Hängen Moral und Glauben zusammen?



  • Hängen Moral und Glauben zusammen?
    

    Nein.

    Moral hat nichts mit Glauben gemein, außer das eine bestimmte Moralvorstellung in den verschiedenen Schriften fixiert wird. Ansonsten frage ich mich warum ich Katholiken kenne die schon gestohlen haben, und ich als Atheist es grundlegend ablehne.

    Wenn man sich an die Glaubenslehren hält, muss man sich natürlich auch an die dortigen Moralvorstellungen halten. Nichts desto trotz führt dies nicht zum Umkehrschluß. Ich hatte zu dem Thema aber schon eine längere Diskussion mit einer älteren Frau in einem Zug (nach 1 Stunde waren ihr die Argumente, die ich bis dahin alle wiederlegen konnte, ausgegangen).

    cu André
    P.S: Wie kommt es eigentlich das eine (wenn nicht die) mächtigste Nation der Welt trotz einen sehr hohen Teil an Gläubigen sich nicht mal an ihre Glaubenssätze hält (Du darfst nicht töten). Wie konnten die Kreuzritter ihre Kreuzzüge rechtfertigen?...



  • Daniel E. schrieb:

    Gut, jemanden zu verletzen oder ihm Eigentum wegzunehmen, das schadet ihm offensichtlich. Aber ich kann auch Leuten schaden, indem ich Mietpreise erhöhe (weil sie ohne meine Entscheidung mehr Geld hätten) oder ich schädige die gesamte Volkswirtschaft (also alle!!) indem ich morgen eine Stunde länger schlafe. Sind das alles schlechte Menschen? Wo ist denn da die Grenze?

    Ich habe eigentlich nicht vor hier eine 1000 Seiten Abhandlung zu verfassen, die jede Möglichkeit und Eventualität beleuchtet und betrachtet. Die Grundrichtung ist klar und sehr viel beantwortet sich im Grunde von alleine. Ist es moralisch gut, Mietpreise zu erhöhen um die Mieter abzuzocken? Ist es moralisch gut, aus Faulheit auf Kosten der Allgemeinheit zu leben? Frag die Leute auf der Straße und du wirst vermutlich eine eindeutige Antwort darauf bekommen. Und obwohl das komplexere Fälle sind, vermutlich sogar unabhängig vom Kulturkreis. Dass ich mir in dem Punkt ziemlich sicher bin, liegt schlicht daran, dass du so freundlich bist und Themen angesprochen hast, die sich als "Verletzung eines sozialen Vertrags" interpretieren lassen. Und das ist wieder ein universelles Thema. Der evolutionäre Hintergrund liegt auf der Hand. Eine soziale Gruppe, die die Verletzung "sozialer Verträge" - also z. B. Schmarotzer - toleriert hat einen handfesten evolutionären Nachteil. Bei der Evolution hast du auch die Grenze der Universalität der Moral.



  • Du setzt einfach die Existenz eines sozialen Vertrags voraus. Wie kannst Du das so einfach?

    1. Hier werden Steuern hinterzogen
    2. Immer mehr Mitglieder der GEsellschaft würden bei der Beantwortung der Frage der Mieterhöhung zur Antwort "das regelt der Markt so" tendieren

    Es scheint, daß Deinem Vertrag irgendwie die Vertragspartner ausgehen.



  • Eine Religion, die eine Gottheit beinhaltet die über den Menschen richtet, behindert Moral. Nach meiner Definition ist es auf jeden Fall unmoralisch, aus selbstsüchtigen Gründen moralisch zu sein. Ein Beispiel ist die Angst vor der Hölle. Moral aus Angst ist für mich keine Moral. Aber das hängt wohl von der Definition von Moral ab - und wie eben schon jemand sagte, Moral ist einfach nicht eindeutig definiert.

    Ich denke, dass auch religiöse Menschen moralisch sein können, jedoch ist die Grundbotschat erst einmal eine andere.



