Bezüglich Kernenergie @ NadrW
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"Damit wäre dies der bedeutenste Zwischenfall, direkt nach Tschernobyl".
So hies es *ungefähr* gestern in den Nachrichten.Aber war man 1970 in Greifswald der Kernschmelze nicht viel näher?
Da vielen immerhin 5 von 6 Pumpen aus und Fakt ist, der Kern *konnte* mit dieser einen nicht mehr richtig gekühlt werden.mfg!
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Ich sehe hier keine wirklich Ausschlachtung. Im Gegenteil. Bekomme immer wieder zu hören, dass doch sowieso alles kein Problem sei, weil es sich doch hier um wassermoderierte Anlagen mit entsprechenden, negativen Reaktivitätsrückwirkungen im Falle des Falles handelt. Gleichzeitig wird von Betreiberseite natürlich öffentlichkeitswirksam bestritten, dass ähnliche Situationen hier auftreten können.
Und genau dort liegt die Fehlannahme (bzw. bewußte Fehlinformation). Zwar haben wassermoderierte KKWs einen negativen Void Effekt, d.h. bei einem erhöhten Dampfblasenanteil nimmt natürlich die Moderationsfähigkeit des Wasser ab. Allerdings muß die Nachzerfallswärme dennoch abgeführt werden. Gerade bei den hohen Leistungsdichten der heute aktuellsten KKWs (wäre z.B. in Deutschland die Konvoi Linie) ist das ein nicht zu unterschätzendes Problem. Harrisburg hat eindrucksvoll bewiesen, dass auch ein Leichtwasserreaktor in eine katastrophale Situation hineinschliddern kann (wobei das Problem hier anders als jetzt in Schweden gelagert war). Leider wird genau die TMI Havarie immer wieder ins Feld geführt, wenn es um die Überlegenheit des westlichen Designs geht. Tatsächlich ist es eine Chronik des Scheiterns und nur mit viel Glück konnte eine Havarie von der Größenordnung des 4ten Blocks in Tschernobyl verhindert werden.Es ist eine Ironie des Schicksaals, dass gerade der in Tschernobyl eingesetzte RBMK (insbesondere nach den Modifikationen) aus einem stabilen Betriebsregime heraus (vor allem in seiner 2ten und 3ten Generation, d.h. mit partitiellem Sicherheitseinschluß und erweitertem Notkühlsystem) am Gutmütigsten bei Problemen mit der Kühlmittelversorgung reagiert. Dafür sorgt insbesondere die wesentlich geringere Leistungsdichte (der Kern hat *deutlich* größere Abmessungen, als bei einem Leichtwasserreaktor). Ein großer Vorteil z.B. bei einem Totalausfall der Spannungsversorgung, also einer Situation wie jetzt in Schweden. Das soll den RBMK nicht schönreden. Aber die immer wieder von den Medien hervorgehobene extreme Sicherheit unserer Anlagen ist nun definitiv auch nicht richtig. Und da kann ich nicht erkennen, dass die Panne in Schweden da jetzt auch in der Presse wirklich zu einer anderen Meinung geführt hat.
Gerade den neuen EPR halte ich vor dem Hintergrund für absolut problematisch, die nachträglich um fast 100% erhöhte Leistung (um die Wirtschaftlichkeit wenigstens etwas anzuheben) birgt wiederum die Notwendigkeit, voll auf aktive Sicherheit zu setzen. Das russische WWER 640 Konzept ist in Sachen Sicherheit (für viele wohl erstaunlich, weil in Sachen Osteuropa von entsprechenden Stellen gerne Ängste geschürt werden, um bloß nicht mal über die Anlagen im eigenen Land nachdenken zu müssen) da eindeutig überlegen. Und selbst der MKER-800 als RBMK Nachfolger schneidet bezgl. der Sicherheit nicht gar so schlecht ab - gerade bei Störungen in der Kühlmittelversorgung. Die grundsätzlichen Risiken einer solchen Sicherheitskultur sind uns nun wieder vor Augen geführt worden. Soll keine Panikmache sein, aber man muß sich vor Augen halten, dass dann schnell Situationen auftreten, die völlig jenseits aller Kontrolle liegen. Ein Containment bietet in so einem Fall keinen Schutz.
