Kann ich nicht logisch denken?
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minhen schrieb:
Sie ist aber definitiv nicht unlogisch im Sinn von willkürlich, beliebig, zufällig, sich widersprechend, keine Logik feststellbar und dergleichen.
Ach ja? Warum muss man dann noch Texte interpretieren oder warum kommt es dann zu Kommunikationsfehlern? Warum streiten sich dann noch Leute über Begriffe?
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Sprache ist nicht trivial, sondern sehr komplex. Und das liegt in der Natur der Sache. Sprache muss echt mehr leisten und ausdrücken, als es realistisch mit bekannten Formalismen möglich ist. Bei Sprache kommen Späßchen wie allgemeine Kognition und natürlich Weltwissen mit ins Spiel. Alle Äußerungen sind situiert, vom Kontext abhängig. Man sieht einer Frage wie "Ist das Fenster offen?" nicht einfach so an, ob sie eine Frage nach einem Wahrheitswert ist oder ob sie eine Handlungsaufforderung darstellt. Aber das bedeutet nicht, dass sie eine beliebige oder unklare Bedeutung hätte. Wenn es dich interessiert, lies dich in Logik und Spieltheorie ein. Denn Kommunikation lässt sich als spieltheoretisches Spiel betrachten. Aber Logik solltest du darüber nicht vergessen. Denn du scheinst zu glauben, dass eine logische Formel einfach so wahr oder falsch wäre und einfach so ihre Bedeutung hätte. Das ist im Allgemeinen aber nicht der Fall. Auch eine formallogische Formel muss fleißig interpretiert werden. Zwar formallogisch, doch das ändert weder an der Notwendigkeit noch an der Tatsache der Interpretation etwas. Nebenbei gesagt gibt es für sprachliche Äußerungen logische Formalismen (z. B. einfach mal nach "Proper Treatment for Quantification in Ordinary English" von Montague googeln oder nach Diskursrepräsentationstheorie für einen satzübergreifenden Formalismus). Der Knackpunkt ist weniger, dass sprachliche Äußerungen keine logische Struktur hätten. Der Knackpunkt ist viel eher die ungeheuere Leistungsfähigkeit der menschlichen Kognition - und damit die Formalisierung, weniger der logischen Strukturen, sondern der Interpretationsfunktion.
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Zuletzt bearbeitet von volkard am 26.02.2009 18:09, insgesamt 1-mal bearbeitet
Was hat deine Meinung geändert?
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minhen schrieb:
Zuletzt bearbeitet von volkard am 26.02.2009 18:09, insgesamt 1-mal bearbeitet
Was hat deine Meinung geändert?
du weißt, was drin stand, das reicht.
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Ja, das weiß ich. Ich führe zwar nicht mehr alles im Detail aus, was ich sage. Aber es ist im Normalfall immer überprüfbar. Der zeitliche Ablauf beim Erstellen und Editieren deines Beitrags macht es zumindest möglich, dass du genau das getan und als Konsequenz deinen Beitrag editiert hast. Und das macht mich halt neugierig. Hast du dich in die Thematik Logik und Sprache eingelesen und z. B. das Paper von Montague gelesen? Es ist zwar aus den 1970ern und damit nicht mehr ganz taufrisch und aktuell, aber noch immer lesenswert und mit seinen paar Seiten auch überschaubar. Also hast du?
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nein, aber das brauche ich auch nicht, um zu sehen, daß du wieder übers ziel hinausschießt. lies dich mal in die chaostheorie ein, dann vestehst du, daß selbst bei völlkommener kenntnis der regeln es doch manchmal sinnvoll ist, von zufall zu reden.
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Spieltheoretische Ansätze sind nicht zwingend deterministisch. Wenn du Spieltheorie und Kommunikation oder Game Theory und Communication gegoogelt hättest, hättest du sicher schnell gesehen, dass man dort mit Wahrscheinlichkeiten arbeitet.