  • scrub schrieb:

    1. Hier werden Steuern hinterzogen
    2. Immer mehr Mitglieder der GEsellschaft würden bei der Beantwortung der Frage der Mieterhöhung zur Antwort "das regelt der Markt so" tendieren

    Und weiter? Ist Steuern hinterziehen deshalb ne moralisch tolle Sache? Dann frag doch mal ein bisschen in die Runde, ob z.B. die Steuerhinterziehung eines Herrn Zumwinkels moralisch einwandfrei ist. Und eine Aussage wie "der Markt wird's schon richten" ist eine "etwas" andere Aussage als "die Handlung war moralisch gut".
    Bei der Frage ob Moral und Religion zusammenhängen, geht es eigentlich weniger darum, wie zufrieden du mit Staat und Gesellschaft bist, sondern um ... ähm ... einen Zusammenhang zwischen Moral und Religion 😉



  • minhen schrieb:

    Ist Steuern hinterziehen deshalb ne moralisch tolle Sache? Dann frag doch mal ein bisschen in die Runde, ob z.B. die Steuerhinterziehung eines Herrn Zumwinkels moralisch einwandfrei ist. Und eine Aussage wie "der Markt wird's schon richten" ist eine "etwas" andere Aussage als "die Handlung war moralisch gut".

    Hä? Es gibt eben keinen Konsens mehr, keine übergreifende Moral. Gäbe es sie, gäbe es erheblich weniger Steuerhinterzieher, und die würden vom "ehrlichen" Rest der Bevölkerung konsequent ausgegrenzt. Die Realität ist aber, daß man sich schon rechtfertigen muß, wenn man nicht jeden möglichen Winkelzug nutzt, um dem Finanzminister eins auszuwischen. Und bezüglich der Frage mit der Miete gibt es eben auch kein unisones "das ist böse, so darf man nicht handeln", sondern einen Gutteil Desinteresse "geht mich nichts an"/"betrifft mich nicht", desweiteren "der Markt regelt das halt so" sowie "das sollte man verstaatlichen" (scheint ja z.B. in Singapur praktiziert zu werden). Wo ist da bitte eine Moral?

    minhen schrieb:

    Bei der Frage ob Moral und Religion zusammenhängen, geht es eigentlich weniger darum, wie zufrieden du mit Staat und Gesellschaft bist, sondern um ... ähm ... einen Zusammenhang zwischen Moral und Religion

    Du hast "soziale Verträge" ins Spiel gebracht. Meine Meinung dazu zusammengefaßt: Dieser Vertrag wird immer mehr gegenstandslos. Ursache: Immer mehr Vertragspartner wollen eifersüchtig jeden möglichen Vorteil erringen, und dabei ist ihnen scheißegal, was aus dem Vertrag und den restlichen Vertragspartnern wird.



  • nevermore schrieb:

    Nach meiner Definition ist es auf jeden Fall unmoralisch, aus selbstsüchtigen Gründen moralisch zu sein.

    Ich denke, man ist unbewusst nur aus selbstsüchtigen Gründen moralisch (ich weiß, wie provokant das klingt ;)).

    Das meiste was wir tun, beeinflusst unser Gemüt, bei guten/schlechten Taten bekommen wir ein gutes/schlechtes Gewissen, wenn wir jemandem helfen oder Gutes tun, fühlen wir uns auch gut. Und ich denke, dass das der einzige Grund ist, warum wir immer versuchen, gute Dinge zu tun. Und ich denke auch, dass wir auf dieser Basis entscheiden (natürlich mit langfristiger Voraussicht), was wir tun.
    Wenn man drei Wochen nichts gegessen hat, würde man auch eine arme alte Oma ausrauben, weil uns unser Gehirn ein gutes Gefühl bei dem Gedanken an das bevorstehende Brötchen verspricht. Ein Steuerhinterzieher hat wohl abgewägt und das gute Gefühl über das zusätzliche (bzw weniger wenigeres) Geld hat das schlechte Gefühl der Straftat überwogen. Nach diesem Skandal mit Zumwinkel und Co wird die Überwindung zum Steuerhinterzug wahrscheinlich größer sein, ein und dieselbe Tat kann nicht von einem auf den anderen Tag "unmoralischer" werden, sondern weil man ein schlechteres Gefühl dabei hätte, weil einem bewusst geworden ist, wie sehr das bei der Gesellschaft an-eckt.
    Und diese Prinzipien wie Hilfsbereitschaft oder gerne ein Teil der Gesellschaft zu sein sind meiner Meinung nach tief in uns verankert und werden uns vererbt. Aber eben nur dahin-gehend, dass wir uns bei einem Dienst an der Gesellschaft oder bei Hilfe gut fühlen, was der Tun-und-Lassen-beeinflussende Faktor ist.

