Megatonnen-Explosionen in Kernreaktoren möglich?


  • Mod

    @earli: und der Zusammenhang mit Tschernobyl?



  • Marc++us schrieb:

    @earli: und der Zusammenhang mit Tschernobyl?

    Tschernobyl hat mit diesen Anlagen - zum Beispiel Windscale - gemein, dass es sich um Uran moderiert durch Graphit handelt.


  • Mod

    Das wird wohl (wie immer) so ein Fall sein, wo wissenschaftliche Ergebnisse übertrieben werden, weil Wissenschaftler ungern Dinge definitv ausschließen. Da wurde vermutlich eine Studie in Auftrag gegeben "Können unsere Kernreaktoren bei einer Kernschmelze explodieren?" und dann hat man das durchgerechnet. Und dabei kam heraus, dass es eigentlich nicht möglich ist. Und dann warf irgendjemand ein, dass wenn sich das Uran zufällig in seine Isotope trennt (Chance 1:Googol) und dann auch noch eine Kugelform bildet (Chance 1:10^1000) und auch noch genau die richtige Menge Wasser als Moderator beteiligt ist und dieses Wasser zufällig auch noch isotopenreines schweres Wasser ist (Chance 1:googolplex), dann kann eine Megatonnenexplosion stattfinden. Und dann haben sie in der Studie geschrieben: Normalerweise nein, aber wir können es nicht ausschließen. Und der Rest ist dann Wissenschaftsjournalismus durch die Gorbatschovinformanten.


  • Mod

    Ich habe mir den Text auch noch einmal genau angehört, der Mann sagt zwei Dinge:

    1. das 320 km entfernte Minsk wäre ausgelöscht worden
    2. Europa teilweise unbewohnbar

    zu 1)

    Die Tsar-Bombe hat einen unmittelbaren Wirkkreis der totalen Zerstörung von 35km (bei 50MT). Man darf immerhin nicht vergessen, daß bis in den 60er Jahren in Algerien(!) Wasserstoffbomben gezündet wurden, auch im MT-Bereich. Algerien steht noch. 320km bekommt man nicht hin im Sinne von "ausgelöscht". Natürlich mit Fallout, Strahlung, Lichtblitz - alles ok. Aber nicht ausgelöscht.

    zu 2)

    Siehe Algerien - die dort gezündeten Wasserstoffbomben waren zahlreich, und in Bezug auf die Entfernung vergleichbar mit Tschernobyl. Trotzdem steht Europa noch.

    Ich würde daher bei dieser Sachlage folgern, daß die Leute eher von einer Art "schmutzigen Bombe" sprechen, wo vielleicht eine kleine (1-3 kT) Nuklearexplosion erzeugt werden könnte, die aber durch die Explosion hochradioaktives Material (und zwar unverbrauchtes) in die Umwelt "schleudern" könnte. Und dies führt dann zur entsprechenden Auswirkung (anders als beim Fallout, wo immerhin "nur" Zerfallsprodukte abgelagert werden).



  • Und zur Fusion: Und wenn die Neutronen den Wasserstoff im Wasser anreichern sollten. Um eine Fusion zu starten fehlt ja immernoch die Hitze und der Druck. Und diese beiden Faktoren konnten ohne eine vorhergehende Kernexplosion gar ncht erreicht werden.

    In einer Kernwaffe sind die beiden Massen auch getrennt und bilden erst bei der Zündung die kritische Masse. Ich weiss jetzt nicht, ob eine flüssige, kritische Masse unter genügent hoher Temperatur auch so explodieren kann.


  • Mod

    Der Gegendruck fehlt meines Erachtens. Sobald räumlich irgendwas explodiert, treibt diese Energie die Nachbarteilchen qua Druckwelle von sich weg. Ohne harten Gegendruck von Außen gibt's nur so eine Art Verpuffung. Der Trick bei den Fusionswaffen ist ja, daß man beim Aufbau der Grundexplosion so lange einen Gegendruck aufbaut, bis wirklich alle Teilchen in den Prozess einbezogen werden, um eine maximale Wirkung zu erzielen.



  • Jochen S. schrieb:

    Erhard Henkes schrieb:

    Acht Kilogramm Plutonium reichen für den Bau einer Atombombe.

    In Tschernobyl war aber kein Plutonium vorhanden.

    Doch, denn RBMK Reaktor der in Tschernobyl verwendet wurde ist nichts anderes als ein für die Stromproduktion hochskalierter Militärischer Reaktor der zum Erbüten von Plutonium dient.

    Das man jeden Brennstab einzeln austauschen konte, war ein wichtiges Merkmal dieses Reaktortyps, so konnte man möglichst schnell Plutonium gewinnen.

    Man muß also davon ausgehen, daß genug Plutonium im Reaktor vorhanden war.

    Nichtsdestotrotz dürfte das Plutonium dennoch räumlich getrennt sein, weswegen eine spontane Spaltung und Bildung einer kritischen Masse eher unwahrscheinlich sein dürfte.



