Vielleicht denkt man dann eher "so wie es jetzt ist, muß ich gar nicht austreten, aber so wie es nach der Verfassung sein soll, muß ich darüber nachdenken. Aber besser, ich nehme die Verfassung nicht an, dann muß ich auch nicht austreten."

    Inwieweit schafft Lissabon einen zentralen Beamtenstaat? Kannst du das belegen?

    Ist Deutschland für dich eigentlich ein zentraler Beamtenstaat? Ich meine nur, weil die meisten Beamten Länderbeamte sind.



  • Mr. N schrieb:

    Ben04 schrieb:

    Auf welche Verfassung beziehst du dich? Die alte gültige oder die neue verhinderte irische oder den Vertrag von Lissabon, welcher ja hin und wieder als EU-Verfassung bezeichnet wird?

    Die Iren haben den Vertrag von Lissabon - in der ursprünglichen Zeitplanung zumindest - verhindert, der aber in den wichtigsten Punkten dem ursprünglichen Verfassungsvertrag entspricht. Auch die "Verfassung" war übrigens keine Verfassung, aber das sind ja nur Details.

    Dir ist schon klar, dass deine "Antwort" vollkommen an der Frage vorbei geht?



  • Ben04 schrieb:

    Mr. N schrieb:

    Ben04 schrieb:

    Auf welche Verfassung beziehst du dich? Die alte gültige oder die neue verhinderte irische oder den Vertrag von Lissabon, welcher ja hin und wieder als EU-Verfassung bezeichnet wird?

    Die Iren haben den Vertrag von Lissabon - in der ursprünglichen Zeitplanung zumindest - verhindert, der aber in den wichtigsten Punkten dem ursprünglichen Verfassungsvertrag entspricht. Auch die "Verfassung" war übrigens keine Verfassung, aber das sind ja nur Details.

    Dir ist schon klar, dass deine "Antwort" vollkommen an der Frage vorbei geht?

    Das sollte ja auch nur eine Erklärung sein, was es so gibt. Woher soll ich wissen, was mümmel genau meint?



  • Hi,

    na dann sagt Mümmel jetzt mal genau was er meint 😃
    Ich meine damit den Vertrag von Lissabon.

    Auch wenn das andere anders sehen, bin ich trotzdem der Meinung, daß der in einigen Punkten ein Fortschritt ist. Zum Beispiel, daß nicht mehr alles absolut einstimmig beschlossen werden muß, oder daß es Austrittsmöglichkeiten gibt.
    Auch die Charta der Grundrechte finde ich gut.

    Was nicht gut ist, ist wie es gemacht wurde. Das ist in der großen EU nicht anders wie in einem Kaninchezüchterverband. Auch dort gilt wer Mitglied ist hat Kaninchen zu züchten!

    Auf die EU bezogen - wer Mitglied ist, hat abzusichern, daß die Verfassung in Kraft treten kann. aber eben nciht nur wie in Deutschland, in dem einfach das Volk übergangen wird, sondern in dem zweierlei erfolgt:
    Zum ersten muß abgesichert werden, daß man eine Mehrheit bekommt. Und damit meine ich eine ECHTE Mehrheit. Für solch wichtige Dinge bin ich unbedingter Verfechter einer Wahlpflicht. Wer nicht will kann ja seinen Wahlzettel ungültig machen. Außerdem muß dem gesamten Volk vermittelt werden, worum es darin überhaupt geht, daß jeder begreift was er da wählt oder ablehnt.
    Zum zweiten haben die Vertreter der einzelnen Länder dafür zu sorgen, daß die Verfassung so geschrieben wird, daß sie für Ihr jeweiliges Volk annehmbar ist. Wenn sie dafür nicht sorgen, haben sie ihre Aufgabe nciht erfüllt und sollten zur Rechenschaft gezogen werden.

    Womit ich mich überhaupt nicht abfinden kann ist die Länge. Hab grad noch mal geguckt, die ursprüngliche Verfassung der USA
    http://de.wikisource.org/wiki/Verfassung_der_Vereinigten_Staaten_von_Amerika
    hatte 4 Seiten, wobei die letzte zur Hälfte aus Unterschriften bestand. Heute sinds wohl so um die 7 Seiten. Und es ist nicht so, daß die USA mit der EU nicht vergleichbar wären. Auch die USA sind ein aus einzelnen relativ selbständigen Staten bestehender Bundesstaat.
    Wenn ich mir die ursprüngliche EU-Verfassung mit ca 550 Seiten oder den Vertrag von Lissabon mit 192 Seiten ansehe, dann kommt mir das kalte Grausen.
    Die Verfassung der USA ist so geschrieben, daß auch eine alte Oma noch Chancen hat sie zu verstehen. Hier scheiterts dagegen schon an der Zeit zum Lesen. Und nicht nur Blondinen haben am Ende vergessen was am Anfang steht.

    Warum kann man nicht eine Verfassung wie in den USA machen, und alle Konkretisierungen in gesonderten Dokumenten unterbringen. Einen auf maximal 10 Seiten begrenzten Vertrag, in dem JEDER nachlesen kann, was das für ihn bedeutet, und den dann aber auch an alle Haushalte verteilt.

    Sicher muß in heutigen Gesetzen alles wasserdicht ausgefeilt sein. Kenne das leider zur Genüge, aus der Zeit wo wir für unsere Wohnungsgenossenschaft eine Satzung erstellt haben. Die haben wir zum Beispiel um die Ohren gehauen bekommen, weil wir nicht Generalversamlung sondern Vollversammlung schreiben wollten (bei uns war nicht ein General Mitglied, und wir waren gegen allzu militaristische Formulierungen).

    Aber es muß doch nicht ALLES in der eigentlichen Verfassung stehen. Da gehört kurz und knapp rein was die Rechte und Pflichten sind. Und weiterführende Informationen gehören in Erläuterungen und Präzisierungen die im Netz für ALLE verfügbar sein müssen.

    In dem Zusammenhang mal ein Gedanke:
    Die ganzen gesetzlichen Regelungen von Landeresrecht, Bundesrecht, EU-Recht... sind doch eine ziemlich hierarchische Sache. Was mein Ihr, wäre es nicht mal an der Zeit, daß das nicht nur von Juristen erledigt wird, sondern daß sich das mal ein paar erfahrene objektorientierte C++ oder Java-Programmierer ansehen und da mal ein bißchen System, Ordnung und Struktur reinbrigen? Was meint Ihr dazu?