Klarmachen sollte man sich auch, dass nach dem 1994 novellierten Atomgesetz (also von der Kohl Regierung auf den Weg gebracht) kein einziges KKW in Deutschland genehmigungsfähig wäre, da inhärente Sicherheit gefordert ist. Die konnte nun selbst der (T)HTR nicht bieten - und die hochgezüchteten Convoi Anlagen schon gar nicht.Und genau an dem Punkt wird natürlich jegliche Diskussion arg erschwert. Weil man eben immer in die eine Ecke abgeschoben wird. Ich selbst finds Schade, hab mich allerdings daran gewöhnt. Mglw. interpretiere ich da jetzt auch zuviel rein, dann entschuldige ich mich natürlich. Natürlich bin auch (oder gerade) ich bei dem Thema nicht emotionslos. Die Weichen für den Ausstieg Deutschlands sind aber -und das müssen ja selbst Befürworter sehen- schon seit spätestens Dezember 1993* gestellt. Sieht man sich dann die weltweit installierte Kapazität an, fällt es schwer von einer tragenden Rolle der Kernenergie zu sprechen. Die hätte sie nach frühren Prognosen der IAEO natürlich haben sollen. Inzwischen wird jeder vage Neubau frenetisch gefeiert, dabei gibt es selbst bei der Finanzierung des Vorzeige EPR in Finnland Probleme. Insofern fällt es doppelt schwer hier eine auch nur irgendwie geartete Zukunft zu sehen. Dabei spare ich Sicherheitsbedenken aus. Die habe ich oben genannt. Denen muß man nun nicht zustimmen (wenngleich es nicht aus den Fingern gezogen ist), aber das ist es eben auch nicht, was die Energieversorger wirklich interessieren würde. Der Geldbeutel dagegen schon eher.
Die bösen KKWs im Osten. Das ist mir etwas zu einseitig. Natürlich gibt es dort Problemanlagen, aber auch viele Anlagen, die absolut vergleichbar z.B. mit der Konvoi Linie sind (und in Teilbereichen sogar Vorteile haben; siehe der WWER 440/213). Natürlich besteht in vielen Bereichen der sogenannten "Sicherheitskultur" (nicht nur in den KKWs, man denke nur an Majak) deutlicher Verbesserungsbedarf. Aber es ist fraglich, ob diese Kultur nun auch in Deutschland immer so über alle Maßen gepflegt wird. Überraschenderweise wäre wie schon gesagt gerade der Tschernobyl Typ (RBMK) in diesem speziellen Fall (Spannungsausfall der Anlage) wesentlich gutmüter als unsere Anlagen mit hoher Leistungsdichte. Kein Freibrief für diesen Typ (u.a. auch hohe Emmissionen im Normalbetrieb), aber differenzieren muß man schon. Und der kritische Blick ins eigene Land wird durch diese Sichtweise völlig versperrt, da man sich nur daran aufzieht. Gerade der Informationskreis Kernenergie unterstützt diese Sichtweise ja massiv.
Mit dem russichen WWER 640 (rein wirtschaftlich allerdings auch sehr fragwürdig, entsprechend absolut offen, wieviele Anlagen es wirklich geben wird; noch sind ja zahlreiche Baustellen bestehender Typen eingemottet) wird dann das Pendel endgültig in die andere Richtung ausschlagen, gerade im Vergleich mit dem "neuen" EPR, dessen Leistungsdichte leider massiv erhöht wurde und dessen Sicherheit vornehmlich wiederum auf aktiven Systemen beruht. Selbst den MKER-800 halte ich all over all für unkritischer, wobei man da definitiv abwarten muß, wie eine eventuelle Anlage dann wirklich realisiert wird. Eingestiegen ist man im Osten ohnehin schon lange, daran ändert ja unser Ausstieg (s.o. bereits unter einer sicher nicht atomenergiefeindlichen Regierung Kohl in die Wege geleitet) nichts. Und etwas paradox ist die Situation dann natürlich schon. Da werden Laufzeitverlängerungen nach amerikanischem Vorbild für unsere Anlagen gefordert, die nur durch die Zusatzklausel** im Atomgesetz überhaupt noch laufen dürfen. Keine Panikmache und Forderung nach sofortiger Abschaltung, aber eine weitere Streckung der Laufzeit ist sicher der falsche Weg.§7 Absatz2a:
Bei Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen, die der Erzeugung von Elektrizität dienen, gilt Absatz 2 Nr. 3 mit der Maßgabe, daß zur weiteren Vorsorge gegen Risiken für die Allgemeinheit die Genehmigung nur erteilt werden darf, wenn auf Grund der Beschaffenheit und des Betriebs der Anlage auch Ereignisse, deren Eintritt durch die zu treffende Vorsorge gegen Schäden praktisch ausgeschlossen ist, einschneidende Maßnahmen zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlen außerhalb des abgeschlossenen Geländes der Anlage nicht erforderlich machen würden; die bei der Auslegung der Anlage zugrunde zu legenden Ereignisse sind in Leitlinien näher zu bestimmen, die das für die kerntechnische Sicherheit und den Strahlenschutz zuständige Bundesministerium nach Anhörung der zuständigen obersten Landesbehörden im Bundesanzeiger veröffentlicht.**
Satz 1 gilt nicht für die Errichtung und den Betrieb von Anlagen, für die bis zum 31. Dezember 1993 eine Genehmigung oder Teilgenehmigung erteilt worden ist, sowie für wesentliche Veränderungen dieser Anlagen oder ihres Betriebes.
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Falsche Rubrik.