Türkei: Armee mischt sich ein



  • pale dog schrieb:

    in einem von einem demokratischen parlament regierten staat, sollte das militär eigentlich gar nichts machen.

    Das macht sie hier ja auch. Es wird ja nur mit einem Putsch gedroht falls man eben diese Grundprinzipien aufgehoben werden, man sich also nicht mehr in einer Demokratie befindet.

    Ich setzt jetzt mal Voraus, dass eine Demokratie ohne Trennung von Religion und Staat nicht möglich ist. Zumindest nicht falls die Religion die Standardauslegung des Staatsislams ist.



  • Verfassung schützen ist wichtiger als demokratische Legitimität, oder nicht?

    Natürlich muss man die demokratischst mögliche Lösung finden.



  • Ben04 schrieb:

    Ich setzt jetzt mal Voraus, dass eine Demokratie ohne Trennung von Religion und Staat nicht möglich ist. Zumindest nicht falls die Religion die Standardauslegung des Staatsislams ist.

    Ja, voraussetzen ohne auch nur annähernd eine Begründung zu liefern ist immer praktisch... Wie kommst du eigentlich auf die Einschränkung auf "die Standardauslegung" des "Staatsislams"?



  • finix schrieb:

    Ja, voraussetzen ohne auch nur annähernd eine Begründung zu liefern ist immer praktisch...

    Ich kann nicht für Ben04 sprechen, aber in meinen Augen ist das Problem, dass sich gezeigt hat, dass politische Macht von Kirchenfürsten zu schrecklichen Ergebnissen führen kann (Kreuzzüge etc.). Außerdem ist die Kirche keine demokratisch legitimierte Organisation. 😃



  • Mr. N schrieb:

    Verfassung schützen ist wichtiger als demokratische Legitimität, oder nicht?

    Wenn der demokratische Unterbau der Verfassung angegriffen wird: ja

    Wieweit die AKP jetzt gehen würde weiß ich nicht da ich die türkische Innenpolitik nicht so genau verfolge. Allerdings glaub ich kaum, dass es sich bei Massenproteste und Drohungen des Militär um Kleinigkeiten handelt.

    finix schrieb:

    Ja, voraussetzen ohne auch nur annähernd eine Begründung zu liefern ist immer praktisch...

    Demokratie setzt voraus, dass die Bürger eine freie Meinung haben können und gleich gestellt sind. Eine Staatsreligion bevorzugt nun einmal Angehörige dieser Religion (nicht gleich gestellt). Desweiteren ist ein Index keine seltene Begleiterscheinung (keine frei Meinung). Viele nicht gewählte Geistliche erhalten starken Einfluss auf die Politik.

    Ich kann mir da kaum eine Möglichkeit vorstellen Demokratie und Glaubensbekenntnis in ein und der selben Verfassung zu verankern.

    finix schrieb:

    Wie kommst du eigentlich auf die Einschränkung auf "die Standardauslegung" des "Staatsislams"?

    Diese Einschränkung hab ich gar nicht gemacht, da ich es Allgemein für jede Staatsreligion formuliert habe.

    Da der Islam nun einmal nicht für seine demokratischen Seite als Staatsreligion bekannt ist (siehe Saudi-Arabien, Iran, Taliban, ...) kann man meiner Meinung nach sagen, dass der standard (= überwiegende Mehrheit) Islam nicht demokratisch ist.



  • Hier erneut ein Artikel zu dem Thema.
    http://www.welt.de/politik/article841481/Die_Tuerkei_an_der_Grenze_zum_Chaos.html

    Erstens, weil nur 34 Prozent der Wähler sie [die AKP] gewählt haben, sie also keine Mehrheit im Land hat. Zweitens, weil ihre Wähler eher Menschen mit einer frommen Untertanenmentalität seien, die nicht zu Straßenprotesten neigen. Und drittens, weil den AKP-Anhängern Demokratie oft weniger bedeute als Islam.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Türkei#Ergebnis_der_Parlamentswahlen
    Die AKP hat 353 Sitze und 34% und die nächste stärkste Partei die CHP hat 152 Sitze bei 19,4 %.
    Wieso hat die AKP weit mehr als das doppelte an Sitzen der CHP (49) obwohl sie nicht einmal annähernd doppelt so viele Stimmen haben? Wie kann man mit nur 34% eine absolute Mehrheit der Sitze erlangen?

