Wie wichtig ist der Zufall in evolutionären Algorithmen?
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SeppJ schrieb:
Schönes Beispiel für Informatiker ist Langtons Ameise. Der Programmcode passt auf eine Bildschirmseite, aber das was rauskommt, darüber kann man ein halbes Buch schreiben.
Ja, ist schön.
Aber der Füller des halben Buches stopft Menschenwissen in das Buch und kein Ameisenwissen.
Die Ameise allein macht nur ein flächig ausgedehnt unendliches Muster, denklich recht beschränkt und wird schnell langweilig, das genau kein Bit mehr Information trägt als ihr Programm. Tut man die Ameise mit echtem Zufall füttern, kann sie den Bildschirm mit der Zeit total verrauschen.Mhhm. Langsam kommt's.
Nehme ich mal das GameOfLive. Da gibt es ja nette Anfangszustände, die zum Beispiel Primzahlen rausschießen oder "hello world" in ASCII schießen. Denkbar sind auch Anfangszustände, die den Koran schießen. Ach, lassen wir das Game weg. Ein Zufallsgenerator kann jedes erdenkliche Buch schreiben. Doch wage ich zu vermuten, daß mein Würfel im Monopoly-Karton nicht klug ist.Menschen machen derzeit spaßige Sachen, wie Terabytefestplatten unter Ausnutzung des Riesenmagnetwiderstands, bilden Organisationen wie die katholische Kirche oder die öffentlich-rechtlichen Sender.
Hmm, vielleicht sind wir mit unserer physikalischen Standardtheorie mit dem Urknall auf so einem planlosen Weg wie die Ameise und in Wirklichkeit wurde wie Welt vor ca 6000 Jahren von Gott erschaffen. Vielleicht erzeugen wir gar kein Wissen, sondern nur Müll. Nur daß wir die Welt stark beeinflussen, muß ja nicht viel wertvoller sein, als daß die Ameise viele Felder schwarz macht.
Muß darüber nachdenken. Nicht gut das. Emergenz. Fragwürdige Sache das.
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otze schrieb:
Wie kann das sein, wenn das Programm doch so viel kleiner ist?
Bei einem zip-archiv sagt man doch am Ende auch nicht, dass der Entpackte Ordner am Ende mehr Informationen hat als das Archiv. Die Information belegt nur mehr Platz.
Wo ist der konzeptionelle Unterschied?
Der Unterschied ist, wie volkard in einem Nebensatz sagte, aber wohl nicht ganz wahrgenommen hat, dass die Ameise nur geringes Ameisenwissen erzeugt, aber extrem viel Menschenwissen. Diese Information ist in den Mustern die hinterher rauskommen, die man erst auf einer höheren Betrachtungsebene sieht.
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SeppJ schrieb:
wie volkard in einem Nebensatz sagte, aber wohl nicht ganz wahrgenommen hat, dass die Ameise nur geringes Ameisenwissen erzeugt, aber extrem viel Menschenwissen
Und das kapiere ich einfach nicht. Kannst mich hauen, aber es will nicht in meinen Kopf rein. Die Ameise läuft nur dumm rum, würde ich meinen. Ich erkenne das und lerne am Ende, daß ich nichts gelernt habe. Der Ameisenweg ist langweilig und irrelevant. Zeitverschwendung(?).
Zwischenfrage: Ist es Dir völlig klar und einleuchtend, daß sie Menschenwissen erzeugt?
Ein klares "Ja" von Dir würde mich beflügeln, weil Du für mich weit oben in der Glaubwürdigkeitsskala stehst.
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SeppJ schrieb:
Der Unterschied ist, wie volkard in einem Nebensatz sagte, aber wohl nicht ganz wahrgenommen hat, dass die Ameise nur geringes Ameisenwissen erzeugt, aber extrem viel Menschenwissen. Diese Information ist in den Mustern die hinterher rauskommen, die man erst auf einer höheren Betrachtungsebene sieht.
