Hungerlohn trotz Vollzeitarbeit


  • Mod

    Schneewittchen schrieb:

    Es muss immer geputzt werden. Man braucht immer Nachtwächter. Hausmeisterliche Tätigkeiten müssen erledigt werden. Und die Regale im Supermarkt räumen sich auch nicht von alleine ein. Und sofern man nicht wie ein Ötzi aussehen will, wird man zum Friseur gehen.

    Hm, das mit dem Putzen ist so eine Sache, vermutlich jeder Berufstätige hier kennt das, daß die Firmen seit 2008 die Reinigungsintervalle und Papierkorbleerungen auf ein Minimum reduziert haben... früher kam der Papierkorb alle 2 Tage weg, jetzt einmal pro Woche.

    Aber abgesehen vom "man muß" - ein Problem niedriger Löhne ist einfach auch, daß es Tätigkeiten gibt, die einen geringen Wert haben, weil sie eine geringe Eintrittsbarriere haben. Es kann eben fast jeder Putzmann/-frau werden. Nicht mal Sprachkenntnisse sind erforderlich. Du, ich, wir können nächsten Montag anfangen. Uns tut in den ersten 4 Wochen alles weh, danach geht's auch mit dem Körper. Umgekehrt ist das eben nicht so einfach. Weil es jeder kann, gibt es eben ein Überangebot an diesen Arbeitskräften, und deswegen wird auch wenig bezahlt. Wenn man einen Mindestlohn einführt und dadurch die Kosten über den inneren akzeptierten Wert steigen, wird man das umgehen: durch Vermeidung (Arbeitsstellen fallen weg) oder Umgehung (man legt das um auf die vorhandenen Angestellten) oder sonstige Tricks.

    Friseure scheinen mir noch mal ein ganz spezielles Problem zu sein, offensichtlich ist dieser Beruf in bestimmten Schichten nach wie vor ein Traumberuf, er hat bißchen höhere Einstiegsbarrieren (Lehre), allerdings arbeiten viele da übrigens gar nicht als gelernte Friseure, sondern nur als Friseurhelfer(!) ohne Ausbildung.



  • Erstmal: Nur weil eine Arbeit von vielen Menschen verübt werden könnte heißt dass nicht dass man von dieser Arbeit nicht so bezahlt werden sollte, dass man davon leben kann.

    Marc++us schrieb:

    Wenn man einen Mindestlohn einführt und dadurch die Kosten über den inneren akzeptierten Wert steigen, wird man das umgehen: durch Vermeidung (Arbeitsstellen fallen weg) oder Umgehung (man legt das um auf die vorhandenen Angestellten) oder sonstige Tricks.

    Wenn man für die Arbeit keinen fairen Lohn bezahlen möchte soll man es eben lassen und diese selbst erledigen oder wie du vorschlägst von den vorhandenen Angestellten. Nur ist das sehr wahrscheinlich noch wesentlich teurer als der Reinigungskraft einfach einen anständigen Lohn zu bezahlen. Den schließlich verdienen diese Angestellten auch den Mindestlohn 😃



  • @Marc++us: Du hast gerade selber gemeint, dass die Ausgaben für Gebäudereinigung auf das Minimum reduziert wurden. Was würde da ein Mindestlohn noch verändern? Also in der Mathematik ist das Minimum einer Menge definiert als ein Punkt, der noch in der Menge liegt. Alles drunter wäre ausserhalb der Menge und da hätte man doch schon ein Problem. Du kannst natürlich versuchen die Papiereimer nur einmal im Monat zu leeren, aber das würde neue Probleme mit sich ziehen und evtl. weitere Kosten.

    ---

    Ein anderes Problem ist: Ohne Mindestlohn werden diejenigen Arbeitgeber, die ihren Geringqualifizierten Arbeitnehmern viel zu wenig zahlen, besser gestellt. Sie werden in dem Sinne besser gestellt, weil sie geringere Lohnkosten haben im Vergleich zu einem Konkurrenten der vllt mit dem Lohnniveau in etwa im Bereich des Mindestlohns liegt.

    Nun müssen Arbeitgeber, die ihren Putzfrauen faire Löhne zahlen, über steuerliche Abgaben noch die Lohnkosten ihrer Konkurrenz mitfinanzieren? Was ist das denn bitte für ein Leistungsgedanke?

    Zusammengefasst: Wenn du als Arbeitgeber deinen Putzfrauen 10 Euro die Stunde zahlst, dann bist du der Dumme, weil deine Konkurrenz wettbewerbsfähiger ist mit ihren 5 Euro die Stunde und dann finanzierst du deine Konkurrenz noch mit.