    Es gibt ja z.B. Menschen, die sind, oder werden durch einen Unfall so, im wahrsten Sinne des Wortes "Gewissenlos" und jene haben eben kein Problem damit, aus unserer Sicht "Schlechtes" zu tun.

    Nur meine Meinung.



  • scrub schrieb:

    Hä? Es gibt eben keinen Konsens mehr, keine übergreifende Moral. Gäbe es sie, gäbe es erheblich weniger Steuerhinterzieher, und die würden vom "ehrlichen" Rest der Bevölkerung konsequent ausgegrenzt. Die Realität ist aber, daß man sich schon rechtfertigen muß, wenn man nicht jeden möglichen Winkelzug nutzt, um dem Finanzminister eins auszuwischen. Und bezüglich der Frage mit der Miete gibt es eben auch kein unisones "das ist böse, so darf man nicht handeln", sondern einen Gutteil Desinteresse "geht mich nichts an"/"betrifft mich nicht", desweiteren "der Markt regelt das halt so" sowie "das sollte man verstaatlichen" (scheint ja z.B. in Singapur praktiziert zu werden). Wo ist da bitte eine Moral?

    Biologische Faktoren können nicht einfach nach Belieben an- und ausgeschaltet werden. "Es gibt eben keinen ... mehr" geht in dem Punkt also grundsätzlich nicht.
    Lieschen Müller und Manager Klaus können objektiv und strafrechtlich gesehen sich desselben Straftatbestands schuldig machen. Und dennoch kann das eine als ok und das andere als verwerflich gesehen werden. Es kommt nicht auf den objektiven Sachverhalt, sondern auf das, als was es gesehen wird, an. Und diese Interpretation ist bei Taten gegenüber einem abstraktem Konstrukt "Staat" vermutlich deutlich freier. Das mag daran liegen, dass es während ~98% der Geschichte unserer Art weder Staaten, noch Steuern, noch Steuerhinterzieher gab. Lieschen Müller mag jeden Cent, den sie dem Staat abnimmt, als gerecht ansehen, und dennoch die Millionen, die Manager Klaus zur Seite schafft, als Betrug an der Allgemeinheit sehen. Die moralische Verwerflichkeit steht und fällt mit der Interpretation als Verletzung eines sozialen Vertrags.
    Auch wenn die grundlegende Moral universell ist, ist sie noch lange nicht absolut. Siehe auch Badestrand.



  • ich sehe es da ähnlich wie adorno: moralische fragen drängen erst dann richtig in den vordergrund, wenn der kollektive ethos (grundlegende, gemeinsame und geteilte wertvorstellungen) aufweicht, wobei man sich hier natürlich die frage stellen muss, inwiefern die vorstellung von so einem ethos ein nachträgliches aufzwängen und bemängeln (à la dekadenztheorie) ist - und dadurch eine gewisse gewalt in sich trägt. d.h. gerade weil es kein absolut kollektives ethos mehr ist, kann es seine ansprüche auf allgemeine verbindlichkeit nur mehr gewaltsam durchsetzen. ich glaube, genau an dieser stelle setzt religion ein - ein ethos aufrechtzuerhalten, das kein kollektives mehr ist. welche technik dafür eingesetzt wird (kreuzzug, predigt, papstwahl, ...) ist sekundär.
    das ist für mich die verbindung zwischen religion und moral: moral ist eine art indikator für überzeugungen (nämlich dann, wenn moralische fragen konkret neu ausgehandelt werden), die in frage gestellt werden und religion ist die art von gewalt, mit der diese anachronistischen überzeugungen neu inszeniert werden.

    deshalb kann ich die umfrage nicht eindeutig beantworten.

    btw. ich glaube nicht, dass man allzu viele moralische gedanken der (biologischen) evolution zuschreiben sollte. solange gibt es menschen nämlich noch nicht.



