Wie steht ihr zu Stuttgart 21?



  • Marc++us schrieb:

    Auf der anderen Seite hat natürlich auch die deutsche Bevölkerung völlig das Bewußtsein dafür verloren, woher eigentlich das Geld für unseren Wohlstand kommen soll - Kraftwerke: dagegen - Flughafen: dagegen - Eisenbahn: dagegen - Industrie: dagegen - Windkraft: dagegen - Öl: dagegen - Wärmedämmung der Häuser: dagegen - Änderungen: dagegen.

    👍

    Wobei S21 natürlich ein Ventil für die ganze Unzufriedenheit im Volk ist. Ich kann mir gut vorstellen, wie es zu der Eskalation gekommen ist. Wenn jemand von euch schon einmal auf einer großen Demo war, dann weiß man, dass das irgend wann ein Massenphänomen ist. Die Polizei will einen Platz räumen und anstelle, dass die Demonstranten woanders weiter demonstrieren, wird halt eine "Linie" gezogen. Auf einmal wollen alle ihre kleine Revolution und sich widersetzen. Egal ob Schüler, Rentner, Mutter mit Kind, alt-68er, Bauer etc. Ist eben ein Gemeinschaftsgefühl und niemand will weichen. Wenn dann die üblichen Schlägertruppen aus Hamburg und Berlin im Einsatz sind, die ja normalerweise irgend welche Demos des schwarzen Blocks oder von linksradikalen jugendlichen auseinander nehmen, dann eskaliert die Lage eben schnell. Im Normalfall interessiert es die Leute ja auch nicht wirklich. Jetzt haben sie halt den Fehler gemacht, dass sie keine jugendlichen verprügelt haben, sondern in Stuttgart auf die normale Bevölkerung los gegangen sind.

    btw. im Laufe von S21 sollen 5.000 neue Bäume gepflanzt werden und 20 Hektar neue Grünanlagen entstehen.

    Ich finde es eh lächerlich, dass auf einmal so ein großer Aufstand um das Projekt gemacht wurde. Das ganze wurde seit 20 Jahren geplant und zahlreiche Einsprüche (hab irgend was von 11.000 in Erinnerung. Bin mir jetzt aber nicht mehr sicher) wurden diskutiert und bewertet. Jetzt zu protestieren ist einfach ein paar Jahre zu spät.

    Andererseits ist es auch sehr kritisch, wenn da wohl noch keine ausreichenden Bodenuntersuchungen vorgenommen wurden. Man hat ja in Köln gesehen, was da alles passieren kann.

    (Prinzipiell ist mir S21 egal. Ich habe mich nicht genug mit den Vorzügen für den Bahnverkehr befasst, um zu verstehen, ob sich das Projekt nun lohnt oder nicht)

    Und warum protestieren eigentlich die Gewerkschaften gegen S21? Sollten die nicht dafür sein? Das schafft doch immerhin viele Arbeitsplätze. 😕



  • warum protestieren eigentlich die Gewerkschaften gegen S21?

    Das finde ich ebenfalls merkwürdig und vor allem deplaziert. Kennt jemand den wirklichen Grund warum diese Arbeitnehmerinteressenvertreterobervereine sich da tummeln?

    die üblichen Schlägertruppen aus Hamburg und Berlin im Einsatz

    Du redest von unserer Polizei als Schläger? Naja, irgendwo gehört Gewaltausübung schon dazu zu diesem Beruf. Da hilft kein Darumherumreden. Vom Quatschen alleine kommt man gegen das Böse oder gegen Massen nicht an. Wenn die Polizei hier erfahrene und kampferprobte Leute hat, finde ich das sogar gut. Die wissen dann worauf es ankommt und kennen auch die üblichen ernstzunehmenden Gegner, die sich gerne mit ihnen prügeln.



  • Erhard Henkes schrieb:

    warum protestieren eigentlich die Gewerkschaften gegen S21?

    Das finde ich ebenfalls merkwürdig und vor allem deplaziert. Kennt jemand den wirklichen Grund warum diese Arbeitnehmerinteressenvertreterobervereine sich da tummeln?

    Klar scheint nur:

    Polizeigewerkschaft tummelt sich da eher nicht.

    Bahngewerkschaft will die 4.1Mrd für effektivere Bahnprojekte eingesetzt sehen.