    Gruß Mümmel



  • muemmel schrieb:

    Auf die EU bezogen - wer Mitglied ist, hat abzusichern, daß die Verfassung in Kraft treten kann. aber eben nciht nur wie in Deutschland, in dem einfach das Volk übergangen wird, sondern in dem zweierlei erfolgt:
    Zum ersten muß abgesichert werden, daß man eine Mehrheit bekommt. Und damit meine ich eine ECHTE Mehrheit. Für solch wichtige Dinge bin ich unbedingter Verfechter einer Wahlpflicht. Wer nicht will kann ja seinen Wahlzettel ungültig machen. Außerdem muß dem gesamten Volk vermittelt werden, worum es darin überhaupt geht, daß jeder begreift was er da wählt oder ablehnt.
    Zum zweiten haben die Vertreter der einzelnen Länder dafür zu sorgen, daß die Verfassung so geschrieben wird, daß sie für Ihr jeweiliges Volk annehmbar ist. Wenn sie dafür nicht sorgen, haben sie ihre Aufgabe nciht erfüllt und sollten zur Rechenschaft gezogen werden.

    Ob es annehmbar ist, kann das Volk aber erst durch seine Abstimmung sagen. Sobald es eine Abstimmung gibt, gibt es die Möglichkeit, daß diese negativ ausfällt, da gibt es nichts "abzusichern".

    muemmel schrieb:

    Die haben wir zum Beispiel um die Ohren gehauen bekommen, weil wir nicht Generalversamlung sondern Vollversammlung schreiben wollten (bei uns war nicht ein General Mitglied, und wir waren gegen allzu militaristische Formulierungen).

    Ist ein Generalsekretär der Sekeretär eines Generals? Managen Qualitätsmanager Qualität? Falten Zitronenfalter Zitronen? 😉

    muemmel schrieb:

    wäre es nicht mal an der Zeit, daß das nicht nur von Juristen erledigt wird

    Schon, aber vorher werden die Färöer Inseln Fußballweltmeister.



  • Hi Scrub,

    sicher hat man erst durch Abstimmung Gewißheit, aber zumindest sollte der gesunde Menschenverstand sagen können obs ne Chance hat durchzukommen.
    Und Politiker, die sich nicht vorstellen können daß ein 192-Seiten-Monstrum keine Chance hat durchzukommen sollten sehr schnell ihren Posten und ihre Bezüge wieder hergeben (ich weiß, werden die eh nie tun).

    ansonsten muß ich aber zugeben, daß Du leider verdammt recht hast...
    Aber man wird ja mal träumen dürfen...

    Gruß Mümmel



  • Mr. N schrieb:

    Woher soll ich wissen, was mümmel genau meint?

    Das hab ich mich auch gefragt, allerdings antwortet man normalerweise nur wenn man die Antwort kennt...

    @muemmel Glaubst du jetzt immer noch, dass man es den Irren nur besser erklären müsste?



  • Mr. N schrieb:

    Das sind die Dinge, wegen der ich die EU so mag. Dass ich emotional etwas gegen hinterwäldlerische Kleinstaaterei habe, kommt allerdings noch hinzu. [Das gebe ich ganz offen zu, in der Gefahr, dass es gegen mich verwendet wird.]

    Ach ja: Deutschland war auch zuerst eine Zollunion. Meint ihr, es ist so schlimm, dass wir heute eine innerdeutsche Harmonisierung haben?

    Es ist wenigstens unsympatisch, wie ich finde. Ich finde hinterwäldlerische Kleinstaaterei nämlich super, so ähnlich wie in der Schweiz. Es überträgt nämlich stärker Wettbewerbsprinzipien in die Politik, was großartig ist. Es gibt sogar fast so etwas wie einen Steuerwettbewerb zwischen Kantonen.

    Kleinstaaterei senk einfach die Kosten für "Abstimmen mit den Füßen" und das ist eine gute Sache. Heute tun das ja nur wenige, vor allem Reichere und gut Ausgebildete: Akademiker wandern aus und Firmen investieren ihr Geld nicht mehr hier oder ziehen sogar Kapital ab. Der "kleine Mann" kann das natürlich nicht, der sitzt hier fest. Von München nach Augsburg könnte er vielleicht noch umziehen, aber von München nach London -- das ist schon wieder was anderes.

    BTW, ich stimme dir zu, daß es einige positive Seiten in der EU gibt, zB. wenn belgische Optiker nicht mehr künstlich Konkurrenz aus Belgien draussen halten können, weil sie weniger auf die Legislative einquatschen können. Andere besser organisierte Lobbyisten können das aber weiterhin, teilweise in einem ganz anderen Maßstab (Bauern zB). Ich denke, daß in einem "hinterwäldlerischen Kleinstaatensystem" sich einzelne Fehltritte, die den Bürgern grob schaden, sich kaum lange halten können, weil dann viele einfach in den nächsten Kleinstaat weitergewandern (die Anzahl der wechselbereiten Grenznutzer eines Staates steigt also an, wenn Du so willst :)).

    Und, um das nochmal klarzustellen: wo Menschen am Werk sind, da passieren Fehler. Das passiert Politikern in Kleinstaaten und in Megastaaten in gleichem Maße. Das Problem ist nur, daß man Kleinstaaten viel leichter umgehen (und damit bestrafen) kann, als große Brummer.