  • queer_boy schrieb:

    ich sehe es da ähnlich wie adorno: moralische fragen drängen erst dann richtig in den vordergrund, wenn der kollektive ethos (grundlegende, gemeinsame und geteilte wertvorstellungen) aufweicht,

    Hä? Dein "kollektiver Ethos" ist doch auch eine Moral?

    wobei man sich hier natürlich die frage stellen muss, inwiefern die vorstellung von so einem ethos ein nachträgliches aufzwängen und bemängeln (à la dekadenztheorie) ist - und dadurch eine gewisse gewalt in sich trägt. d.h. gerade weil es kein absolut kollektives ethos mehr ist, kann es seine ansprüche auf allgemeine verbindlichkeit nur mehr gewaltsam durchsetzen. ich glaube, genau an dieser stelle setzt religion ein - ein ethos aufrechtzuerhalten, das kein kollektives mehr ist. welche technik dafür eingesetzt wird (kreuzzug, predigt, papstwahl, ...) ist sekundär.
    das ist für mich die verbindung zwischen religion und moral: moral ist eine art indikator für überzeugungen (nämlich dann, wenn moralische fragen konkret neu ausgehandelt werden), die in frage gestellt werden und religion ist die art von gewalt, mit der diese anachronistischen überzeugungen neu inszeniert werden.

    Hast du Quellen für diese... exotischen Theorien?

    btw. ich glaube nicht, dass man allzu viele moralische gedanken der (biologischen) evolution zuschreiben sollte. solange gibt es menschen nämlich noch nicht.

    Und wer sagt, es gäbe bei Tieren, insbesondere Menschenaffen, keine Moral? Der Mensch ist ja nicht aus dem "nichts" entstanden.



  • queer_boy schrieb:

    btw. ich glaube nicht, dass man allzu viele moralische gedanken der (biologischen) evolution zuschreiben sollte. solange gibt es menschen nämlich noch nicht.

    Das musst du mir erklären. Die Evolution soll zwar den menschlichen Körper geformt haben, für die menschliche Psyche soll die Zeit dann aber zu knapp gewesen sein? Der Körper ist also in der Evolution entstanden, an der Psyche soll die Evolution aber spurlos vorbeigegangen sein?



  • Mr. N schrieb:

    queer_boy schrieb:

    ich sehe es da ähnlich wie adorno: moralische fragen drängen erst dann richtig in den vordergrund, wenn der kollektive ethos (grundlegende, gemeinsame und geteilte wertvorstellungen) aufweicht,

    Hä? Dein "kollektiver Ethos" ist doch auch eine Moral?

    hat nicht hier schon irgendwer schon den unterschied zwischen wert und moral aufgezeigt? 😉
    darum ging es mir gar nicht. ich sprach über moralische fragen, also nicht darum, dass da irgendeine moral ist, sondern dass sie eben nicht mehr da ist (genauer: darüber aktiv nachgedacht wird) und erst im nachhinein rekonstruiert wird. (wichtig: im nachhinein!) - von irgendeiner religion zum beispiel (oder von einer moralphilosophie).