    Lehrergewerkschaft ist da, weil ausreichend viele Lehrer (durch Unkündbarkeit und ausreichend Gehalt weit abgerückt von wirtschaftlichen Realitäten)(durch mittägliches Arbeitsende mit zu viel Freizeit gesegnet) nunmal Querulanten sind.

    Aber was zum Beispiel ver.di da zu suchen hat? Also schonmal nichts, wofür die Mitglieder der Gewerkschaft beigetreten sind. Ich nehme an, die Führer denken, das würde der Gewerkschaft und ihnen persönlich helfen:
    - Man ist wieder mal in den Medien. Vielleicht fällt ein paar Arbeitern ja jetzt ein, doch mal reinzugehen.
    - Man trifft Volkes Sorgen und fängt noch ein paar Schäfchen.
    - Das Volk gewöhnt sich daran, daß Gewerkschaften sich in die Tagespolitik einmischen, statt bei ihren Aufgaben zu bleiben. Dadurch kann man sich in Zukunft einmischen.
    - Man kann sich die "Gute Tat" in seinen Colt ritzen und wird wiedergewählt.

    Ich glaube nicht, daß sie von unbekannten Kräften vor den Karren gespannt wurden.



  • Erhard Henkes schrieb:

    die üblichen Schlägertruppen aus Hamburg und Berlin im Einsatz

    Du redest von unserer Polizei als Schläger? Naja, irgendwo gehört Gewaltausübung schon dazu zu diesem Beruf. Da hilft kein Darumherumreden. Vom Quatschen alleine kommt man gegen das Böse oder gegen Massen nicht an. Wenn die Polizei hier erfahrene und kampferprobte Leute hat, finde ich das sogar gut. Die wissen dann worauf es ankommt und kennen auch die üblichen ernstzunehmenden Gegner, die sich gerne mit ihnen prügeln.

    Nein, die Polizei im allgemeinen sind keine Schläger. Das wollte ich auch nie sagen. Aber die Hundertschaften aus Berlin und Hamburg sind ja mittlerweile berühmt geworden. Die erleben bei den Demonstrationen in Berlin und Hamburg natürlich auch sehr gewaltbereite Demonstranten. Das führt eben zu einer üblichen Gewaltspirale. Ich habe mal von einem ehemaligen Polizisten, der in den 80ern in Berlin war, gehört, dass die teilweise mit schweren Steinen und Kanaldeckeln von Häusern beworfen wurden. Andererseits habe ich von Leuten, die regelmäßig in Berlin demonstrieren waren, gehört, dass die Polizei sich da gerne mal durch den friedlichen Block prügle, um dann scheinbar willkürlich ein paar Leute rauszugreifen (während der schwarze Block angeblich in Ruhe gelassen werde).



  • Andererseits habe ich von Leuten, die regelmäßig in Berlin demonstrieren waren, gehört, dass die Polizei sich da gerne mal durch den friedlichen Block prügle, um dann scheinbar willkürlich ein paar Leute rauszugreifen (während der schwarze Block angeblich in Ruhe gelassen werde).

    OK, also "Prügel-Bullen" reicht dir noch nicht, Du willst sie unbedingt auch noch als "feige Prügel-Bullen" dargestellt wissen. Kein leichter Job als Polizist an der Front. 😉



  • Ich finde, wir haben die beste Polizei der Welt - Blaulichtsumpf hin oder her - vor allem hier in unserem Kreis(im übrigen auch Zonenrandgebiet). Es tut mir in der Seele weh, wenn unsere Polisten von schwachsinnigen Politikern oder von sensationsgeilen Reportern missbraucht werden. Manche Polizisten üben ihren Job voll heldenhaft aus, z.B. wenn sie unter Einsatz ihrer Gesundheit strahlende Castorteile begleiten müssen. Klar, Recht ist immer auch Herrschaftsrecht. Aber die öffentliche Diskussion war schon immer besser/heilsamer als Gewalt. Erpressung, Nötigung, Schreckensherrschaft oder Terror, egal von welcher Seite auch immer, hat langfristig IMMER verloren gegen die öffentliche Diskussion. DARUM fürchten Despoten die öffentliche Diskussion so sehr. Der Satz, jetzt haben wir alles beschlossen, jetzt ziehen wir das auch durch, ist politischer/rethorischer Trick, keine demokratische Grundlage. Aber Kompromissfähigkeit ist eine. Natürlich ist Zeitgewinnerei auch oft nur Trickserei, aber das tut jetzt nichts zur Sache.