  • Hi,

    @Ben04 wenn man die Verfassung in eine vom Umfang und der Verständlichkeit her ähnliche Form gebracht hätte wie die amerikanische, jedem erläutert hätte was was bedeutet und jedem ein Exemplar zugeschickt hätte und dafür gesorgt hätte daß ALLE zur Wahl gehen müssen, dann wäre sie mit Sicherheit angenommen worden.
    Aber so ist ein Papiermonster rausgekommen, daß keiner versteht, daß keinen interessiert und daß auch keiner kennt.
    Bei der Abstimmung ging es doch gar nicht um die Inhalte der Verfassung. Es ging doch nur darum, obs einem egal war, oder ob mans DENEN MAL ZEIGEN wollte.
    Die, denen keine Laus über die Leber gelaufen ist haben sich zurückgelehnt und gesagt laß mal die anderen machen. Und die, die sich in irgend einer Form benachteiligt fühlten (nicht durch diese Verfassung, sondern insgesamt) oder noch eion Mütchen zu kühlen hatten, die sind hingegangen ums "denen mal so richtig zu besorgen". Da wurde NICHT über die Verfassung abgestimmt, sondern über die allgemeine Zufriedenheit mit der Politik...
    Das ist im Handel genau so. Wer zufrieden ist hält den Mund, wer unzufrieden ist geht mit seiner Wut hausieren, so daß man um einen unzufriedenen Kunden auszugleichen 11 andere Kunden überdurchschnittlich zufrieden stellen muß.

    @Daniel E: Kleinstaaterei ist in der heutigen Zeit keine Lösung mehr. Aber das Gegenteil von Kleinstaaterei muß nicht gleich Einheitsbrei sein.
    Hast Du mal überlegt, was es bedeuten würde unter Kleinstaatenbedingungen einmal von München nach Hamburg zu reisen. Alle 20 km Zoll und Maut bezahlen, irgendwelche Schergen bestechen, mit dem Auto andere Bedingungen einhalten müssen, jeweils das Geld in eine andere Währung umwechseln müssen (gegen Gebühr natürlich) und die Ladung jeweils in anderen Maßeinheiten angeben müssen und für die Strecke jeweils auf die aktuelle Meilenlänge umrechnen...
    Wo steht geschrieben, daß Bayern durch die BRD seine Eigenarten verlieren muß. Oder Texas weil es Bestandteil der USA ist? Zwischen einem Bayern und einem Ostfriesen oder Mecklenburger liegen heute noch Welten und das wird auch in 100 Jahren noch so sein. aber es müssen die Kompetenzen SINNVOLL zwischen örtlichen und zentralen Organen aufgeteilt sein.

    Gruß Mümmel



  • muemmel schrieb:

    @Ben04 wenn man die Verfassung in eine vom Umfang und der Verständlichkeit her ähnliche Form gebracht hätte wie die amerikanische, jedem erläutert hätte was was bedeutet und jedem ein Exemplar zugeschickt hätte und dafür gesorgt hätte daß ALLE zur Wahl gehen müssen, dann wäre sie mit Sicherheit angenommen worden.
    Aber so ist ein Papiermonster rausgekommen, daß keiner versteht, daß keinen interessiert und daß auch keiner kennt.
    Bei der Abstimmung ging es doch gar nicht um die Inhalte der Verfassung. Es ging doch nur darum, obs einem egal war, oder ob mans DENEN MAL ZEIGEN wollte...

    Es wurde aber nicht über das was diese EU-"Verfassung" mal hätte werden können abgestimmt sondern über den Vertrag von Lissabon der ganz konkret auf dem Tisch lag. Von dem bist du ja selbst noch nicht mal überzeugt, verlangst es aber von anderen. Da sehe ich ein Problem in deiner Argumentationskette.



  • muemmel schrieb:

    @Daniel E: Kleinstaaterei ist in der heutigen Zeit keine Lösung mehr. Aber das Gegenteil von Kleinstaaterei muß nicht gleich Einheitsbrei sein.
    Hast Du mal überlegt, was es bedeuten würde unter Kleinstaatenbedingungen einmal von München nach Hamburg zu reisen. Alle 20 km Zoll und Maut bezahlen, irgendwelche Schergen bestechen, mit dem Auto andere Bedingungen einhalten müssen, jeweils das Geld in eine andere Währung umwechseln müssen (gegen Gebühr natürlich) und die Ladung jeweils in anderen Maßeinheiten angeben müssen und für die Strecke jeweils auf die aktuelle Meilenlänge umrechnen...

    Aha, so ist das also in der Kleinstaaterei. Wußte ich noch gar nicht. Nur, weil da jemand anderes regiert, bedeutet nicht, daß die alles anders machen würden oder in der Praxis tun. Auch Zölle oder derartig bizarre Dinge muß es nicht geben, es schadet schließlich hauptsächlich dem erhebenden Staat im ganzen (auch wenn natürlich einzelne davon profitieren) -- wenn ein Staat das machen will, bitte, das führt halt zu wirtschaftlichen Verhältnissen wie in Nordkorea.

    Ein ziemlich starken Föderalismus findest Du doch zB. in der Schweiz und da ist das auch nicht so wie Du dir das vorstellst, von daher würde ich nicht Dinge kritisieren, die nur in deinem Kopf existieren.

    BTW: Negativbeispiel zu einem ursprünglich föderalen Staat, der eine ursprünglich föderale Verfassung hat, ist übrigens die von dir genannten USA. Dort wird in der Tagespolitik beider Parteien ziemlich gegen alle Ideen der Verfassungsväter verstoßen, die Verfassung spielt schlicht keine Rolle. Und das ist natürlich die konsequente Entwicklung, wenn man Macht konzentriert irgendwo ablegt. Mag ja sein, daß die EU-Verfassung eine föderal-freiheitliche ist oder sein wird -- die praktische Politik nach ein paar Jahren wird damit nicht mehr viel zu tun haben. Ein anderes Beispiel für einen explodierenden Zentralstaat (in sehr viel kürzerer Zeit) ist übrigens die BRD.



  • Daniel E. schrieb:

    muemmel schrieb:

    @Daniel E: Kleinstaaterei ist in der heutigen Zeit keine Lösung mehr. Aber das Gegenteil von Kleinstaaterei muß nicht gleich Einheitsbrei sein.
    Hast Du mal überlegt, was es bedeuten würde unter Kleinstaatenbedingungen einmal von München nach Hamburg zu reisen. Alle 20 km Zoll und Maut bezahlen, irgendwelche Schergen bestechen, mit dem Auto andere Bedingungen einhalten müssen, jeweils das Geld in eine andere Währung umwechseln müssen (gegen Gebühr natürlich) und die Ladung jeweils in anderen Maßeinheiten angeben müssen und für die Strecke jeweils auf die aktuelle Meilenlänge umrechnen...

    Aha, so ist das also in der Kleinstaaterei. Wußte ich noch gar nicht.

