Kann Steuerhinterziehung moralisch gerechtfertigt sein?



  • Umfrage: Kann Steuerhinterziehung moralisch gerechtfertigt sein?

    Auswahl Stimmen Prozent
    Ja, wer voll Steuern zahlt, ist doch der dumme! 12 15.2%
    Nur in sehr bestimmten Fällen, da die Steuerlast ungerecht verteilt ist. 20 25.3%
    Nein, wovon sollen sonst Schulen, Straßen etc. bezahlt werden? 43 54.4%
    Keine Ahnung. 4 5.1%

    Derzeit ist der Steuerskandal ja in aller Munde und da es merkwürdigerweise noch kein Thread zu dem Thema hier gibt, starte ich gleich mal mit einer Umfrage.



  • Es kommt darauf an, wie die Steuerhinterziehung gerechtfertigt wird.



  • Solange "das System" so funktioniert, dass sich Steuerhinterziehung finanziell rentiert ist es nicht verwerflich dies auch auszunutzen. Antwort also bei Ja, auch wenn die Erklärung nicht so gut passt.



  • Eigentlich müsste man erstmal festlegen, was als moralisch gilt. Mich selber damit nur zu bereichern halte ich für weniger moralisch.



  • Ich sehe das so:
    Der Staat schröpft die Bürger immer mehr. Mit welcher Rechtfertigung zahle ich Grunderwerbssteuer? Mit welcher Rechtfertigung kann der Staat einfach hingehen und das Geld, das ich vor Jahrzehnten zu ganz anderen Konditionen an ihn geliehen (ja, geliehen! nicht gezahlt!) habe versteuern? Mit welchem Recht erhebt er eine Solidaritätssteuer? Wie rechtfertigt er eine Erbschaftssteuer?

    Es gibt so viele Steuern, die widerrechtlich erhoben werden (bzw. meiner bescheidenen Ansicht nach - und der vieler anderer Bürger auch - gegen das Grundrecht verstoßen). Man muss erwägen: Was ist moralisch vom Staat? Was von mir? Und natürlich muss man klären, was "moralisch" überhaupt bedeutet. Dann kann man erst auf die Flamewars stürzen 😉



  • Bei all den Fällen, die gerade durch die Medien kursierten, ging es immer nur um Top Verdiener, denen ihr exorbitantes Gehalt wohl noch immer nicht genug war und dann bewusst illegal Steuern hinterzogen haben.
    Dennoch erwarten diese Leute natürlich, dass pünktlich ihr Müll abgeholt wird, ihre Kinder eine gute Bildung genießen und sie mit ihrem Mercedes stets auf Straßen im spitzen Zustand fahren können.
    Ich finde Steuerhinterziehung in jedem Fall hochgradig asozial und eine Diskussion darüber, in welchen Fällen es doch moralisch vertretbar ist, absolut unverständlich.



  • Nun, das Verhalten des Staates beim Steuerneinsammeln ist das Gleiche, wie das der Mafia beim Schutzgeldeintreiben. Niemand hat den Staat gefragt, diese Dinge, wie Müllabfuhren, Schulen oder Straßen, zu bereiben, sondern es wird als umgekehrte Rechtfertigung dafür verwendet, Steuern einzusammeln, die in keinem Verhältnis zu der erbrachten Leistung stehen. Wenn man nicht bezahlt, dann kommt der Obermafioso und holt sich, was er will.



  • this->that:
    Hm, sehe das recht aehnlich. Wer es nun partout nicht aushaelt, dass ihm vom boesen Staat seine heissgeliebten Moneten geschroepft werden, so dass er es schon als "moralisch" bzw. richtig erachtet, Steuern zu hinterziehen und dies evtl. auch tut, der sollte vielleicht besser erwaegen, auszuwandern. Steuern hinterziehen ist IMHO in einem noch halbwegs demokratischen System wie unserem schon als unmoralisch zu betrachten. In den durch die Medien geisternden Groessenordnungen evtl. sogar als asozial.



  • Wir leben nun mal in einer Gemeinschaft, und da hat jeder seinen Teil zu tragen. Gäbe es den Staat nicht, hätten die Steuerzahler auch nie ihr Geld machen können. Schon allein ohne Polizei würde alles im Chaos versinken.
    Außerdem garantiert der Staat (zumindest in der Theorie) die Menschenrechte.
    Und natürlich hat er auch das Recht Steuern zu erheben. Wenn diese Steuern schlecht eingesetzt werden, so kann dagegen demokratisch in Wahlen vorgegangen werden. Wer keine Steuern will, wählt eben FDP.