    wobei man sich hier natürlich die frage stellen muss, inwiefern die vorstellung von so einem ethos ein nachträgliches aufzwängen und bemängeln (à la dekadenztheorie) ist - und dadurch eine gewisse gewalt in sich trägt. d.h. gerade weil es kein absolut kollektives ethos mehr ist, kann es seine ansprüche auf allgemeine verbindlichkeit nur mehr gewaltsam durchsetzen. ich glaube, genau an dieser stelle setzt religion ein - ein ethos aufrechtzuerhalten, das kein kollektives mehr ist. welche technik dafür eingesetzt wird (kreuzzug, predigt, papstwahl, ...) ist sekundär.
    das ist für mich die verbindung zwischen religion und moral: moral ist eine art indikator für überzeugungen (nämlich dann, wenn moralische fragen konkret neu ausgehandelt werden), die in frage gestellt werden und religion ist die art von gewalt, mit der diese anachronistischen überzeugungen neu inszeniert werden.

    die verbindung auf religion und moral auf diese art zu sehen, ist mein eigener beitrag. diese art und weise, über moral nachzudenken hab ich aus Probleme der Moralphilosophie (1963) | ISBN: 3518582259 und Kritik der ethischen Gewalt | ISBN: 3518583611.

    btw. ich glaube nicht, dass man allzu viele moralische gedanken der (biologischen) evolution zuschreiben sollte. solange gibt es menschen nämlich noch nicht.

    Und wer sagt, es gäbe bei Tieren, insbesondere Menschenaffen, keine Moral? Der Mensch ist ja nicht aus dem "nichts" entstanden.[/quote]
    niemand 😉

    minhen schrieb:

    queer_boy schrieb:

    btw. ich glaube nicht, dass man allzu viele moralische gedanken der (biologischen) evolution zuschreiben sollte. solange gibt es menschen nämlich noch nicht.

    Das musst du mir erklären. Die Evolution soll zwar den menschlichen Körper geformt haben, für die menschliche Psyche soll die Zeit dann aber zu knapp gewesen sein? Der Körper ist also in der Evolution entstanden, an der Psyche soll die Evolution aber spurlos vorbeigegangen sein?

    nö, aber ich glaube, man kann da zurecht einen unterschied machen zwischen dem, was biologisch da ist (z.b. dass man menschen nicht einfach ohne spezielles training töten kann) und der moral, die sehr kulturspezifisch darübergestülpt ist (wie sonst kann man sich etwa kannibalismus vorstellen?) - diskussion hatten wir zwei aber schonmal.



  • queer_boy schrieb:

    wie sonst kann man sich etwa kannibalismus vorstellen?

    Moral ist ein komplexes "Ding" und gegenüber anderen Gruppen sinkt diese sowieso. Mindestens in ihren Grundzügen ist sie aber überall gleich.



  • queer_boy schrieb:

    nö, aber ich glaube, man kann da zurecht einen unterschied machen zwischen dem, was biologisch da ist (z.b. dass man menschen nicht einfach ohne spezielles training töten kann) und der moral, die sehr kulturspezifisch darübergestülpt ist

    Wenn das nun wirklich dein einziger Punkt ist, dann ist dein Widerspruch ziemlich überflüssig. Denn diese Unterscheidung habe ich hier bereits von Anfang an getroffen - und dies auch explizit gesagt:

    minhen schrieb:

    Du sprichst konsequent von Werten, nicht von Moral. Bei Werten, also Dingen der Weltanschauung, spielen Religionen sehr wohl eine Rolle. Mitunter und meistens sogar die wichtigste. Aber Werte ist für mich nur etwas, was auf der Moral aufsitzt. Moral sind meinem Verständnis nach grundlegende, ethische Werte. Sie ist quasi der universelle Unterbau aller Werte und damit per Definition letztlich schon von bestimmten Religionen unabhängig. In allen Kulturen gilt es als gut, anderen Menschen zu helfen, Mitgefühl zu haben, gut mit den Mitmenschen umzugehen, aufrichtig zu sein, sein Leben "gut" zu führen, usw. Das ist universelle Moral. Auf dieser Moral können Werte aufbauen, oder die Moral kann durch Werte eingeschränkt werden (z.B. auf bestimmte Personengruppen). Aber diese moralischen Werte sind dennoch in allen Kulturen bekannt und vorhanden. Das ist eine fundamental andere Kategorie als Werte wie z. B. "kein Sex vor der Ehe". Und diesem Unterschied sollte man Rechnung tragen. Daher verstehe ich unter Werte etwas anderes als unter Moral. Die so verstandene Moral ist also universell. Und das wiederum ist ein sehr starkes Indiz für eine biologische, evolutionäre Komponente. 🙂