    So war es aber wirklich. Im Deutschland der Kleinstaaten. Dem Deutschland, dem Heine entflohen ist, um ins bereits damals zentralistische Frankreich zu gehen.

    Dass du ausgerechnet die USA und die BRD als Negativbeispiel anführst ist irgendwie auch merkwürdig: Zwei Länder mit deutlich überdurchschnittlichem Wohlstand - pro Kopf.



  • Hi,

    @Ben04: es ist nicht so, daß ich von dem Lissabon-Vertrag nicht überzeugt bin, von den Inhalten an sich schon.
    Die EU-Macher (die aus Irland, aber auch die anderen) haben in zweierlei Hinsicht versagt: Sie haben dem Vertag keine Form geben können die für den einzelnen wählbar ist, und sie haben die Inhalte nicht vermitteln können.
    Viele von den Punkten darin würden fast alle bejahen, wenn man sie konkret nach den einzelnen Fakten fragen würde. Aber nach gezielten Fakten fragen und jemandem 300 Seiten um die Ohren hauen sind eben zweierlei Dinge.
    Sicher ist es auch falsch, wie in der DDR jede Frage auf die Kernfrage "bist du nun für den Frieden oder nicht?" zu reduzieren. Aber der normale Bürger hat keine Chance den Vertrag komplett zu durchblicken. Somit gilt wieder die alte Regel "was der Bauer nicht kennt das frist er nicht".
    Das fängt ja schon mit dem Problem an, den Verterag zu bekommen. Nach einer ordentlichen vollständigen Version im Internet muß man schon ein wenig suchen.
    Was interessieren aber Oma Schmidt die Feinheiten. Die will doch wissen, was bekomme ich von dem Vertrag und was muß ich tun. Und wenn ich die Zustimmung von Millionen Leuten will, dann kann ich eben nicht nur auf Politologen, Juristen und Journalisten zielen sondern muß auch für Oma Schmidt und den Landwirt auf dem Feld und den Arbeiter bei Opel am Fließband und den Harz IV-Empfänger formulieren.
    außerdem wer sagt denn, daß der Vertrag von DER MEHRHEIT abgelehnt wurde. Abgelehnt haben ca 25% der Bevölerung. Hätte man wirklich alle an die Wahlurnen gebracht wären vermutlich 60-70% Zustimmung drin gewesen. Was ist so schlimm an der Wahlpflicht, in der Schweiz klappts doch auch.

    @ Daniel E. Die von mir beschriebenen Zustände entsprechen Deutschland in der Zeit vor Bismark und anderen, sind also nicht so weit her. Das sich derzeit in den USA keiner an die Verfassung hält spricht doch nicht gegen deren Verfasung, sondern allenfalls gegen deren gegenwärtiges politisches System. Und das Deutschland auf bestem Wege ist ein zentralistischer Staat nach DDR-Vorbild zu werden ist auch klar abzusehen. Vorrangig dabei aber von SPD und Linken getrieben.
    Die Schweiz ist in vielen Sachen Vorbild bzw. Vorreiter. Die haben das recht gut hinbekommen, die großen wichtigen Dinge werden zentral entschieden, aber nur das was wirklich wichtig ist, und der Rest da wos vor Ort ist und wo die örtliche Kompetenz gegeben ist.
    Übrigens nimmt die Schweiz auch nicht jeden Dödel als Mitbürger auf. Der Film "Die Schweizermacher" von/mit Emil Steinberger ist da gar nicht soooo weit von der Realität entfernt. Schweizer zu sein muß man sich hart erarbeiten. Wie man an ihrer Entwicklung sehen kann hat sichs bewährt.
    In der EU hat sich leider eine Kaste der EUkraten herausgebildet, die jeden Tag aufs neue ihre Daseinsberechtigung nachweisen will und eben auch vorschreibt wie groß Speisebirnen zu sein haben damit sie verkauft werden dürfen...
    Außerdem geben sie gerne viel Geld aus. Wer mehr Geld anzubieten hat hat auch mehr Macht und kann die anderen mit den hingehaltenen Brosamen zum Kuschen bringen. Um noch größer zu werden gibts für die nur eines, noch größere Fördertöpfe. (Maggi Thatcher hats dmals richtig gemacht mit „I want my money back“ ).

    Gruß Mümmel



  • muemmel schrieb:

    außerdem wer sagt denn, daß der Vertrag von DER MEHRHEIT abgelehnt wurde. Abgelehnt haben ca 25% der Bevölerung. Hätte man wirklich alle an die Wahlurnen gebracht wären vermutlich 60-70% Zustimmung drin gewesen. Was ist so schlimm an der Wahlpflicht, in der Schweiz klappts doch auch.

    Als erstes argumentierst du lang und breit wieso fast keiner fähig ist eine objektive Meinung zu dem Vertrag zu formulieren und dann forderst du, dass jeder darüber abstimmen sollte. Entweder ist ein Fehler in deinem Gedankengang oder du versuchst die kritischen Stimmen auszuspielen.

    Hast du den gesamten Vertrag gelesen? und falls ja, auch verstanden?

    Ich sehe keinen Grund warum der Vertrag so lang sein muss. Es wurde also bestenfalls geschlammt. IMHO ist es die Pflicht eines jeden Bürgers da Nachbesserung zu fordern.

    Zum Thema Vergleich mit der BRD, Schweiz oder den USA:
    http://europa.eu/lisbon_treaty/faq/index_de.htm#19
    Die BRD, Schweiz und die USA bilden einen Staat. Es folgt also, dass entweder von Seiten der EU Desinformation betrieben wird oder alle die diesen Vergleich hier anwenden den Vertrag nicht verstanden haben und daher keine objektive Meinung zum Thema haben können.