  • Daniel E. schrieb:

    Nun, das Verhalten des Staates beim Steuerneinsammeln ist das Gleiche, wie das der Mafia beim Schutzgeldeintreiben. Niemand hat den Staat gefragt, diese Dinge, wie Müllabfuhren, Schulen oder Straßen, zu bereiben, sondern es wird als umgekehrte Rechtfertigung dafür verwendet, Steuern einzusammeln, die in keinem Verhältnis zu der erbrachten Leistung stehen. Wenn man nicht bezahlt, dann kommt der Obermafioso und holt sich, was er will.

    Oder es kommt ein Ultra Liberaler und bringt ziemlichen Müll daher.
    Wenn du das Schutzgeld an die Mafia abdrückst, dann bekommst du Null Gegenleistung dafür. Die einzige Motivation ist einfach die Angst vor den Konsequenzen, wenn du NICHT zahlst (dann gibts paar aufs Maul oder dein Laden brennt).
    Der Staat hingegen erbringt mit den Steuern eine Gegenleistung. Und ich glaube genau da liegt das Problem bei vielen der Leuten: sie sehen diese Gegenleistung nicht bzw. würdigen sie nicht. Dass wir überall Straßen, Autobahnen, Brücken, Kindergärten, Schulen, Unis, unzählige soziale Leistungen haben, zu jeder Minute die Polizei, Feuerwehr, Notarzt anrufen können usw usw, wird offenbar (bewusst) ausgeblendet.
    Und gerade deshalb ist Steuerhinterziehung so asozial (und das es fast immer Mega Bonzen machen, macht das ganze noch widerlicher).



  • Im Grunde muss ja jeder seine Vorstellung von Moral selbst definieren. Meiner Meinung nach gibts da schon Unterschiede, ob nun der Multimillionär den Staat um Hunderttausende bis Millionen bescheisst oder ob der Otto-Normal-Bürger n Appel und n Ei ergaunert (z.B. mal durch Schwarzarbeit neben der eigentlichen Arbeit oder durch Flunkern bei der Entfernungspauschale) - auch wenn letzteres in der Summe offenbar schwerer wiegt.

    Der feine Unterschied liegt nämlich darin, dass das dadurch ergaunerte Geld beim kleinen Mann (tm) meist sofort wieder ausgegeben wird und somit die Kaufkraft steigt. Doch was is mit der dicken Kohle, die die feinen Herren Manager schäffeln? Das vermehrt sich nur fleissig.



  • Hi,

    Daniel E. schrieb:

    die in keinem Verhältnis zu der erbrachten Leistung stehen.

    Woher weisst du denn, wie teuer es ist, ein Schlagloch zu beseitigen, eine Straßenlaterne zu reparieren oder einen Kindergarten zu bauen?

    Ich glaube, dass sich viele Leute über solche Dinge in der Tat zu wenig Gedanken machen. Die Möglichkeiten, sich darüber zu informieren, gibt es.



  • http://www.tagesschau.de/wirtschaft/schwarzbuch2.html

    this->that schrieb:

    Der Staat hingegen erbringt mit den Steuern eine Gegenleistung. Und ich glaube genau da liegt das Problem bei vielen der Leuten: sie sehen diese Gegenleistung nicht bzw. würdigen sie nicht. Dass wir überall Straßen, Autobahnen, Brücken, Kindergärten, Schulen, Unis, unzählige soziale Leistungen haben, zu jeder Minute die Polizei, Feuerwehr, Notarzt anrufen können usw usw, wird offenbar (bewusst) ausgeblendet.

    Daniel E. schrieb:

    Steuern einzusammeln, die in keinem Verhältnis zu der erbrachten Leistung stehen

    Das ist hier wohl der springende Punkt.
    Deine genannten Gegenleistungen(abgesehen von den Sozialleistungen) betragen gerade mal ~8% an den absoluten Ausgaben.



  • Hi,

    in der Tat, viele Beispiele, die unsinnig erscheinen oder auch unsinnig sind, und ich behaupte auch nicht, dass jede Steuer gerechtfertigt ist, aber der Großteil wird dann wohl doch für mehr oder weniger sinnvolle Dinge ausgegeben.

    Viele Dinge betreffen einen auch nicht direkt persönlich, denn ob der nächste Kindergarten 1 oder 20km von meinem Wohnort entfernt ist, interessiert mich erstmal nicht so sehr. Dafür lege ich wiederum Wert auf Radwege, oder intakte Straßen etc. Man muss sich eben auch mal die Mühe machen, manche Dinge globaler zu sehen, vielleicht erscheint die ein oder andere Abgabe dann auch in einem anderen Licht.



  • krabbels schrieb:

    Daniel E. schrieb:

    Steuern einzusammeln, die in keinem Verhältnis zu der erbrachten Leistung stehen

    Das ist hier wohl der springende Punkt.