    Hat jemand Details was für ein komisches Wahlsystem die Türkei hat? Der Regirung fehlt doch die demokratische Legimität!


  • Mod

    Ben04 schrieb:

    Hat jemand Details was für ein komisches Wahlsystem die Türkei hat? Der Regirung fehlt doch die demokratische Legimität!

    Der Effekt ist völlig normal, wenn man ein Mehrheitswahlrecht mit Wahlkreisen hat, wo nur der Gewinner ins Parlament kommt. Kannst Du Dir leicht ausrechnen. Ist in Großbritannien identisch, genau wie in anderen westeuropäischen Ländern. Wäre bei uns auch so, wenn es nur die Erststimme gäbe und nicht die Zweitstimme.

    Die Anforderung an eine Demokratie ist NICHT, daß im Parlament die Stimmen 1:1 abgebildet sind.



  • Ja, aber eine Mehrheitswahl könnte dazu führen, daß der Wählerwille verzerrt wird. Das ist sicherlich nicht demokratisch.
    Naja, wir beweisen aber auch selbst, daß man ein Wahlsystem pervertieren kann. Siehe negatives Stimmgewicht usw.



  • Eins vorweg, mir ist es scheißegal was in der Türkei passiert. Ehrlich gesagt finde ich, ist die Türkei auf dem gleichen Niveau wie Iran und die sollen blos aus der EU raus bleiben.

    Das ist richtig und in genau dieser Verfassung steht die Trennung von Religion und Staat festgeschrieben. Das Militär befürchtet, dass es zu einer verfassungswidrigen Situation kommt und befürchtet, dass die Verfassung durch die religiöse politische Seite derart verändert wird, dass die o.g. Trennung aufgehoben wird.

    Das Militär kann aber nur wählen gehen und wenn die Mehrheit des Volkes eben für die AKP stimmt, dann muss sie das akzeptieren. Wenn die Partei nach den Wahlen das demokratische Prinzip verletzt, dann kann das Militär einen Putsch legitim ausführen, weil sie dann die Verfassung schützen will.


  • Mod

    scrub schrieb:

    Ja, aber eine Mehrheitswahl könnte dazu führen, daß der Wählerwille verzerrt wird. Das ist sicherlich nicht demokratisch.

    Aber ein sehr gängiges System, das in vielen Ländern angewandt wird. Würdest Du Großbritannien als nicht-demokratisches Land bezeichnen? Deren Demokratie ist älter als unsere...

    Bei uns ist's ja noch schizophrener, wir haben zwar eine Kompensation des absoluten Mehrheitswahlrechts durch die Zweitstimme, aber dafür sind die Stimmkreise nicht gleich groß - da vor vielen Jahren festgelegt und seither nicht mehr angepasst - so daß in einigen Wahlkreisen Stimmen viel mehr wiegen als in anderen.

    Ich würde also die Beurteilung der Demokratie eines Landes nicht von solchen Sachen abhängig machen wollen, das ist zu weit im Detail.



  • DEvent schrieb:

    Eins vorweg, mir ist es scheißegal was in der Türkei passiert. Ehrlich gesagt finde ich, ist die Türkei auf dem gleichen Niveau wie Iran und die sollen blos aus der EU raus bleiben.

    Das ist richtig und in genau dieser Verfassung steht die Trennung von Religion und Staat festgeschrieben. Das Militär befürchtet, dass es zu einer verfassungswidrigen Situation kommt und befürchtet, dass die Verfassung durch die religiöse politische Seite derart verändert wird, dass die o.g. Trennung aufgehoben wird.

    Das Militär kann aber nur wählen gehen und wenn die Mehrheit des Volkes eben für die AKP stimmt, dann muss sie das akzeptieren. Wenn die Partei nach den Wahlen das demokratische Prinzip verletzt, dann kann das Militär einen Putsch legitim ausführen, weil sie dann die Verfassung schützen will.