    Irgendwie erinnert mich das an ... ja genau an das Finanzwesen:
    Gewinne werden privatisiert und Verluste (also Lohnkosten) auf die Allgemeinheit verteilt.



  • @Marc++us:
    Meine Schwester ist Frisösenmeisterin hat drei Angestellte und ein Lehrling. Aber trotzdem reicht es nicht um eine private Altersvorsorge aufzubauen. Also macht es ihr großer Bruder. - Einer der Hauptgründe warum mein Frisör regelmässig 11 € Tringgeld bekommt. Dafür hält er auch länger auf wenn ich immer ohne Termin vorbei komme.

    Bis heute gelten Jobs bei der Mühlabführ zu den Topjobs im öffentlichen Sektor. - bis 3000 € brutto.

    Die FIRMA für die Gartenpflege erhält von mir 43 €/h und ich gehe davon aus, das die Mitarbeiter; die er mir schickt < 10 € bekommen.

    Meine Putzfrau bekommt 15 €/h zzgl. Sozialzahlungen - Weihnachten, Urlaub, Konformation des Kindes etc. Aber ich kann mir das leisten, weil ich 80€+/h verdiene. Mir Zeit und Stress zu sparen, ist für alle ein Gewinn. Also lieber eine zuverlässige, tüchtige, gründliche und schließlich teure Haushaltshilfe, als wenn ich ständig dabei stehen muss, ob die auch arbeitet oder nichts klaut.

    Wenn ein Mittelstandsangehöriger selber 3500 € brutto verdient (45000-50000 €/a) und soll 15.000 €/a für eine Haushalthilfe zahlen von ca. 35.000 € netto. Das funktioniert nicht.

    ➡ Der Wert der Arbeit wir bestimmt durch den Gewinn für den Arbeitgeber und nicht nach der Ausbildungsqualität.



  • ich wüsst ja gern, was du für deine +80€/h brutto? leistest... würd mich ja schwer wundern, wenn du das auch wert bist 🙄


  • Mod

    80+ EUR/h ist für einen Selbständigen als Stundensatz noch völlig normal und nicht außerordentlich ungewöhnlich.

    Schon mal bei GULP nachgesehen?

    http://www.gulp.de/kb/tools/money.html

    Such mal nach "SAP" und "Projektleiter".



  • Hi,

    wenn ich bedenke, dass mittlerweile selbst eine Nicht-Marken-Autowerkstatt 70 Euro die Stunde nimmt sind 80 Euro für einen Selbständigen der mehr als nur Baugruppen tauschen macht (mehr könnern Autowerkstätten heute nicht mehr) eigentlich recht genügsam. 😉

    Sicher, mit jeder Lohnerhöhung geraten auch Jobs in Gefahr, aber meist die, die auch vorher nicht unbedingt nötig waren. Wer für seinen Chef nötig ist, der hat auch danach noch seinen Job. Es ist doch nicht so, dass einen der Chef bezahlt, sondern der gibt doch die Lohnkosten (mit einem "kleinen" Eigengewinnaufschlag) direkt an die Kunden weiter. Wenn es ein Tariflohn ist, den er nur zahlen muss, weil er tariflich gebunden ist, dann sind die Mehrkosten wirklich Jobgefährlich, denn es gibt mittlerweile immer mehr nicht tarifgebundene firmen, die diese Kosten nicht haben und ihn mit billigeren Angeboten vom markt drängen können.

    Aber bei einem allgemeinen Mindestlohn können andere einen eben nicht unterbieten. Den müssen ALLE zahlen, ob sie wollen oder nicht (sonst sind sie kriminell). Und die Begründung mit dem Ausland, nicht jede Arbeit lässt sich ins Ausland verlagern. Im produzierenden Bereich, wo das geht, da werden auch so schon deutlich über dem Mindestlohn liegende Löhne gezahlt. Die ganzen Hungerlöhne liegen doch im Dienstleistungsgewerbe. aber da ist eben nicht alles verlagerbar.

    Auch wenn in Nepal die Löhne noch so niedrig sind, unsere Betriebe und Einrichtungen müssen vom Wachschutz hier vor Ort bewacht werden. Und auch die Fenster können nicht in Kirgiesistan geputzt werden. Und nur um ein paar Euro zu sparen werde ich mich auch nicht skalpieren lassen, um meine Haare 3 Wochen später wieder bestens frisiert aus Samoa wieder zu bekommen. Und ob sich jeder Kranke in ein Krankenhaus in Albanien begeben möchte, nur weil dort die Schwestern und Ärzte biliger sind, da habe ich auch so meine Zweifel.