    Also bitte, wer will denn beurteilen ob die "erbrachte Leistung" für die Steuerlast angemessen ist? Gibs da irgendwo ein intergalaktische Regulierungsbehörde die alle Staaten der der Galaxis genau analysiert und ein Ranking erstellt?
    Kann man irgendwie sagen: "Wir haben X EUR Steuerlast aber nur Y EUR Leistung - da fehlt was." ?

    Es gibt in unseren Breiten auch keine "widerrechtlichen Steuern", dend bei uns wird soweit ich weiß nur kassiert was im Steuerrecht vorgeschrieben wird.
    Wenn man ein Problem mit einer Steuer hat, ist das eine Sache der Politik daran was zu ändern. Dafür gibts aktives und passives Wahlrecht.

    Steuern sind für den Staat auch ein Mittel um die Bevölkerung zu "steuern". D.h. bestimmte Verhaltensweisen zu fördern oder einzuschränken.

    Alles in allem finde ich jedoch das wir zu viele unterschiedliche und komplizierte Steuern zahlen. Das müsste alles nicht so aufwändig sein. Und jeder weiß: Ein Unternehmen, das sich hauptsächlich mit Selbstverwaltung beschäftigt, ist weder kundenfreundlich noch erfolgreich. In diesem Sinne lässt sich das IMHO auch auf Staaten übertragen und das Herr von Finanzamtsbeamten und Steuerberatern bringt volkswirschaftlich sicher keinen Nutzen.
    Schließlich sind so Hunderttausende damit beschäftigt Geld von links nach rechts und wieder zurück zu schaufeln oder einen Wert dabei zu schaffen.

    Der nächste Punkt ist, dass ich glaube, dass gerade ein kompliziertes Steuersystem solche Steuerhinterziehungen im großen Maßstab begünstigt.



  • Daniel E. schrieb:

    Niemand hat den Staat gefragt, diese Dinge, wie Müllabfuhren, Schulen oder Straßen, zu bereiben

    Du solltest vielleicht nicht von Dir auf andere schließen. Ich erwarte das nämlich vom Staat.

    illuminator schrieb:

    Es gibt in unseren Breiten auch keine "widerrechtlichen Steuern", den bei uns wird soweit ich weiß nur kassiert was im Steuerrecht vorgeschrieben wird.
    Wenn man ein Problem mit einer Steuer hat, ist das eine Sache der Politik daran was zu ändern. Dafür gibts aktives und passives Wahlrecht.

    Steuern sind für den Staat auch ein Mittel um die Bevölkerung zu "steuern". D.h. bestimmte Verhaltensweisen zu fördern oder einzuschränken.

    1. Niemand kann mehr sagen, "was im Steuerrecht vorgeschrieben wird", da dieses viel zu kompliziert geworden ist. Es ist schlicht und einfach nicht mehr überprüfbar.
    2. In die Parlamente, in denen Steuern geregelt werden, kann man größtenteils realistischerweise nicht gelangen.
    3. Das Wort "Steuer" in dem Kontext hat nichts mit dem Verb "steuern" zu tun.



  • scrub schrieb:

    Daniel E. schrieb:

    Niemand hat den Staat gefragt, diese Dinge, wie Müllabfuhren, Schulen oder Straßen, zu bereiben

    Du solltest vielleicht nicht von Dir auf andere schließen. Ich erwarte das nämlich vom Staat.

    Die Müllabfuhr findet in immer größeren Abständen statt, die Schulen verrotten und die Straßen sind ein einziger Flickenteppich aus Zement/Teer und lieblos über Aufrisse geschmierten Kopfsteinfpflaster, der jede Krafahrt zu einer einzigen Konzentrationsübung werden lässt, um nicht von einem solchen Hügel aus der Bahn geschleudert zu werden.

    Das ist es gewiss nicht, was ich bei in den letzten 10 Jahren verdreifachter Steuerlast erwarte ... Aber sicherlich kommen jetzt gleich 10 Gegenbeispiele 😉



  • Hi,

    scrub schrieb:

    Daniel E. schrieb:

    Niemand hat den Staat gefragt, diese Dinge, wie Müllabfuhren, Schulen oder Straßen, zu bereiben

    Du solltest vielleicht nicht von Dir auf andere schließen. Ich erwarte das nämlich vom Staat.
    tun.

    wie wärs dann, wenn sich alle, die das wollen zusammenschließen und die, die das nicht wollen, da rauslassen? (anstatt sie zu zwingen, mitzubezahlen)

    Chris



  • Ich habe gesagt, ich erwarte das. Vom Ergebnis war keine Rede.



  • ChrisM schrieb:

    wie wärs dann, wenn sich alle, die das wollen zusammenschließen und die, die das nicht wollen, da rauslassen? (anstatt sie zu zwingen, mitzubezahlen)

    Gut, und wie baut man dann eine Autobahn z.B.? Oder eine Schule? Kommt mir irgendwie unrealistisch vor.


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