    Vielleicht. Aber darum geht es ja gar nicht. Das Problem ist das Säbelrasseln jetzt, bevor ein Verfassungsbruch dieser Art auf der anderen Seite überhaupt so versucht werden konnte. Es geht nicht darum, dass ein Protest gehen die Islamisten, illegitim wäre (der gehört aber auf die Straße); sondern dass das Militär in einer Demokratie neutral zu bleiben hat.



  • DEvent schrieb:

    ... Ehrlich gesagt finde ich, ist die Türkei auf dem gleichen Niveau wie Iran und die sollen blos aus der EU raus bleiben. ...

    Du warst offenbar schon in beiden Ländern und hast auch einen Grund dafür, nicht wahr? 🙄



  • Marc++us schrieb:

    Der Effekt ist völlig normal, wenn man ein Mehrheitswahlrecht mit Wahlkreisen hat, wo nur der Gewinner ins Parlament kommt.

    Möglich ja, aber als Normalfall würde ich es nicht ansehen. Ich will jetzt keinem Wahlbetrug untersetellen aber außergewöhnlich ist eine solch große Abweichung aber denoch.

    Marc++us schrieb:

    Wäre bei uns auch so, wenn es nur die Erststimme gäbe und nicht die Zweitstimme.

    Bei mir nicht. Hier herrscht ein Mehrheitswahlrecht mit mehreren Abgeordneten pro Bezirk deren Anzahl alle paar Jahre der Bevölkerungszahl angepasst wird und mit Wahlpflicht. :p



  • camper schrieb:

    sondern dass das Militär in einer Demokratie neutral zu bleiben hat.

    Es sei denn, die Verfassung droht gebrochen zu werden.



  • Mr. N schrieb:

    camper schrieb:

    sondern dass das Militär in einer Demokratie neutral zu bleiben hat.

    Es sei denn, die Verfassung droht gebrochen zu werden.

    Und das entscheidet wer? Im Übrigen - Abschaffung der Demokratie um die Demokratie zu retten? Selbstmord aus Angst vor dem Tod? Im Übrigen hast du den Halbsatz aus dem Zusammenhang gerissen - so wie ich ihn schrieb, soll er ja gerade gelten, wenn dieser Bruch nicht da ist [oder unmittelbar bevorsteht - das braucht man eigentlich nicht, denn in dem Unmittelbaren Ansetzen zum Verfassungsbruch wird in der Regel bereits ein solcher Bruch liegen]. Der Begriff der Drohung ist angesichts der Mittel ein viel zu weicher Begriff. Es wird auch überhaupt nicht konkretisiert, worin diese Drohung denn nun genau bestehen soll.



  • camper schrieb:

    Mr. N schrieb:

    Es sei denn, die Verfassung droht gebrochen zu werden.

    Und das entscheidet wer?

    Im Grunde jeder einzelne Bürger. So im Idealfall ;).

    camper schrieb:

    Im Übrigen - Abschaffung der Demokratie um die Demokratie zu retten?

    Die Türkei hat schon mehrere Militärputschs hinter sich in den letzten 40 Jahren. Jedes Mal haben die AFAIK kurz danach wieder eine demokratisch legitimierte Regierung bekommen.

    camper schrieb:

    Im Übrigen hast du den Halbsatz aus dem Zusammenhang gerissen [...]

    War mir nicht bewusst. :p

    camper schrieb:

    [...] - so wie ich ihn schrieb, soll er ja gerade gelten, wenn dieser Bruch nicht da ist [oder unmittelbar bevorsteht - das braucht man eigentlich nicht, denn in dem Unmittelbaren Ansetzen zum Verfassungsbruch wird in der Regel bereits ein solcher Bruch liegen]. Der Begriff der Drohung ist angesichts der Mittel ein viel zu weicher Begriff. Es wird auch überhaupt nicht konkretisiert, worin diese Drohung denn nun genau bestehen soll.

    😕


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