Und wie bereits ich in einem nebensatz bermerkt habe, ist das keine Erzeugung von Information. Für den Mensch ist die Ameise nichts weiter als ein Buch.
Am Ende eines Buchs ist der Mensch schlauer, weiß mehr, stellt vielleicht auch neue Fragen, aber es ist keine neue Information hinzu gekommen. Sie wurde nur ein weiteres mal aus dem Buch in den Mensch kopiert. Vielleicht bereitet das Buch die Information besonders auf, hat bunte Grafiken oder ein tolles Stichwortverzeichnis, aber am Ende war der Zeitpunkt an dem Information erzeugt wurde der Punkt an dem der Author sich hingesetzt hat und alles was er herausgefunden hat in dieses Buch schrieb.Ich weiß dass du darauf hinaus willst, dass eine Art Informationsgefälle existiert: Der Mensch weiß etwas nicht, aber sobald er das Ameisenmuster sieht, weiß er etwas mehr. Aber das lässt sich viel einfacher durch Informationskopie als durch Informationserzeugung beschreiben.
zur Emergenz:
Emergenz ist zwar ein netter Begriff, aber bedeutet für mich vor allem, dass der Mensch nur schwierig das Zusammenspiel verschiedener Regeln verstehen kann. Wie sich die Regeln der Ameise zueinander verhalten bleibt ihm verborgen, bis er das Muster sieht, aber am Ende hätte er all diese Effekte auch direkt aus den Regeln sehen können - er hat nur nicht genug Rechenkapazität.
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volkard schrieb:
SeppJ schrieb:
wie volkard in einem Nebensatz sagte, aber wohl nicht ganz wahrgenommen hat, dass die Ameise nur geringes Ameisenwissen erzeugt, aber extrem viel Menschenwissen
Und das kapiere ich einfach nicht. Kannst mich hauen, aber es will nicht in meinen Kopf rein. Die Ameise läuft nur dumm rum, würde ich meinen. Ich erkenne das und lerne am Ende, daß ich nichts gelernt habe. Der Ameisenweg ist langweilig und irrelevant. Zeitverschwendung(?).
Aber wir haben viel über das Ameisensystem gelernt, was absolut nicht offensichtlich war. Wir haben Muster im Chaos gefunden, wir können so etwas wie Phasenübergänge in der Bewegung sehen, und wir haben Theorien aufgestellt darüber wie die Ameise sich wohl unter anderen Bedingungen verhält (weil wir nicht alle Möglichkeiten per BruteForce durchprobieren können).
Zwischenfrage: Ist es Dir völlig klar und einleuchtend, daß sie Menschenwissen erzeugt?
Ein klares "Ja" von Dir würde mich beflügeln, weil Du für mich weit oben in der Glaubwürdigkeitsskala stehst.Hmm, bevor ich eine so klare Antwort gebe, muss ich noch einmal darüber nachdenken. Deine Zweifel haben mich nämlich verunsichert, denn du stehst auch bei mir sehr weit oben auf der Glaubwürdigkeitsskala.
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otze schrieb:
zur Emergenz:
Emergenz ist zwar ein netter Begriff, aber bedeutet für mich vor allem, dass der Mensch nur schwierig das Zusammenspiel verschiedener Regeln verstehen kann. Wie sich die Regeln der Ameise zueinander verhalten bleibt ihm verborgen, bis er das Muster sieht, aber am Ende hätte er all diese Effekte auch direkt aus den Regeln sehen können - er hat nur nicht genug Rechenkapazität.Das heißt es eben nicht. Du kannst alles über ein einzelnes Wassermolekül wissen. Trotzdem weißt du dann nicht, was eine Flüssigkeit ist oder was das besondere am Tripelpunkt ist. Diese Eigenschaften ergeben sich erst, wenn man viele Wassermoleküle zusammenpackt und sind in den Regeln für einzelne Wassermoleküle nicht enthalten. Diese Information erhältst du erst, wenn du die Grundregeln massenhaft anwendest. Das einzelne Wassermolekül ist weder flüssig, fest noch gasförmig.