    Der "Grundbedarf für den Erhalt der Art" ist nun mal pro Elternpaar zwei Kinder, und das muss vom Lohn beider vollzeitarbeitenden Eltern ordentlich ernährt werden können. Was anderes ist es bei Kinderreichen, da hat der Arbeitgeber nichts davon, also warum sollte er das sicherstellen. Aber die Gesellschaft hat was davon, nämlich Kinder und somit zukpünftige Arbeitskräfte, also muss sie den Ausgleich schaffen.

    Was aber nicht ausschließt, dass wir uns alle ein wnerig von unserer Geiz-ist-geil-Mentalität verabschieden müssen. Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass wir für ALLES in Zukunft wieder kostendeckende Preise zahlen müssen. Die Ärmeren werden durch den Mindestlohn ein wenig mehr in der Tasche haben, so dass sie es sich auch leisten können, und bei allen anderen wird vielleicht am Ende ein bisschen weniger übrig bleiben. Aber jeder wird wieder jedem in die Augen sehen können.

    Gruß Mümmel



  • King George schrieb:

    ich wüsst ja gern, was du für deine +80€/h brutto? leistest... würd mich ja schwer wundern, wenn du das auch wert bist 🙄

    Nein, wert bin ich auch 500 €/h. 😉

    Jeder meiner Geschäftspartner auf der Welt weiß unter 80 €/h brauch er bei mir gar nicht anrufen. Ergo: Die kommen sie immer nur dann zu mir, wenn die Besten der Besten gesucht werden. - Wenn schon Duzende von Kandidaten mit der Rückhand abgeschmettert wurden und es dick geknallt hat, oder es mal wieder um Millarden geht, dann holen sie erst die dicke Geldbörse heraus und kommen zu mir. Vorher nicht. Mein bisher realisierter Höhstsatz war 235 €/h plus Märchen.

    @Marc++us:
    Da darfst Du nicht nach gehen. 80+ €/h plus Märchen auszuschreiben und nach Verhandlung wirklich 80+ € zu realisieren sind zwei Paar Stiefel. Man wär blöd, wenn man die Sätze niedriger ausschreibt, wohl wissend das danach noch eine Verhandlungsrunde kommt - die bei mir überigs überhaupt nicht existiert.

    Dann kommt immer noch die Marge der Geschäftspartner oben drauf, die den Satz im EK bis auf 90-150 €/h aufbläht - was einen Jahresgehalt von ca. 90-150K € entspricht in Festanstellung. - Mit dem Satz sind "normale Managerpositionen" bestimmter Branchen schon gleich tabu - Automobile & Automotive, Luft & Raufahrt, Öffentlicher Dienst, Fertigung etc. Kommst Du nicht mehr durch den Einkauf. Ich schätze das <10% der Leute die 80 €+ auschreiben auch wirklich 80€+ bekommen.

    Und SAP Consultants waren von je her überbezahlt. 😉

    Das war jetzt das absolute Pandon zu "Hungerlohn trotz Vollzeit"! 🤡



  • Ich bin für Grundeinkommen. Wäre auch dafür, wenn die FDP Freaks und der wirklich gute Rethoriker(aber offensichtlich miserable, und verantwortungslose Geschäftsführer) Lindner vehement dafür eintreten, denn dahinter steckt ein freiheitliches, demokratisches, wirtschaftlich effizentes und vor allem zukunftsweisendes Prinzip.
    Welche Partei soll das sonst vorantreiben, wenn nicht die FDP?

    (habe übrigens meine Friseure schon lange gegen eine kleine Maschine ersetzt)
    (und bin außerdem für Mindestbildung in wirtschaftlichen und geldflußmäßigen Zusammenhängen)



  • +80€/h brutto

    Bei dem Mickerlohn hast du Angst, dass man bei dir was klaut. 😃 😉



  • nachtfeuer schrieb:

    [...] der wirklich gute Rethoriker(aber offensichtlich miserable, und verantwortungslose Geschäftsführer) Lindner [...]