  • Hi Ben04,

    Zitat wikipedia:
    "In Irland wurde als einzigem Mitgliedsstaat am 12. Juni 2008 eine Volksabstimmung über die Ratifizierung des Vertrags von Lissabon abgehalten. Dabei lehnten 53,4 Prozent der Wähler den Reformvertrag ab. Die Wahlbeteiligung betrug nach Angaben der BBC 53,1 %"

    Wenn man davon ausgeht, daß hauptsächlich bei denen die Wahlbeteiligung groß ist, die was dagegen haben oder jemanden einen Denkzettel verpassen wollen, kann man davon ausgehen, daß von der Gesamtbevölkerung unter 50% den Vertrag ablehnen. Wenn alle gewählt hätten rechne ich auf Basis dieser Zahlen mt 55% - 60% dafür.

    sicher ist die EU kein Staat und will auch in nächster Zeit keiner werden. Aber sowohl Deutschland als auch die Schweiz oder die USA sind föderalistische Gebilde, die schon ein wenig als Beispiel herhalten können. Das steht mit einer objektiven Meinung nicht im Widerspruch.

    Nein, den Vertrag von Lissabon hab ich nicht gelesen. Die durchgefallene erste Version der EU-Verfassung hat mir gereicht, damals hab ich mir mal die Mühe gemacht. Unverständlich in dem Sinne war daran eigentlich nichts, aber nach dem lesen von 475 Seiten hat man nicht mal mehr die letzten 3 Seiten im Kopf.

    Wenn du keinen Sinn darin siehst, warum er so lang sein muß, dann muß ich schon unterstellen, daß Du von sowas absolut keinen blassen hast. Ich hab damals als wir uns als Wohnungsgenossenschaft aus unserer Muttergenossenschaft ausgegründet haben mal einen Tag vertreetungsweise in der Satzungskommision mitgemacht und weiß daher ein bisschen wie aufwendig und mühsam es ist, alles wasserdicht und trotzdem gesetzeskonform zu formulieren. Es wurde da mit Sicherheit NICHT geschlampt.

    Falsch finde ich das Prinzip dieser Verfassung, das da alles drin stehen muß. Als Beispiele wie das besser zu machen sei nehme ich mal das Grundgesetz der BRD
    http://de.wikisource.org/wiki/Grundgesetz_der_Bundesrepublik_Deutschland_(Stand_2006)
    oder die alte Verfassung der DDR (die von 1949)
    http://www.documentarchiv.de/ddr/verfddr1949.html
    Diese Form hätte für eine Verfassung der EU auch gereicht. Klar, daß das nicht allumfassend sein kann, aber für den der einen Überblick haben will reicht es allemal, und zur Konkretisierung dann für jeden Artikel eine entsprechende Durchführungsbestimmung, wo der nachlesen kann, der es genauer wissen will.
    Die Abstimmung hätte dann öfentlich über die Verfassung und parlamentarisch über die Druchgführungsbestimmungen erfolgen können.

    Gruß Mümmel



  • Mr. N schrieb:

    Daniel E. schrieb:

    muemmel schrieb:

    @Daniel E: Kleinstaaterei ist in der heutigen Zeit keine Lösung mehr. Aber das Gegenteil von Kleinstaaterei muß nicht gleich Einheitsbrei sein.
    Hast Du mal überlegt, was es bedeuten würde unter Kleinstaatenbedingungen einmal von München nach Hamburg zu reisen. Alle 20 km Zoll und Maut bezahlen, irgendwelche Schergen bestechen, mit dem Auto andere Bedingungen einhalten müssen, jeweils das Geld in eine andere Währung umwechseln müssen (gegen Gebühr natürlich) und die Ladung jeweils in anderen Maßeinheiten angeben müssen und für die Strecke jeweils auf die aktuelle Meilenlänge umrechnen...

    Aha, so ist das also in der Kleinstaaterei. Wußte ich noch gar nicht.

    So war es aber wirklich. Im Deutschland der Kleinstaaten. Dem Deutschland, dem Heine entflohen ist, um ins bereits damals zentralistische Frankreich zu gehen.

    Dass du ausgerechnet die USA und die BRD als Negativbeispiel anführst ist irgendwie auch merkwürdig: Zwei Länder mit deutlich überdurchschnittlichem Wohlstand - pro Kopf.

    Sicher, über die Gründe können wir uns auch gerne unterhalten, aber offenbar ist es auch nicht so schlecht, ein Zwergenstaat zu sein, wenn man sich nicht zu Tode reguliert und Zölle einführt. Blick nach Singapur oder Hongkong.

    Übrigens reden wir gerade über zwei verschiedene Dinge:
    (a) Fast alle föderalen Staaten schieben immer mehr Macht zu ihren Zentralorganen (dafür war die BRD ein Beispiel).
    (b) Eine restriktive Aussenpolitik ist normalerweise keine tolle Idee.

    (b) kann man natürlich etwas einschränken. Wenn die USA, die ein riesiger Binnenmarkt sind, heute eine Mauer um sich rumzieht und mit der Welt nicht mehr handelt, dann geht es ihnen verhältnismäßig ganz ok. Wenn Singapur das macht, dann können wir in drei Jahren die Mauer runterbrechen und uns die Leichen angucken. Es ist also zu erwarten, daß kleinere Länder, zB. die Schweiz, Andorra oder Luxemburg eine andere Aussenpolitik machen (müssen) als die USA oder ein EU-Staat.

    Aber gut, reden wir über die deutsche Kleinstaaterei vor 1871 insbesondere im Vergleich zu Frankreich. Da sieht man doch wunderschön, was herausgekommen ist. Frankreich war zwar ein großer Staat, aber das hat niemanden interessiert. Das Leben war nicht "in Frankreich", das Leben war in Paris. Der Rest des Landes lag doch ewig (und tut es teilweise immer noch) im kulturellen und wirtschaftlichen Schatten. Auch anders: die Zersplitterung von Gesamteuropa ist doch das, was Europa im Gegensatz zu China (die quasi seit dem Mittelalter immer mehr zentralisiert haben, auch im Sinne einen Staates "China") sowohl wirtschaftlich als auch kulturell groß gemacht hat.

    Aber gut, wir werden uns sowieso nicht einigen und, sicher, das ist auch kein hervorragend-fehlerfreies Konzept. Wenn ich mir eine ideale Welt vorstelle, dann ist das ein Zentralstaat, der konsequent seine Anfangsspielregeln befolgt (Rule of Law). Leider sehe ich nicht, wo das wirklich geklappt hätte -- die Regulierungsdichte aller großen demokratischen Staaten nimmt ständig zu und für die Verfassung interessiert sich schlicht niemand[1]. Ich meine, ich lese hier Zeitung und muß feststellen, daß mir der Staat vorschreiben darf, welche Glühbirnen ich zu verwenden habe. Sowas finde ich furchtbar.