  • Marc++us schrieb:

    Der Gegendruck fehlt meines Erachtens. Sobald räumlich irgendwas explodiert, treibt diese Energie die Nachbarteilchen qua Druckwelle von sich weg. Ohne harten Gegendruck von Außen gibt's nur so eine Art Verpuffung. Der Trick bei den Fusionswaffen ist ja, daß man beim Aufbau der Grundexplosion so lange einen Gegendruck aufbaut, bis wirklich alle Teilchen in den Prozess einbezogen werden, um eine maximale Wirkung zu erzielen.

    HÄÄ???
    Nee, das Zeug ist so träge (im Sinne von f=m*a), daß es sich selbst am Wegfliegen viel besser hindert. Das ist kein Schwarzpulver.



  • volkard schrieb:

    Marc++us schrieb:

    Der Gegendruck fehlt meines Erachtens. Sobald räumlich irgendwas explodiert, treibt diese Energie die Nachbarteilchen qua Druckwelle von sich weg. Ohne harten Gegendruck von Außen gibt's nur so eine Art Verpuffung. Der Trick bei den Fusionswaffen ist ja, daß man beim Aufbau der Grundexplosion so lange einen Gegendruck aufbaut, bis wirklich alle Teilchen in den Prozess einbezogen werden, um eine maximale Wirkung zu erzielen.

    HÄÄ???
    Nee, das Zeug ist so träge (im Sinne von f=m*a), daß es sich selbst am Wegfliegen viel besser hindert. Das ist kein Schwarzpulver.

    Nö, das ist tatsächlich so. Bei Atombomben reagiert nur Bruchteil des spaltbaren Materials, der Rest verteilt sich mit dem Fallout. Bei Fat Man wurden nur etwa 20% des Plutoniums gespalten (Quelle: Wikipedia Fat Man, Abschnitt "Aufbau")



  • DocShoe schrieb:

    volkard schrieb:

    Marc++us schrieb:

    Der Gegendruck fehlt meines Erachtens. Sobald räumlich irgendwas explodiert, treibt diese Energie die Nachbarteilchen qua Druckwelle von sich weg. Ohne harten Gegendruck von Außen gibt's nur so eine Art Verpuffung. Der Trick bei den Fusionswaffen ist ja, daß man beim Aufbau der Grundexplosion so lange einen Gegendruck aufbaut, bis wirklich alle Teilchen in den Prozess einbezogen werden, um eine maximale Wirkung zu erzielen.

    HÄÄ???
    Nee, das Zeug ist so träge (im Sinne von f=m*a), daß es sich selbst am Wegfliegen viel besser hindert. Das ist kein Schwarzpulver.

    Nö, das ist tatsächlich so. Bei Atombomben reagiert nur Bruchteil des spaltbaren Materials, der Rest verteilt sich mit dem Fallout. Bei Fat Man wurden nur etwa 20% des Plutoniums gespalten (Quelle: Wikipedia Fat Man, Abschnitt "Aufbau")

    Der Link sagt gar nichts über diese These aus.
    WAS meinst Du, ist geeignet, eine Atombombe einzusperren, daß sie langsamer explodiert?



  • Es geht doch nicht darum, sie vollständig einzusperren, sondern das Spaltmaterial möglichst lange daran zu hindern, auseinanderzufliegen. Eine Stahlummantelung kann, im Vergleich zu z.B. Luft, das Ausbreiten um einige Mikro- oder Millisekunden verhindern, was für den Spaltprozess bedeutet, dass er einen Tick länger läuft, bevor die kritische Masse unterschritten wird er ganz zum Erliegen kommt.



  • DocShoe schrieb:

    Es geht doch nicht darum, sie vollständig einzusperren, sondern das Spaltmaterial möglichst lange daran zu hindern, auseinanderzufliegen. Eine Stahlummantelung kann, im Vergleich zu z.B. Luft, das Ausbreiten um einige Mikro- oder Millisekunden verhindern, was für den Spaltprozess bedeutet, dass er einen Tick länger läuft, bevor die kritische Masse unterschritten wird er ganz zum Erliegen kommt.

    Uran mit 19kg/l würde den Stahl mit nur 8kg/l erstmal auslachen.
    Klingt mir trotzdem nach klassischer Überlegung, die einfach nicht zum tragen kommt, weil die Explosion viel zu schnell kommt.