  • Ich habe gerade etwas nettes gelesen:

    Ist die Nächstenliebe gut, weil Gott sie zufällig gutheißt, oder heißt Gott die Nächstenliebe gut, weil sie tatsächlich gut ist?

    Dass Gott einfach nur zufällig handelt, dürften die meisten Gläubigen wohl ablehnen. Damit bleibt nur die letzte Variante übrig. Und mit dieser gibt man zu, dass es ein von Gott unabhängiges Kriterium für Moral gibt 😉



  • Wer selber nochmal nachlesen möchte: http://en.wikipedia.org/wiki/Euthyphro_dilemma#In_monotheism



  • minhen schrieb:

    Ich habe gerade etwas nettes gelesen:

    Ist die Nächstenliebe gut, weil Gott sie zufällig gutheißt, oder heißt Gott die Nächstenliebe gut, weil sie tatsächlich gut ist?

    Dass Gott einfach nur zufällig handelt, dürften die meisten Gläubigen wohl ablehnen. Damit bleibt nur die letzte Variante übrig. Und mit dieser gibt man zu, dass es ein von Gott unabhängiges Kriterium für Moral gibt 😉

    Verstehe ich nicht. Warum gibt es dann nur noch die letzte Option? Wieso kann die Nächstenliebe nicht gut sein, weil Gott sie nicht zufällig sondern absichtlich gutheißt?



  • Jester schrieb:

    Wieso kann die Nächstenliebe nicht gut sein, weil Gott sie nicht zufällig sondern absichtlich gutheißt?

    Die Frage ist, ob Gott Nächstenliebe zufällig gutheißt oder ob er einen Grund dafür hat. Und dabei ist die Antwort "Gott heißt es gut, weil Gott es gutheißt" absolut zirkulär, also eine echte Nullaussage. Noch mal: es geht darum, ob Gott zufällig handelt oder ob er irgendeinen Grund dafür hat - also nicht um die menschliche Perspektive. Wie dieser Grund aussieht spielt dabei auch keine Rolle. Die Ausflucht "wir Menschen begreifen den Grund nicht" ist daher also auch keine Antwortmöglichkeit. Handelt Gott also zufällig oder hat er irgendeine Handlungsgrundlage? Wenn er eine solche hat - egal wie sie aussieht - dann existiert offensichtlich ein unabhängiges Kriterium welches den Grund liefert. Und ist der zentrale Punkt, darum geht es 🙂



  • Ein kleiner Einwand aus meiner Ecke:

    Wieso fragt man bei Moral immer Theologen oder Philosophen?

    Wieso nicht, was doch an sich naheliegender wäre, z.B. Biologen? (Und um queer_boy vorzubeugen: Wenn Evolution die Psyche nicht geformt hat, was dann?)

    Anders ausgedrückt: Wer entscheidet eigentlich, dass Theologen (oder: beliebige Personengruppe hier einfügen) eine moralische Instanz ist? Nur weil ich *behaupte*, dass ich Ahnung von etwas habe, macht es das noch lange nicht wahr.

    Wer sich für „moderne“ Moral interessiert, sollte sich mal den Utilitarismus von Peter Singer zu Gemüte führen. Den Thesen muss man nicht unbedingt zustimmen aber man sollte sich doch mal intensiv Gedanken darüber machen. Und wenn man nicht zustimmt, dann sollte man sich mal argumentativ überlegen, warum man nicht zustimmt. Das ergibt einige interessante Überlegungen.