    [1]: Beispiel: Wer etwas die Kampagne von Ron Paul in den USA verfolgt hat, der weiß, daß es von vielen Seiten so hingedreht wird, als wäre es eine hochgradig schwachsinnige Idee, die US-Verfassung ernstzunehmen.



  • Daniel E. schrieb:

    Mr. N schrieb:

    Dass du ausgerechnet die USA und die BRD als Negativbeispiel anführst ist irgendwie auch merkwürdig: Zwei Länder mit deutlich überdurchschnittlichem Wohlstand - pro Kopf.

    Sicher, über die Gründe können wir uns auch gerne unterhalten, aber offenbar ist es auch nicht so schlecht, ein Zwergenstaat zu sein, wenn man sich nicht zu Tode reguliert und Zölle einführt. Blick nach Singapur oder Hongkong.

    Vielleicht ginge es ihnen in einem Binnenmarkt ja noch besser. Blick nach Luxemburg. 😃

    Übrigens reden wir gerade über zwei verschiedene Dinge:
    (a) Fast alle föderalen Staaten schieben immer mehr Macht zu ihren Zentralorganen (dafür war die BRD ein Beispiel).

    Und hier muss man vielleicht nochmal unterteilen. Ein Staat besteht ja aus mehreren Organen. Die grobe Unterteilung ist ja Legislative, Exekutive, Judikative. Exekutive und Judikative sind in der BRD meines Erachtens nach kaum zentralisiert. Die meisten Beamten und Richter sind Kommunal- und Landesbeamten / -richter. Bei der Legislative finde ich eine gewisse Zentralisierung wünschenswert, um eben solche Dinge wie Bildungsstandards (gibt es in der BRD ja auch nur partiell) einzuführen.

    (Dass in Deutschland der Kündigungsschutz etc. übertrieben ist, da sind wir uns aber denke ich einig.)

    Die Frage ist jetzt nur, inwieweit ist der "Zentralstaat BRD" zentralisiert? Ich hatte bisher ja immer den Eindruck, dass wir im Vergleich zu beispielsweise Frankreich weiterhin sehr föderal sind - obwohl es in Frankreich einige Dezentralisierungskampagnen gab - und das uns auch gut tut.

    (b) Eine restriktive Aussenpolitik ist normalerweise keine tolle Idee.

    Da sind wir uns auch einig.

    (b) kann man natürlich etwas einschränken. Wenn die USA, die ein riesiger Binnenmarkt sind, heute eine Mauer um sich rumzieht und mit der Welt nicht mehr handelt, dann geht es ihnen verhältnismäßig ganz ok. Wenn Singapur das macht, dann können wir in drei Jahren die Mauer runterbrechen und uns die Leichen angucken. Es ist also zu erwarten, daß kleinere Länder, zB. die Schweiz, Andorra oder Luxemburg eine andere Aussenpolitik machen (müssen) als die USA oder ein EU-Staat.

    Ein EU-Staat darf nicht jede beliebige Außenpolitik fahren. OK, er könnte vielleicht aufhören, die EU-Verträge zu beachten...

    Den USA ginge es auch sehr schnell sehr viel schlechter, wenn sie den Rest der Welt nicht mehr nutzen könnten. (Bei dem Leistungsbilanzdefizit frage ich mich, wieso der Rest der Welt das finanziert. Wobei der Lebensstandard natürlich auch bei vorher ausgeglichener Leistungsbilanz enorm absinken würde, wenn die USA sich abschotten würden.)

    Aber gut, reden wir über die deutsche Kleinstaaterei vor 1871 insbesondere im Vergleich zu Frankreich. Da sieht man doch wunderschön, was herausgekommen ist. Frankreich war zwar ein großer Staat, aber das hat niemanden interessiert. Das Leben war nicht "in Frankreich", das Leben war in Paris.

    Dort aber scheinbar deutlich besser als in Düsseldorf oder Göttingen.

    Der Rest des Landes lag doch ewig (und tut es teilweise immer noch) im kulturellen und wirtschaftlichen Schatten. Auch anders: die Zersplitterung von Gesamteuropa ist doch das, was Europa im Gegensatz zu China (die quasi seit dem Mittelalter immer mehr zentralisiert haben, auch im Sinne einen Staates "China") sowohl wirtschaftlich als auch kulturell groß gemacht hat.

    Jup, deswegen ja der Föderalismus. Aber du wolltest doch von der deutschen Kleinstaaterei erzählen, die du dann aber doch nicht in einem Satz (!) behandelst.

    Aber gut, wir werden uns sowieso nicht einigen

    Das wäre wohl übertrieben, obwohl wir uns in vielen Punkten bereits einig sind.

    und, sicher, das ist auch kein hervorragend-fehlerfreies Konzept. Wenn ich mir eine ideale Welt vorstelle, dann ist das ein Zentralstaat, der konsequent seine Anfangsspielregeln befolgt (Rule of Law).

    Oder ein föderaler Staat, der an der Spitze nur sehr sehr wenig Kompetenzen hat. 🙂

    Leider sehe ich nicht, wo das wirklich geklappt hätte -- die Regulierungsdichte aller großen demokratischen Staaten nimmt ständig zu und für die Verfassung interessiert sich schlicht niemand[1]. Ich meine, ich lese hier Zeitung und muß feststellen, daß mir der Staat vorschreiben darf, welche Glühbirnen ich zu verwenden habe. Sowas finde ich furchtbar.

    Ich denke, den meisten Leuten ist es recht egal, weil sonst würden sich die Politiker nie trauen, so etwas zu tun.

    [1]: Beispiel: Wer etwas die Kampagne von Ron Paul in den USA verfolgt hat, der weiß, daß es von vielen Seiten so hingedreht wird, als wäre es eine hochgradig schwachsinnige Idee, die US-Verfassung ernstzunehmen.

    Ich weiß ehrlich gesagt nur, dass Ron Paul den Goldstandard will. Aber das wirst du nicht meinen, oder?



  • Mr. N schrieb:

    Übrigens reden wir gerade über zwei verschiedene Dinge:
    (a) Fast alle föderalen Staaten schieben immer mehr Macht zu ihren Zentralorganen (dafür war die BRD ein Beispiel).