    👍



  • Prof84 schrieb:

    Jeder meiner Geschäftspartner auf der Welt weiß unter 80 €/h brauch er bei mir gar nicht anrufen. Ergo: Die kommen sie immer nur dann zu mir, wenn die Besten der Besten gesucht werden. - Wenn schon Duzende von Kandidaten mit der Rückhand abgeschmettert wurden und es dick geknallt hat, oder es mal wieder um Millarden geht, dann holen sie erst die dicke Geldbörse heraus und kommen zu mir. Vorher nicht. Mein bisher realisierter Höhstsatz war 235 €/h plus Märchen.

    235 €/h für jemand, der Millarden-Projekte rettet, die anscheinend kein anderer sonst hin bekommt, scheint mir relativ wenig zu sein. Fahrenschon soll eine Million pro Jahr bekommen, dafür das er zur Sparkasse geht. Da müsstest du viele Überstunden machen um das zu bekommen. Ist der soviel besser als du?



  • Erhard Henkes schrieb:

    +80€/h brutto

    Bei dem Mickerlohn hast du Angst, dass man bei dir was klaut. 😃 😉

    Genau Erhard ist unser Großkapitalist hier.
    Deshalb versteckt er sich immer unter dem Bett wenn die Börse bebt.
    Er hat viel zu verlieren. 😃

    MrBurns schrieb:

    235 €/h für jemand, der Millarden-Projekte rettet, die anscheinend kein anderer sonst hin bekommt, scheint mir relativ wenig zu sein. Fahrenschon soll eine Million pro Jahr bekommen, dafür das er zur Sparkasse geht. Da müsstest du viele Überstunden machen um das zu bekommen. Ist der soviel besser als du?

    Weil ja auch nicht nach Leistung bezahlt wird.

    Das Problem ist, dass nicht McKinsey bin, aber deren Refenzen habe. 75% aller potenziellen Kunden bekommen Komplexe wenn mein CV lesen. - 'zu gut', 'hat in zu großen Projekten gearbeitet', 'völlig überqualifiziert', 'zu dominant', 'zu wenig hands-on' oder wie immer sie es sich sonst verkaufen wollen. 20% bin ich ihnen zu teuer. Dann bleibt nicht mehr viel über. - Wie ihr ja auch wisst, bin ich auch nicht besonders dummenkompatibel ...

    Sollte sich jeder SW-Entwickler merken, wenn Du einmal in bestimmten Ligen gespielt hast, gibt es kein zurück mehr. Und auf dem Olymp ist es einsam. Heutzutage sowieso. 😃



  • Zurück Ontopic, aber mit Übergang:

    Mir fiel noch eine andere Sache ein: In Großunternehmen wie Siemens oder Daimler werden die Gewinnmargen und Betriebskosten rein in den Mitarbeiterstunden faktoriert. Der liegt bei beiden Unternehmen etwa im Schnitt bei 85€/h im R&D Bereich. In High-Tech-Unternehmen (KMU) liegt der bei 120€/h. D.h. Willst Du ein Gehalt haben, das einen höheren fakturierten Satz fordert, müssen deine Mitarbeiter weniger verdienen. Und deren Mitarbeiter noch weniger, dass der fakturierte Satz im Mittel getroffen wird. Für Details wenden Sie bitte an den nächsten Vorstand ihres Vertrauens.

    Deshalb finde ich es immer witzig, wenn Leute wie Bill Gates sich als Philantrop versuchen, weil je spitzer und breiter die Pyramide ist desto mehr Menschen werden in Hunger, Unwissenheit und Armut gedrückt. Die Pyramide besteht ja nicht nur innerhalb einer Firma, sondern durch die gesamte Versorgungskette der Gesellschaft.

    Eine Linie zu ziehen, bis hierher und nicht weiter, wie wir es in der sozialen Marktwirtschaft haben, ist richtig. Das bedeutet aber auch sich zu fragen, wieviel ist genug. Wenn Du 1-2 Millionen auf dein Konto hast, hast Du ausgesorgt. -

    Bedingungsloses Grundeinkommen 1000 €/m, 76 Jahre Lebenserwartung - 912.000 €.
    82 Millionen Bevölkerung, 74,7 Bill €
    BIP 2010 2.477 €/a * 76* 0.8% Wachstum /1.6% Inflation = 186.8 Bill € . Reicht?! - Müsste eigentlich eine geometrische Reihe sein, ich weiß. - Aber 76 Jahre Hellsehen ist auch Quatsch.

    http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pk/2011/BIP2010/Pressebroschuere__BIP2010,property=file.pdf
    http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/4/45/GDP_PPP1.pdf/page1-1280px-GDP_PPP1.pdf.jpg

    Und das Antriebsproblem ist auch nicht geklärt.


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