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minhen schrieb:
Das Ergebnis ist, wenn man die Aufgabe abstrakt mathematisch formuliert, findet praktisch niemand die korrekte Antwort. Sobald die Frage aber in einem sozialen Kontext logisch äquivalent formuliert wird, findet die Mehrheit der Menschen auf Anhieb die logisch korrekte Antwort.
dem stimme ich zu. ich mache sogar ein beispiel:
auf >>aus "Wenn es regnet, gehe ich spazieren." und "Es regnet nicht." folgt "Ich gehe spazieren.", ist das wahr?<< hat man probleme. ("ex falso quidlibet" ist eh schwierig.)
aber verpackt als >>"Volkard hat versprochen, daß er immer spazierengeht, wenn es regnet." und "Es regnet nicht." Hat er sein Versprechen gehalten, wenn er spazierengeht, oder ist er ein ist er ein Schummler?<< fällt es ungleich leichter.
nur bei dir klingt das so, als könne man einfach mal "Gibt es unendlich viele Primzahlenzwillinge?" in so eine gerechtigkeitsfrage umformulieren und der ultrakompetente sprachliche apparat würde das schon lösen können. dem ist nicht so. vielleicht ist es sogar so, daß man sich bei komlexeren dingen sogar vom sprechapparat und der evolution lösen muß.
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minhen schrieb:
Wenn du Spieltheorie und Kommunikation oder Game Theory und Communication gegoogelt hättest, hättest du sicher schnell gesehen, dass man dort mit Wahrscheinlichkeiten arbeitet.
leider weiß ich da nicht die spreu vom weizen zu trennen. wenn du mir den gefallen tun würdest, und ein möglichst deutsches dokument um 20 bis 50 seiten finden könntest, wäre es mir eine freude, mich einzuarbeiten.
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volkard schrieb:
nur bei dir klingt das so, als könne man einfach mal "Gibt es unendlich viele Primzahlenzwillinge?" in so eine gerechtigkeitsfrage umformulieren und der ultrakompetente sprachliche apparat würde das schon lösen können. dem ist nicht so.
Wäre ich ein Philosoph, würde ich sagen, dass du einen Kategorienfehler begehst. Ich spreche von der rein sprachlichen Interpretation der Ausdrücke a la "Was will mir die Äußerung sagen?". Der Wahrheitswert der Aussagen in unserer Welt interpretiert spielt dabei überhaupt keine Rolle. Was der Sprachapparat leistet, ist, dass du die Frage "Gibt es unendlich viele Primzahlzwillinge" verstehst. Nicht, dass du auch die jeweilige Antwort darauf weißt. Das sind zwei völlig unterschiedliche Kategorien. Selbst wenn 2008 nicht das Jahr der Mathematik gewesen wäre und ich deswegen völlig uninteressiert nicht wüsste, was ein Primzahlenzwilling ist. Dann wüsste ich dennoch, dass die Antwort auf die Frage "Ja" lauten sollte, wenn salopp gesagt {x|primzahlenzwilling(x)} unendlich ist und "Nein" andernfalls. Das ist es, was der Sprachapparet leistet. Und das ist auch, was nicht zufällig, beliebig oder willkürlich ist. Wie ich es zuvor nannte: die logische Struktur. Und Montague zeigt eben, dass sich die Gesamtbedeutung auch bei wahrheitstheoretisch problematischen Fällen wie "Ich glaube, es gibt einen Gott und dass er gütig ist und dass alle Menschen an ihn glauben" aus den Teilausdrücken berechnen lässt. Ob diese Aussage jetzt wahr oder falsch ist, das ist eine andere Frage. Die hängt von der konkreten Interpretationsfunktion ab. Die logische Struktur ist davon aber nicht betroffen.
volkard schrieb:
leider weiß ich da nicht die spreu vom weizen zu trennen. wenn du mir den gefallen tun würdest, und ein möglichst deutsches dokument um 20 bis 50 seiten finden könntest, wäre es mir eine freude, mich einzuarbeiten.
Eines der ersten Ergebnisse z. B.: http://www.cis.uni-muenchen.de/~leiss/common-knowledge-08/folien-partusch.pdf das ist doch eine nette, kurze, deutsche Zusammenfassung der Grundlagen.
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minhen schrieb:
Und vergleichbar ist es auch mit der Sprache. Sie ist trivial unlogisch, wenn man darunter "entspricht nicht der mathematisch-formalen Logik" versteht. Sie ist aber definitiv nicht unlogisch im Sinn von willkürlich, beliebig, zufällig, sich widersprechend, keine Logik feststellbar und dergleichen.
ich wollte auch nicht sagen, dass Menschensprachen "willkürlich, beliebig, zufällig, sich widersprechend" sind. Sie sind nach mathematische Logik Masstäbe nicht logisch. Man hat einfach mehr Information, die man erst im Kontext versteht. Das Bsp mit der Fahrt nach Berlin ist gut:
Ich saufe und fahre nach Berlin / Ich fahre nach Berlin und ich saufe.