    Nun wollen wir Geburtstag der Einheit feiern, und was muss man sehen?
    Diese Schlägereitreffen im Hamburger Schanzenviertel oder in Berlin sind absolut inakzeptabel. Komisch, dass HIER die Bürger NICHT auf die Straße gehen und gegen Gewalt und gegen die politische Duldung bei dieser Scheiße oder der Rechtbeugung demonstrieren:

    (Auszug aus dem Grundgesetz:)
    Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen,
    
    von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das
    Deutsche Volk
    kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.
    
    Artikel 1
    
    (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
    

    (und wem das jetzt zu einfach ist, der mache sich mal bewusst(a,b,c, usw.), was hier alles NICHT an erster Stelle steht)



  • Erhard Henkes schrieb:

    Andererseits habe ich von Leuten, die regelmäßig in Berlin demonstrieren waren, gehört, dass die Polizei sich da gerne mal durch den friedlichen Block prügle, um dann scheinbar willkürlich ein paar Leute rauszugreifen (während der schwarze Block angeblich in Ruhe gelassen werde).

    OK, also "Prügel-Bullen" reicht dir noch nicht, Du willst sie unbedingt auch noch als "feige Prügel-Bullen" dargestellt wissen. Kein leichter Job als Polizist an der Front. 😉

    Nene, selektives Zitieren und dann Aussagen unterstellen ist nicht die feine Art. Wenn man meinen Text im ganzen liest, dann sollte man realisieren, dass ich Polizisten nicht als "Prügel-Bullen" darstelle. Ich habe nur Geschichten aufgezählt, um die Gewaltspirale zu illustrieren, die im Endeffekt dafür sorgt, dass ein paar Berliner Hundertschaften einen gewissen Ruf haben.

    (Du hättest ja auch die Textstelle rausgreifen können, in der ich über die Gewalttaten von Demonstranten berichte und mir unterstellen können, dass ich die Demonstranten als "feigen und gewaltbereiten Mob" darstellen wolle. Das wäre natürlich genauso falsch)



  • rüdiger schrieb:

    Egal ob Schüler, Rentner, Mutter mit Kind, alt-68er, Bauer etc. Ist eben ein Gemeinschaftsgefühl und niemand will weichen.

    Den Eltern wurde ja vorgeworfen, sie hätten ihre Kinder absichtlich nach vorn geschickt. In Wahrheit ist es viel harmloser: Die dachten wirklich, daß die Polizisten ganz liebe Jungs sind und nur "linke Spinner in Berlin" verprügeln, aber doch nicht den anständigen Stuttgarter Bürger und seine Kinder.

    rüdiger schrieb:

    Ich finde es eh lächerlich, dass auf einmal so ein großer Aufstand um das Projekt gemacht wurde. Das ganze wurde seit 20 Jahren geplant und zahlreiche Einsprüche (hab irgend was von 11.000 in Erinnerung. Bin mir jetzt aber nicht mehr sicher) wurden diskutiert und bewertet. Jetzt zu protestieren ist einfach ein paar Jahre zu spät.

    Es gab (im Rahmen der Planfeststellung?) eine Einspruchsphase. Aber glaubst du wirklich, das wäre ergebnisoffen in dem Sinne gewesen, daß es möglich gewesen wäre, das Projekt durch sachliche, fundierte, wie auch immer ausreichende Einsprüche zu stoppen? Ich vermute eher, daß sowas generell eine Alibiaktion ist, damit Bauer Häberle für seinen Kartoffelacker entschädigt wird etc.
    Von daher halte ich diese ganzen Argumente, daß es ja die Möglichkeit gegeben habe, zu protestieren, für scheinheilig. Sondern ich nehme an, daß es niemals eine solche Protestmöglichkeit gegeben hätte, daß das Projekt hätte gestoppt werden können. Dazu gibt es natürlich zwei Ausnahmen:

    1. Das Verwaltungsgericht hat Klagen verworfen, weil Gemeinderatsbeschlüsse das Ziel waren, deren "Einspruchsfrist" natürlich mittlerweile längst verstrichen ist. Das bedeutet aber: Damals hätte jemand den Weitblick besitzen müssen, gegen diesen Unfug zu klagen. Wie realistisch ist das überhaupt? Wenn den Bürgern nicht richtig bewußt ist, wie das alles werden wird, klagen sie natürlich nicht.
    2. Daran angelehnt: Der Planungsstand von damals ist doch längst überholt. Mindestens von den Kosten her wird heute ein deutlich anderes Projekt durchgezogen als damals zur "Abstimmung" stand. Dadurch, daß das alles im Wesentlichen auf Papier stand, aber keine Baumaßnahmen sichtbar waren, haben sich die Bürger also logischerweise nicht darum gekümmert, bis es eben konkret wurde. Höchstens hätte es die Möglichkeit gegeben, einen anderen Gemeinderat zu wählen, der die Beschlüsse dann wieder kippt (so nach dem Muster des Atomausstiegausstiegs). Aber- würden wirklich genug Bürger ihr Wahlverhalten wegen nur eines Programmpunkts derart drastisch ändern? Kann ich mir nicht vorstellen.


  • Mal eine ganz klare Frage:
    Was müsste passieren, um dieses Vorhaben zu stoppen?

    Alles andere ist doch nur sinnloses Geplänkel.



  • Erhard Henkes schrieb:

    Mal eine ganz klare Frage:
    Was müsste passieren, um dieses Vorhaben zu stoppen?

    Alles andere ist doch nur sinnloses Geplänkel.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Volksentscheid



  • Erhard Henkes schrieb:

    Mal eine ganz klare Frage:
    Was müsste passieren, um dieses Vorhaben zu stoppen?

    Verträge brechen ist teuer. So einfach kann das nicht passieren.

    Ich denke mal, der Landtag als Initiator müßte beschließen, zu versuchen, auszusteigen und mit den Partnern Bund, Bahn und Stuttgart die Sache einvernehmlich fallen zu lassen. Damit wäre die Stadt im Zugzwang, und müßte beschließen, auch aussteigen zu wollen. Danach der Bund. Von der Bahn kann man es nicht erwarten, auf so ein riesiges Geschenk zu verzichten, die wird auf Herausgabe der 4,1Mrd gerichtlich vorgehen, die aber dann für was anderes verwendet werden.

    So gesehen, kann auch ein einzelner den Ausstieg erklären.

    Die Polizei könnte feststellen, daß sie nicht diesen Auftrag haben kann, und aufhören dort mehr zu machen als eine leichte Grundsicherung. Vom Innenminister aus oder von der Polizeigewerkschaft aus.

    Und die Bürger könnten versuchen, der Bahn zu schaden. Aber Boykott geht jha praktisch nicht, wenn sich kein Auto leisten kann. Wurfklauen wieder einführen? Ja, wird wohl kommen, müssen, wenn der Terz bis März weitergeht.

    Und das mit dem Volksentscheid, ist das noch im Spiel. Aber dann müßten die Baufirmen auch angewiesen werden, bis dahin nichts zu bauen. Und die Verträge geändert werden und die Fristen für Konventionalstrafen angepaßt werden. Soll heißen, es müssen wieder alle Vertragsparteien einverstanden sein, was ich nicht für möglich halte.



  • Ich finde das Projekt geht grundsätzlich in die richtige Richtung. Jedoch habe ich das Gefühl, dass eine solch grosse Investition nicht ohne die Zustimmung der Bürger passieren sollte - und ein allfällige Abstimmung hätte schon vor vielen Jahren stattfinden müssen. Mit einer klaren Mehrheitsentscheidung hätte man die derzeitigen Probleme nicht. Aber leider gibt es sowas in Deutschland gar nie; dafür wird an der Realität vorbei politisiert und die Bevölkerung wird einmal mehr vor vollendete Tatsachen gestellt.

    Langfristig bin ich zwar überzeugt, dass das Projekt Stuttgart 21 nicht nur der Region an sich, sondern auch regionsübergreifend der Entwicklung dienen wird. Aber so wie das Projekt von der Politik angegangen wird, ist es mehr als ungeschickt. Es wird sowohl Angriffsfläche, als auch Potential angeboten...