  • ah, hier hab ich auch schon lang nicht mehr hereingeschaut 🙂

    minhen schrieb:

    queer_boy schrieb:

    nö, aber ich glaube, man kann da zurecht einen unterschied machen zwischen dem, was biologisch da ist (z.b. dass man menschen nicht einfach ohne spezielles training töten kann) und der moral, die sehr kulturspezifisch darübergestülpt ist

    Wenn das nun wirklich dein einziger Punkt ist, dann ist dein Widerspruch ziemlich überflüssig. Denn diese Unterscheidung habe ich hier bereits von Anfang an getroffen - und dies auch explizit gesagt:

    minhen schrieb:

    Du sprichst konsequent von Werten, nicht von Moral. Bei Werten, also Dingen der Weltanschauung, spielen Religionen sehr wohl eine Rolle. Mitunter und meistens sogar die wichtigste. Aber Werte ist für mich nur etwas, was auf der Moral aufsitzt. Moral sind meinem Verständnis nach grundlegende, ethische Werte. Sie ist quasi der universelle Unterbau aller Werte und damit per Definition letztlich schon von bestimmten Religionen unabhängig. In allen Kulturen gilt es als gut, anderen Menschen zu helfen, Mitgefühl zu haben, gut mit den Mitmenschen umzugehen, aufrichtig zu sein, sein Leben "gut" zu führen, usw. Das ist universelle Moral. Auf dieser Moral können Werte aufbauen, oder die Moral kann durch Werte eingeschränkt werden (z.B. auf bestimmte Personengruppen). Aber diese moralischen Werte sind dennoch in allen Kulturen bekannt und vorhanden. Das ist eine fundamental andere Kategorie als Werte wie z. B. "kein Sex vor der Ehe". Und diesem Unterschied sollte man Rechnung tragen. Daher verstehe ich unter Werte etwas anderes als unter Moral. Die so verstandene Moral ist also universell. Und das wiederum ist ein sehr starkes Indiz für eine biologische, evolutionäre Komponente. 🙂

    dann ist moral nichts weiter als eine art "übersetzungsübereinkunft" ohne inhalt. "sein leben gut führen" hat dann nämlich keine bedeutung mehr.
    so kann man sich natürlich alles zurecht biegen...
    das ist nicht die unterscheidung, die ich angesprochen habe.
    im übrigen sprichst du das ja selbst schon mit

    Ist die Nächstenliebe gut, weil Gott sie zufällig gutheißt, oder heißt Gott die Nächstenliebe gut, weil sie tatsächlich gut ist?

    an (nur dass ich für diese überlegung keinen "gott" brauche). um festzustellen, ob ein "gut geführtes leben" tatsächlich gut geführt ist, kommst du um eine kulturspezifische auslegung von gut einfach nicht herum, wenn du "gut" auch nur ein bisschen an bedeutungsgehalt einräumst.

    Wieso fragt man bei Moral immer Theologen oder Philosophen?

    gute frage. warum nicht auf die sozialwissenschaften ausweichen?
    (nur mal abgesehen davon, dass ethik ein teilgebiet der philosophie ist)

    Wieso nicht, was doch an sich naheliegender wäre, z.B. Biologen?
    (Und um queer_boy vorzubeugen: Wenn Evolution die Psyche nicht geformt hat, was dann?)

    ich weiß nicht genau, was du unter psyche verstehst. ist gleich moral?
    wenn du es naheliegender findest, einen biologen zu fragen, hast du doch schon einen gewissen bias in der frage. philosophie steht halt doch noch einmal eine stufe höher (indem sie reflexionen über sich selbst und über die naturwissenschaften, siehe erkenntnistheorie etc., anstellen kann)
    nochmal zu evolution und psyche - vielleicht hilft es ja eine unterscheidung zwischen struktur und "instanz" von psyche (im weitestens sinne) einzuführen, dann widerspreche ich (zunächst) einmal nicht, dass die struktur der psyche sich evolutionär entwickelt hat, die ausformung einer konkrete "instanz" (d.h. einzelne psychen bzw. viele psychen eines kollektivs) einer gewissen sozialisation unterliegt. einverstanden (zunächst)?


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