  • Eine Sekundärexplosion lässt sich wie folgt erklären:

    - tausende Tonnen von geschmolzen Material Tropfen in Löschwasser und vergrößern den Spalt bis die gesammte Masse durch den Boden bricht.
    - Durch Implosionen tritt ein Verdichtungseffekt ein.
    - Die Sicherheitsbeimengungen (Mischung) der Reaktorstäbe reichen dann nicht mehr aus und es entsteht eine kritische Masse, die unter Normalbedingungen nicht explodiert wäre.
    - Ein Explosion im Megatonnenbereich würde entstehen durch die abertonnen Kernmaterials. (Ein einfacher Gefechtskopf hat bis zu 50 Kg Pu).

    http://de.wikipedia.org/wiki/Implosion
    http://en.wikipedia.org/wiki/Nuclear_fuel
    http://de.wikipedia.org/wiki/Kritische_Masse



  • Fragt sich nur noch wie die nötige Konzentration des Spaltmaterials zustande kommt 🙄



  • Tim schrieb:

    Fragt sich nur noch wie die nötige Konzentration des Spaltmaterials zustande kommt 🙄

    Auch eine Überlegung ob eine Anreicherung durch thermodynamische Effekte stattfinden kann, wie in der Zonenschmelze:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Zonenschmelzverfahren

    Ob die Moderatoren bei einer Implosion noch ausreichen ist die Frage:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Moderator_(Physik)


  • Mod

    Prof84 schrieb:

    Auch eine Überlegung ob eine Anreicherung durch thermodynamische Effekte stattfinden kann, wie in der Zonenschmelze:

    Vergiss' es.

    Das ist mit Atomosphäre, Druckkontrolle, Reinheit - ehrlich, das ist schon für Solar-Silizium schwierig im Dauerbetrieb. Zufällig klappt das nicht.



  • Marc++us schrieb:

    Prof84 schrieb:

    Auch eine Überlegung ob eine Anreicherung durch thermodynamische Effekte stattfinden kann, wie in der Zonenschmelze:

    Vergiss' es.

    Das ist mit Atomosphäre, Druckkontrolle, Reinheit - ehrlich, das ist schon für Solar-Silizium schwierig im Dauerbetrieb. Zufällig klappt das nicht.

    Ja, das kannst Du nicht vergleichen. Hier handelt es sich um kein Reinigungsprinzip in dem Du Glas oder Silizium um die wenige ppm Restspuren befreist, sondern Schmelzeffekte die entstehen, weil das Spaltmaterial die direkte Umgebung schmilzt und durch einfache Gravitation nach unten wandert. Einfach durch die unterschiedliche Viskosität http://de.wikipedia.org/wiki/Viskosität
    In der Geologie (Vulkanologie, Mineralogie) ist das ein ganz normaler Vorgang. Stellt sich nur die Frage ob das bei einer Kernschmelze geschehen kann und wie lange das dauern würde.



  • Ich möchte mein Glück versuchen, die Megatonnen-Explosion des Reaktors wie folgt zu erklären:
    Der Reaktor in Tschernobyl enthält baubedingt viel Graphit und Graphit ist einfach "nur" Kohlenstoff. Da es eine Explosion gab, hat sich das Ganze entzündet. Man kann sich vorstellen, dass sich die oberen Teil von Graphit entzündet und gebrannt haben, wegen Sauerstoff. Die unteren Teile waren sehr heiß und haben sich schön mit der radioaktiven Masse vermischt und weil es unten wenig oder gar keinen Sauerstoff gab, aber die Temperaturen sehr hoch, stelle ich mir vor, dass sich viele Carbide gebildet haben. Carbide sind laut Wikipedia eine Stoffgruppe binärer chemischer Verbindungen aus einem Element E und Kohlenstoff C mit der allgemeinen Formel ExCy ( http://de.wikipedia.org/wiki/Carbide ). Manche Carbide können mit Wasser reagieren und dabei entstehen Kohlenwasserstoffe, z.B. Ethin C2H2 ( http://de.wikipedia.org/wiki/Ethin , siehe "Sicherheitstechnische Kenngrößen"). Laut Wikipedia hat Ethin eine unagenehme Eigenschaft eines detonativen Selbstzerfalls... Es gibt dort noch eine Warnung: Ethin darf nicht mit kupferhaltigen Materialien in Berührung kommen, da sich ansonsten das hochexplosive Kupferacetylid bilden kann. Ähnliches gilt für Silber. Die Betonung ist auf hochexplosiv. Eine hochexplosive Mischung mit Uran und Plutonium darin, die in einem stabilen Raum untergebracht ist, in dem im Fall einer Detonation der Kohlenwasserstoffe genug Druck und eine kritische Masse aus Uran und Plutonium entstehen kann...



  • Da mach ich mir über Protonenzerfall mehr Sorgen 🤡


  • Mod

    Ok, ein Weg. Allerdings, wenn Du das im "Vorwärtsgang" in einem Reaktor gezielt machen müßtest, dann hättest Du vermutlich oft ganz schön geflucht, weil der Prozess so instabil ist.

    Auf alle Fälle sind neue Gesichtspunkte enthalten.

    Wie bei den anderen Erklärungsansätzen sehe ich noch das Problem, daß das sicherlich punktuell passieren kann - als lokalisierter Effekt. Aber wir brauchen einen Prozess, der sich auch mal über einige Kubikmeter Raum erstreckt und "richtig viel" Material "zum richtigen Zeitpunkt" beeinflusst.

    Hat jemand außer dem Filmbeitrag noch andere Quellen dazu gefunden?


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