  • Administrator

    Finde ich noch einen interessanten Artikel zum Thema:
    http://www.zeit.de/2010/39/Bahnprojekt-Stuttgart-21

    Wenn dies wirklich so stimmt, dann wäre ich auch ziemlich wütend.

    Grüssli


  • Mod

    Erhard Henkes schrieb:

    warum protestieren eigentlich die Gewerkschaften gegen S21?

    Das finde ich ebenfalls merkwürdig und vor allem deplaziert. Kennt jemand den wirklichen Grund warum diese Arbeitnehmerinteressenvertreterobervereine sich da tummeln?

    Die Gewerkschaften tragen noch ihren Geburtsfehler mit sich herum daß sie glauben, es wäre 1880 und Kulturkampf... die deutschen Gewerkschaften agieren grundsätzlich "gegen die da oben", sofern es sich nicht um die SPD als Regierungspartei handelt. Ein relativ blinder Reflex. Manchmal passt es, manchmal nicht. Beim Thema Zeitarbeit vielleicht passend, bei Atomkraft eher weniger. Durch den Weg auf die Straße verstärken sie ihre eigene Gruppendynamik, um das Zusammengehörigkeitsgefühl zu festigen. In der Sache selbst hat es keine wirkliche Bedeutung.



  • Hallo

    Dravere schrieb:

    Finde ich noch einen interessanten Artikel zum Thema:
    http://www.zeit.de/2010/39/Bahnprojekt-Stuttgart-21

    Wenn dies wirklich so stimmt, dann wäre ich auch ziemlich wütend.

    Grüssli

    Interessanter Link. Danke.

    chrische



  • /rant/ schrieb:

    Ich finde das Projekt geht grundsätzlich in die richtige Richtung. Jedoch habe ich das Gefühl, dass eine solch grosse Investition nicht ohne die Zustimmung der Bürger passieren sollte - und ein allfällige Abstimmung hätte schon vor vielen Jahren stattfinden müssen. Mit einer klaren Mehrheitsentscheidung hätte man die derzeitigen Probleme nicht. Aber leider gibt es sowas in Deutschland gar nie; dafür wird an der Realität vorbei politisiert und die Bevölkerung wird einmal mehr vor vollendete Tatsachen gestellt.

    Langfristig bin ich zwar überzeugt, dass das Projekt Stuttgart 21 nicht nur der Region an sich, sondern auch regionsübergreifend der Entwicklung dienen wird. Aber so wie das Projekt von der Politik angegangen wird, ist es mehr als ungeschickt. Es wird sowohl Angriffsfläche, als auch Potential angeboten...

    Wobei gerade S21 etwas ist, wo ein Volksentscheid (gerade nach der Eskalation) nicht so sinnvoll wäre. Solche Projekte sind ja von globaler Bedeutung. Die meisten Bürger entscheiden aber nicht aus verkehrsstrategischen Gründen, sondern weil sie zB längere Bauarbeiten in ihrer Nähe befürchten. Natürlich wollen die Leute immer alles perfekt haben, wenn sie es selbst nutzen wollen. Die Leute wollen, das die Bahn pünktlich ist und einen zuverlässigen Strom- und Wasseranschluss. Aber die wenigsten sind bereit dafür Opfer in Kauf zu nehmen. Seien es nun große Bahnprojekte oder Oberlandleitungen oder Atommülllager oder Windkraftanlagen oder gar Mobilfunkantennen. Natürlich soll alles funktionieren, aber immer auf Kosten der "anderen".

    S21 ist genau so ein Fall, wofür man nach meiner Meinung Volksvertreter wählt. Hier sollten nämlich globale Faktoren berücksichtigt werden.

    (und man sieht es ja, wenn die Leute sich über das Fällen von 282 Bäumen aufregen, wofür im Ausgleich aber 5.000 neue Bäume gepflanzt werden (und zwar richtig große Bäume und keine Setzlinge) und die Parkanlage um 20 Hektar größer wird)


  • Administrator

    rüdiger schrieb:

    Wobei gerade S21 etwas ist, wo ein Volksentscheid (gerade nach der Eskalation) nicht so sinnvoll wäre.