Wenn man "Ich saufe" und "Ich fahre nach Berlin" als Aussagen A und B sieht, dann ist es, dass A && B erst dann erfüllt ist, wenn A erfüllt ist und B erfüllt ist. Wann ich saufe, oder wann ich fahre, wie ich fahre usw. spielt hier keine Rolle, solange A und B erfüllt sind, sind beide Aussagen oben äquivalent.
Auf Deutsch sind aber die Aussagen nicht mehr so ganz äquivalent, denn auf Deutsch haben wir mehr Information zu interepretieren, nämlich Zeit und Ortsangaben: In der Regel versteht man eine Ausage der Form "A && B" so, dass man zuerst/zunächst A tut und dann/danach B tut. Und die Zeitspanne zwischen Aktion A und B ist nur im Kontext klar. Auch der Ort, wo man die Aktionen tut ist nur Kontext klar. Deshalb sagte ich, dass die Menschensprache mathematisch-unlogisch ist.
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Sprache ist entstanden, damit Menschenkollektive ihre Chancen im vorzeitlichen Überlebenskampf verbessern konnten - ein Mammut zu jagen ist vermutlich leichter, wenn man sich über die Strategie austauschen kann.
Mathematische Denkweisen orientieren sich zwar an der natürlichen Sprache, aber die Sprache der Mathematik ist nicht evolutionär entstanden, und wird daher anders gehandhabt als natürliche Sprache - vor allem viel direkter und mit wenig impliziter Information. Ein großer Teil der übertragenen Information während eines Gesprächs wird bekanntlich gar nicht in Worten, sondern in Gesten ausgetauscht.
Allgemein nimmt es doch keine Wunder, daß man in Widersprüche gerät, wenn man mathematische Ausdrücke und natürliche Sprache vermischt oder die Interpretationsgewohnheiten des einen auf den anderen Sprachentyp anwendet.
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Klassische Logik ist nicht gleich allgemein gültige Logik. Die Sprache kann also durchaus logisch in einer anderen Definition der Logik sein, zumindest theoretisch. Nur ist so eine Logik wie die philosophische nicht wirklich präzise definiert und das ist auch ein Vorteil, der sich z.B. in der künstlerischen Vielfältigkeit widerspiegelt. Eine Logik, die sich durch die eigene Ausübung ändern kann, wäre auch denkbar.
Gruß
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paradoxerweise leitet sich das Wort "Logik" vom griechischen Wort für "Wort" ab. Trotzdem ist Sprache nicht logisch, und soll sie auch als evolutionäres Mittel zum Überleben auch gar nicht sein. Nur Kunstsprachen können logisch sein, vielleicht wird es so etwas in ferner Zukunft geben.
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λóγος heißt auch Vernunft, Begründung, Sinn
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supertux schrieb:
Ich saufe und fahre nach Berlin / Ich fahre nach Berlin und ich saufe.
Wenn man "Ich saufe" und "Ich fahre nach Berlin" als Aussagen A und B sieht, dann ist es, dass A && B erst dann erfüllt ist, wenn A erfüllt ist und B erfüllt ist. Wann ich saufe, oder wann ich fahre, wie ich fahre usw. spielt hier keine Rolle, solange A und B erfüllt sind, sind beide Aussagen oben äquivalent.
Auf Deutsch sind aber die Aussagen nicht mehr so ganz äquivalent, denn auf Deutsch haben wir mehr Information zu interepretieren, nämlich Zeit und Ortsangaben: In der Regel versteht man eine Ausage der Form "A && B" so, dass man zuerst/zunächst A tut und dann/danach B tut. Und die Zeitspanne zwischen Aktion A und B ist nur im Kontext klar. Auch der Ort, wo man die Aktionen tut ist nur Kontext klar. Deshalb sagte ich, dass die Menschensprache mathematisch-unlogisch ist.