Trotzdem hast du keine neue Regel für das Einzelmolekül hinzufügen müssen, du hast aber die Regeln für die Phasen und Hydrodynamik als Gesetze in einem übergeordneten System erkannt.
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Die Ameise verwirrt mich. Sobald etwas im Computer lebt, muß ich an Künstliche Intelligenz denken und bin total abgelenkt.
Statt der Ameise nehme ich ab jetzt eine rote Tulpe zum Gegenstand meiner Betrachtung.
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SeppJ schrieb:
Diese Eigenschaften ergeben sich erst, wenn man viele Wassermoleküle zusammenpackt und sind in den Regeln für einzelne Wassermoleküle nicht enthalten. Diese Information erhältst du erst, wenn du die Grundregeln massenhaft anwendest.
Aber dann sind die Eigenschaften natürlich ein Grenzfall dessen was passiert, wenn man die Regeln mal Massenhaft anwendet. Es passiert also nichts wirklich überraschendes(überraschung=entropie=Information)
Trotzdem hast du keine neue Regel für das Einzelmolekül hinzufügen müssen, du hast aber die Regeln für die Phasen und Hydrodynamik als Gesetze in einem übergeordneten System erkannt.
Aber die Hydrodynamik ist doch nur eine Krücke dafür, dass wir die Elementarregeln nicht mehr sinnvoll anwenden können. 1 Milliarde Moleküle machen nichts, was wir durch die Elementarregeln nicht erklären können. Es fehlt uns nur sowohl das Verständnis als auch die Rechenkapazität um das zu tun.
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So, nachdem ich jetzt übers Mittagessen noch einmal gründlich darüber nachgedacht habe:
Aus einfachen Regeln können komplexe Muster folgen und die enthalten dann auch mehr Information die nicht in den einfachen Regeln steckt. Die Informationstheoretiker mögen sich damit herausreden können, dass die zusätzliche Information durch die vielmalige Anwendung der Grundregeln in das System kommt. Ich sage, dass das ein bisschen kurz gedacht ist. Die Grundteilchen an sich haben nichts gewonnen. Die einzelne Ameise ist genau so dumm wie vorher, egal wie lange sie läuft. Erst wenn man sich von dieser Ebene löst und über das System im ganzen nachdenkt, erkennt man, dass es größeren Regeln folgt, die vorher nicht da waren.Das steht auch nicht im Widerspruch zur Kolmogorov Komplexität. Die Regeln für die Ameisenstraße, für gefrierendes Wasser und für das Aussehen eines Menschen sind dann eben sehr gut Kolmogorov kompressibel. Dies ist aber doch auch zu erwarten, schließlich sind das keine rein zufälligen Muster, sondern Regeln die sich mit menschlicher Sprache sehr gut beschreiben lassen.
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otze schrieb:
SeppJ schrieb:
Diese Eigenschaften ergeben sich erst, wenn man viele Wassermoleküle zusammenpackt und sind in den Regeln für einzelne Wassermoleküle nicht enthalten. Diese Information erhältst du erst, wenn du die Grundregeln massenhaft anwendest.
Aber dann sind die Eigenschaften natürlich ein Grenzfall dessen was passiert, wenn man die Regeln mal Massenhaft anwendet. Es passiert also nichts wirklich überraschendes(überraschung=entropie=Information)
Doch! Denn diese neuen Regeln sind erst da, wenn du die Regeln massenhaft anwendest. Das einzelne Wassermolekül kann nicht schmelzen oder kochen. Ob du die Regeln erhältst, indem du sie im Kopf massenhaft anfwendest, im Computer oder im Experiment tut nichts zur Sache. In den Regeln für einzelne Wassermoleküle ist nicht enthalten, wie sich Eis verhält. Diese Regeln kann man erst erhalten, wenn man sie anwendet.