    Und hier muss man vielleicht nochmal unterteilen. Ein Staat besteht ja aus mehreren Organen. Die grobe Unterteilung ist ja Legislative, Exekutive, Judikative. Exekutive und Judikative sind in der BRD meines Erachtens nach kaum zentralisiert. Die meisten Beamten und Richter sind Kommunal- und Landesbeamten / -richter. Bei der Legislative finde ich eine gewisse Zentralisierung wünschenswert, um eben solche Dinge wie Bildungsstandards (gibt es in der BRD ja auch nur partiell) einzuführen.

    Und da frage ich mich schon, warum das wünschenswert ist, wenn es "Bildungsstandards" gibt. Ich kann dir sagen, was ich darin sehe: eine Vereinfachung darin, die (Aus)Bildung gleichzuschalten. Gerade bei Bildung denke ich, daß eine viel breitere Streuung von Wissen wünschenswert ist und nicht jeder mit dem gleichen Wissen (das übrigens durchaus teilweise zweifelhaft ist; Beispiel: die einzigen Wirtschaftstheoretiker, die bei mir in der Schule erwähnt wurden waren Marx und Keynes.) hinten rauskommt. Und klar, wenn man Bildung nicht zentral verwaltet, dann kommt es schonmal dazu, daß ein paar Leute zB die flache Erde eingetrichtert bekommen, genau wie es Restaurants gibt, die schlechtes Essen verkaufen. Klar gibt es die. Und wir können gut damit leben.

    Und so geht das eben durch, mit der "Harmonisierung". Manche Leute scheinen es schecklich schlimm zu finden, daß die Rauchergesetze (über die ich nicht reden will) in Berlin anders sind als in Brandenburg.

    Die Frage ist jetzt nur, inwieweit ist der "Zentralstaat BRD" zentralisiert? Ich hatte bisher ja immer den Eindruck, dass wir im Vergleich zu beispielsweise Frankreich weiterhin sehr föderal sind - obwohl es in Frankreich einige Dezentralisierungskampagnen gab - und das uns auch gut tut.

    Nunje, unabhängig von "zentralisiert" oder "nicht zentralisiert", laß mich dich eine Sache fragen: Die BRD hat in den paar Jahren ihres Bestehens die Staatsquote von unter 20% auf nahe 50% gesteigert. Glaubst Du, die Stadt München könnte so etwas machen, wenn Augsburg nebenan immer damit wirbt, daß sie weniger Steuern verlangen? (Steuerdumping!!)

    (b) kann man natürlich etwas einschränken. Wenn die USA, die ein riesiger Binnenmarkt sind, heute eine Mauer um sich rumzieht und mit der Welt nicht mehr handelt, dann geht es ihnen verhältnismäßig ganz ok. Wenn Singapur das macht, dann können wir in drei Jahren die Mauer runterbrechen und uns die Leichen angucken. Es ist also zu erwarten, daß kleinere Länder, zB. die Schweiz, Andorra oder Luxemburg eine andere Aussenpolitik machen (müssen) als die USA oder ein EU-Staat.

    Ein EU-Staat darf nicht jede beliebige Außenpolitik fahren. OK, er könnte vielleicht aufhören, die EU-Verträge zu beachten...

    Ich meinte mit EU-Staat nicht einen Staat aus der EU, sondern einen fiktiven Überstaat auf dem Gebiet der EU (wie die USA). Pardon, für diese Schlampigkeit.

    Den USA ginge es auch sehr schnell sehr viel schlechter, wenn sie den Rest der Welt nicht mehr nutzen könnten.

    Definitiv. Daß Freihandel eine gute Idee ist, kann man schon bei Smith oder Ricardo nachlesen, ganz durchgesetzt hat sich diese Erkenntnis aus verschiedenen Gründen aber noch nicht. Damit, daß solche Leute in der Schule nicht vorkommen, könnte es natürlich zu tun haben ...

    Bei dem Leistungsbilanzdefizit frage ich mich, wieso der Rest der Welt das finanziert.

    Ich verstehe immer nicht, wo das Problem mit dem Defizit ist. Es gibt in den USA ein Problem und das ist ihr Haushaltsdefizit, aber sonst? Guck, wenn A aus LA B aus New York einen Fernseher verkauft (= B bekommt Fernseher, A bekommt Geld), dann ändert sich die Handelsbilanz 0. Aber wenn B aus NY mit C aus Tokio das gleiche Geschäft macht (= B bekommt Fernseher, C bekommt Geld), dann ist das auf einmal ein Problem? Das erscheint mir eine ziemlich unsinnige Messweise. Eine recht ausführliche Diskussion dieses Themas findest Du gegen Ende von http://www.econtalk.org/archives/2008/01/don_boudreaux_o.html

    Aber gut, reden wir über die deutsche Kleinstaaterei vor 1871 insbesondere im Vergleich zu Frankreich. Da sieht man doch wunderschön, was herausgekommen ist. Frankreich war zwar ein großer Staat, aber das hat niemanden interessiert. Das Leben war nicht "in Frankreich", das Leben war in Paris.

    Dort aber scheinbar deutlich besser als in Düsseldorf oder Göttingen.

    Auch hier wieder eine Frage: wenn wir all unsere Steuerausgaben -- und besser noch zusätzliche Steuerausgaben -- nicht mehr für Bauernsubventionen, Tütensuppen für Arbeitslose oder den Verwaltungsapparat ausgeben und stattdessen Berlin zur schönsten Stadt der Welt ausbauen könnten, indem wir jedes Haus mit Gold überziehen und zusätzliche Goldpaläste dort hinzustellen -- sollten wir das tun? Zugegeben, das Beispiel ist nicht so großartig, aber Du verstehst meinen Punkt, oder? Man kann immer künstlich umverteilen und so etwas großartiges erschaffen. Wie Bastiat (der in der Schule nicht drankommt) sagen würde: Das ist, was man sieht. Was man nicht sieht, ist, daß man damit den Rest des Landes zurückwirft.

    Nur, weil es irgendetwas tolles und vorstellbares nicht gibt, ist es kein, räusper, Marktversagen oder Staatsversagen.