Wie ich bereits sagte, fällt auch in der mathematischen Logik die Bedeutung einer Formel nicht vom Himmel, sondern entsteht durch Interpretation. Dein Beispiel ist zwar reine Aussagenlogik und damit reichlich einfach. Aber auch für diese einfachste Logik gilt dasselbe. Die Operatoren für "und", "oder", "nicht" sind schließlich für Wahrheitswerte definiert und nicht für ominöse Zeichenfolgen. 1 und 1 -> 1, 0 und 1 -> 0, und so weiter. Die Frage ist also, wo deine atomaren Aussagen ihre Wahrheitswerte herbekommen. Und die Antwort ist die Interpretationsfunktion. Sie gibt u. a. an, welche atomare Aussage welchen Wahrheitswert hat. Zusammen mit den Operator-Definitionen ist sie es also, die der Aussage "A und B" eine Bedeutung, eine Interpretation gibt.
Also im Prinzip etwa so:
["ich fahre nach berlin"] = 0
["ich saufe"] = 1["ich fahre nach berlin" und "ich saufe"]
= ["ich fahre nach berlin"] und ["ich saufe"]
= 0 und 1
= 0Ohne Interpretation hat die Formel dagegen schlicht keine Bedeutung, man kann im Allgemeinen keine Aussage machen. (Im Sonderfall, wie z. B. ner Tautologie wie "A oder nicht(A)", die alleine aufgrund ihrer Struktur immer wahr ist, kannst du auch ohne Interpretation eine Aussage treffen. Im Allgemeinen aber eben nicht.) Es dreht sich im Grunde also alles um die Interpretationsfunktion. Wenn du aber nicht nur so triviale Interpretationen willst, wird die Funktion komplizierter. Momentan ist "ich fahre nach berlin" und "ich saufe" auf alle Zeiten für alle Personen gleich festgelegt. Das lässt natürlich zu wünschen übrig. Was wenn ich einmal Situation A und einmal Situation B erfassen will? Was ist, wenn "ich" einmal Franz und einmal Hans sein soll? Mit Variabelbelegungen verlässt man das Gebiet der Aussagenlogik und bricht Richtung Prädikatenlogik auf. Das Problem ist bei der Aussagenlogik aber dasselbe. Schließlich fahre ich nicht immer nach Berlin. Will man diesen Umstand modellieren, wird die Interpretationsfunktion automatisch komplexer. Sie hängt jetzt von der Welt und von dem Zeitpunkt und von beliebig mehr ab. Die Aussage wird jetzt in einer bestimmten Welt und zu einem bestimmten Zeitpunkt interpretiert. Dazu nimmst du einfach eine Funktion, die eine Weltkonstante und eine Zeitkonstante als Tupel nimmt und dir eine Funktion mit der Interpretation der atomaren Aussage in dieser Welt zu diesem Zeitpunkt zurückgibt. Jetzt kannst du u. a. zeitlich variable Dinge modellieren. Das konntest du in der Aussangssituation nicht. Dort musste ich für immer und ewig nach Berlin fahren.
Jetzt wo du aber mächtigere Aussagen machen kannst, hängt die Interpretation von der Wahl der Welt und des Zeitpunktes ab. Welche Welt und welcher Zeitpunkt jeweils "gemeint" ist, sieht man der Formel nicht an. Und das Problem kommt dir vermutlich bekannt vor.
Von daher kann die Problematik natürlich kein Arugment sein, dass natürliche Sprache unlogisch sei. Denn was du der natürlichen Sprache als Problem unterstellst, kennt die mathematische Logik ebenfalls nur zu gut.
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naaaaaaaaaja schrieb:
λóγος heißt auch Vernunft, Begründung, Sinn
danke für die Erinnerung - also nicht einmal paradox.
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@minhen: ich glaube, wie reden aneinander vorbei
denn das was du erklärst ist genau das, was ich die ganze Zeit sage: in der matehematische Logik interpretiert man streng nach Vorschrift, während auf Deutsch der Kontext die Interpretation stark beeinflusst.
btw: mein Ausdruck muss nicht zwangslufig ein aussagenlogischer Ausdruck sein. Ich hab ihn eher als Ausdruck der ersten Stufe angeben (aber ohne Quantoren), denn ich wollte daruf hinaus:
I |= A && B gdw. I |= A und I |= B
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Ein Klassiker von meinem ehemaligen Mathematiklehrer (Herr Vischer - RIP):
Alle Neger sind Menschen.
Folgt daraus, daß alle Menschen Neger sind?ps: Sollte sich jemand an dem Wort "Neger" stören - in den 70ern des letzten Jahrhunderts gab es sowas wie "political correctness" noch nicht.
Ich meine es auch nicht diskriminierend - ist nur OT.