    Nach der Eskalation definitiv nicht mehr. Aber davor wäre es sinnvoll gewesen. Es waren schliesslich nach damaligen Umfragen ein Grossteil dafür. Inzwischen hat sich das Blatt gewendet und dies wahrscheinlich aus mehreren Gründen. Wenn aber damals vor x Jahren die Sache vom Volk bestimmt worden wäre, dann wäre die Chance grösser, dass auch heute noch die Mehrzahl dahinter steht. Schau dir zum Beispiel den Bau der Neat an. Ausgehandelt haben es Volksvertreter. Gegen deren Entscheid wurde ein Referendum ergriffen. Das Volk hat die Idee aber gutgeheissen. Die Kosten sind explodiert und die Leute stehen grundsätzlich immer noch mehrheitlich dahinter. Die Neat ist in das Volk integriert. S21 erscheint mehr als Denkmalbau eines Oberbürgermeisters, dass Volk wurde fast schon systematisch vom Entscheid ausgeschlossen.

    Grüssli



  • Marc++us schrieb:

    ... Man kann aus solchen Konflikten aber auch etwas lernen ...

    Das ist auf zynischer Ebene lustig, daß die Staatsorgane in einem demokratisch legitimierten System viel radikaler gegen das Volk vorgehen als in einer Diktatur, das liegt vermutlich daran, daß jede Diktatur insgeheim weiß, sie im Unrecht ist, während die Demokratien das eigene Rechtsgefühl sehr stark für sich in Anspruch nehmen...

    Da sind wir wieder beim Thema! Wer macht wie demokratische Entscheidungen, für wen, mit welchen Interessen und wessen Geld? Stuttgart21 ist nicht die Hafenstrasse in Hamburg! Ich fürchte, Deutschland unterscheidet sich nicht mehr viel von einer Bananenrepublik. :p


  • Mod

    rüdiger schrieb:

    S21 ist genau so ein Fall, wofür man nach meiner Meinung Volksvertreter wählt. Hier sollten nämlich globale Faktoren berücksichtigt werden.

    Absolut.

    Leider gibt's damit jetzt das Problem, daß man in Deutschland keine Volksvertreter mehr wählt. Man wählt Parteilisten, und man wählt über die Liste abgesicherte Direktkandidaten, die danach in der namenlosen parlamentarischen Masse der Partei untergehen. Selbst wenn auf Bundesebene dann mal was beschlossen wird, was einer bestimmten Region schadet, stimmt der von dort stammende Abgeordnete zu - denn seine Zukunft hängt von einer Frau Merkel oder einem Herrn Ulbricht (oder wie heißt der Typ von der SPD?) ab, nicht von den Wählern in seinem Wahlkreis.

    Die Wähler sind ja nicht dumm und merken das. Vor allem kommen immer mehr Entscheidungen in immer kürzerer Folge, die nicht mehr vermittelbar sind. Nur kann man gegen die Bankenrettung oder Griechenlandbürgschaft schwer demonstrieren, sie ist virtuell, schwer greifbar. S21 hat dafür katalytische Wirkung, denn man kann sich physisch an den Baum ketten, der gefällt werden soll. S21 macht es Otto Normalbürger möglich den Unwillen gegen die Loslösung der Abgeordneten von der demokratischen Auswahl und Legitimation in Taten auszudrücken.

    Vor allem treten hier jetzt erstmalig Leute der Fraktion auf, die zur Gruppe "die werfen unser Geld mit beiden Händen zum Fenster raus" gehören - also die Menge, aus der sich die Masse der Lohn- und Einkommensteuereinnahmen zusammensetzt. Und die eben Nettobeitragszahler sind.

    Das wird noch sehr interessant.



  • Parteilose Demokratien sind nicht stabil, Parteien bilden sich fast immer. Wenn ein Direktkandidat in Passau gewählt wird, dann schauen die meisten Leute auch erstmal auf die Partei, außer sie kennen den Kandidaten. Parteien kommunizieren kurz und prägnant (zumindest grob) die Art und Weise, wie diese Person in Zukunft abstimmen wird. Diese Kommunikation zu eliminieren kann nicht sinnvoll sein.

    Natürlich sind auch Parteien nicht stabil, sie können zersplittern und neue Parteien bilden. Und Koalitionen haben auch Nachteile.

    Marc++us schrieb:

    Leider gibt's damit jetzt das Problem, daß man in Deutschland keine Volksvertreter mehr wählt.

    Wann war das denn so?


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