    Und Paris ist doch ziemlich klassisch genau so ein Beispiel. Wie soll da ein Fürst von Sachen-Coburg und Gotha da "mithalten"?

    und, sicher, das ist auch kein hervorragend-fehlerfreies Konzept. Wenn ich mir eine ideale Welt vorstelle, dann ist das ein Zentralstaat, der konsequent seine Anfangsspielregeln befolgt (Rule of Law).

    Oder ein föderaler Staat, der an der Spitze nur sehr sehr wenig Kompetenzen hat. 🙂

    Das ist doch mein Punkt: So haben die USA doch angefangen, übrig ist davon nicht mehr schrecklich viel. Gut, es gibt unterschiedliche Waffen- und Energiegesetze in den einzelnen Bundesstaaten (dem Deutschen grausts, gell?), aber Washington hat trotzdem wahnsinnig viel Macht dazugewonnen, was die Founding Fathers sich so bestimmt nicht gewünscht haben. Bildung ist so ein Beispiel, der Militärhaushalt, die FED ...

    Ich meine, ich lese hier Zeitung und muß feststellen, daß mir der Staat vorschreiben darf, welche Glühbirnen ich zu verwenden habe. Sowas finde ich furchtbar.

    Ich denke, den meisten Leuten ist es recht egal, weil sonst würden sich die Politiker nie trauen, so etwas zu tun.

    Sicher, es ist für sich genommen eine belanglose Maßnahme. Es sind ja nur Glühbirnen und dafür gebe ich im Jahr vielleicht 10 Euro aus, also irrelevant. Es ist aber nicht die einzige und außerdem kriegt es sowieso niemand wirklich mit und irgendwann steht halt nur noch die neue Art im Regal.

    [1]: Beispiel: Wer etwas die Kampagne von Ron Paul in den USA verfolgt hat, der weiß, daß es von vielen Seiten so hingedreht wird, als wäre es eine hochgradig schwachsinnige Idee, die US-Verfassung ernstzunehmen.

    Ich weiß ehrlich gesagt nur, dass Ron Paul den Goldstandard will. Aber das wirst du nicht meinen, oder?

    Er ist eigentlich ein ziemlich klassischer Liberaler (zu gut amerikanisch heute: "libertarian", weil "liberal"="sozialdemokrat") -- pro Handel, gegen Krieg, für einen kleinen Staat im Sinne der US-Verfassung. Und dann gab es Live-Fernsehpanels der Republikanischen Präsidentschaftskandidaten. Da sitzen also so Spezialisten wir McCain, Guillani, Romney und wie sie alle heißen neben Paul und sagen ziemlich direkt, daß es ja wohl ein Unding sei, sich auf die US-Verfassung zu beziehen und daß er eigentlich in der Republikanischen Partei sowieso nichts zu suchen habe. Vielleicht ist das auch youtube-bar.

    Und dabei geht es mir nicht mal so sehr darum, welche Meinungen Ron Paul genau vertritt, darüber kann man sicher lange und ausführlich diskutieren, sondern eher, wie bei den hohen republikanischen Tieren durchklingt, wie ernst die US-Verfassung zu nehmen ist. Und ich bin mir da recht sicher, daß das bei den Demokraten nicht so viel anders aussieht, die haben nicht mal jemanden in der Partei, der sich um die Einhaltung bemüht.



  • Hi,

    da ich jetzt keine Zeit hab noch alles zu zitieren blos mal ein paar Gedanken.
    Bildung ist das allerwichtigste, was in Deutschland unbedingt vereinheitlicht werden müßte (aus meiner Sicht). Im Studium führen wir (Bolognia seis gedankt 😉 ) einheitliche Bachelor und Master ein, und in der Schulbildung ist nichts miteinander vergleichbar, wo kommen wir denn da hin. Die Menschen sollen flexibel sein, aber dann gelten im Nachbarbundesland die Abschlüsse nicht oder es sind ganz andere Inhalte vermittelt oder... Was ist wenn die Eltern von Flensburg nach München ziehen. Willst Du etwa behaupten, daß die Kinder da einen nahtlosen Übergang schaffen? Willst Du behaupten, daß ein Kind aus Flensburg bei gleichen Zensuren eine Chance gegen eines aus München hat... Und dann der Schmarrn mit den Unmengen verschiedenen Lehrbüchern, die alle unkomplett und voller Fehler sind. Einen einzigen Stock an Lehrbüchern von wirklichen echten Experten entwickelt und den dann für alle!
    Sicher keinen Einheitsbrei, aber Abweichungen immer nur nach oben drauf als Erweiterungen/Spezialisierungen...

    Staatsquote: Sicher ist die zu hoch. Das ist aber vor allem ein Problem von Linken und Grünen die immer mehr regeln und die Leute beschützen und an die Hand nehmen wollen, bis die am Ende gar nicht mehr selber laufen können. Alles soll der Staat abfangen, für jeden sorgen und sich um alles kümmern. Für jeden eine Hängematte aufspannen und den Bösen die was haben wegnehmen...
    Umverteilen ist deren Traumtätigkeit. Aber durch Umverteilen ist noch nie was entstanden. Was wir brauchen ist nicht Gleichheit, sondern absolute Gleichheit der Chancen. Jedem einen kräftigen Tritt in den A.... und dann mach selber was aus Deinem Leben, denn es ist DEINES.

    Staatsquote senken ist immer ein leichtes fordern. Aber zum großen Teil kommt das von Lohnkosten aus dem öffentlichen Sektor. Das sind alles MENSCHEN, die da arbeiten. willst Du die alle rausschmeißen, dann hast Du sie als Arbeitslose wieder auf dem Hals. Das Problem ist nicht, daß da zu viele sind, sondern daß ein großer Teil von denene unverschuldet unproduktive Arbeit macht. Alle öffentlichen Sektoren müssen sich endlich darauf orientieren, den Menschen konkreten Nutzwert zu erbringen und nicht nur Daten von denen zu erheben und Akten zu verwalten.

    Und was die Verfassung betrifft, es ist schon nicht schlecht, wenn es eine Wahlpflicht und Volksentscheide ... wie in der Schweiz gibt. dann muß sich nämlich auch der Einzelne damit befassen, was er da wählen soll, und kann nicht nur gucken obs an der Bude noch Bier gibt.

    Gruß Mümmel


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