Angeborenes Talent
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Mr. N schrieb:
minhen schrieb:
Mr. N schrieb:
Es wird vehement behauptet, dass es angeborene Voraussetzungen für Talent gibt, die nicht oder nur eingeschränkt erlernt werden können. Nicht, dass Talent per se angeboren sei!
Jetzt wird's aber kriminell. Normalerweise versteht man unter Talent die angeborene Veranlagung eine Fähigkeit überdurchschnittlich gut erlernen zu können. Davon rede ich, davon wird im Thread geredet. Dass du jetzt Talent zur Fähigkeit selbst umdefinierst, ist dein Privatvergnügen.
Tu ich das? Man sagt doch: Jemand hat Talent zum Zeichnen etc.? Das ist aber keine unteilbare Einheit, sondern es gibt doch verschiedene Voraussetzungen, wie zum Beispiel eine ruhige Hand, die, alleingenommen, das Talent noch nicht bedingt.
ja genau, darauf wollte ich hinaus. ein gutes gefühl für formen und farben, eine ruhige hand und gute augen bedeuten noch nicht dass man das talent zum zeichnen hat. ich meine immernoch, das eine person diese vorrausetzungen während der entwicklung in eine "talentrichtung" ... spezialisiert, oder ausbildert, oder wie auch immer.
Dass es dem kind einfacher fällt etwas in seinem "gebiet" zu lernen, ist ohne zweifel.
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Jester schrieb:
nicht nur angeboren, das stimmt. aber vermutlich auch zum teil. intelligenz ist ja ein recht weiter begriff. oft wird da ja noch zwischen verschiedenen feldern unterschieden: logisches denken u.ä. (das weißt du vermutlich genauer als ich). Schränkt man jetzt Intelligenz auf eines dieser Gebiete ein, so ist das doch eigentlich nichts anderes als eine Begabung/Talent auf einem gewissen Feld, sozusagen ein Talent dafür. Warum ist es denn unplausibel, dass das angeboren sein könnte?
Intelligenz ist das allgemeine Leistungsvermögen des Gehirns, das Ausmaß der Fähigkeit effizient zu arbeiten und zu lernen. Und Intelligenz hat eine erbliche Komponente, die man sich als Spielraum des möglichen Leistungsvermögens vorstellen kann. Wenn man diese Leistungsfähigkeit in Teilbereiche herunterbricht, um sie messen zu können, nimmt man eine Modellbildung vor, die man an das Gehirn anlegt. Das Problem daran ist jetzt nicht nur, dass man das Modell nicht mit der Realität verwechseln sollte, sondern auch, dass die Teile spezifischer als das Ganze sind.
Und damit befindet man sich zwar nicht zwingend im Modell, aber sehr wohl im neuronalen Korrelat eben auf einer ganz anderen Ebene. Die allgemeine Leistungsfähigkeit kann noch den Neuronen und der Biochemie in die Schuhe geschoben werden. Und zwar in der Form, dass die allgemeine Leistungsfähigkeit z. B. darin begründet ist, wie schnell die Neuronen neue Informationen kodieren können.
Bei den spezifischen Einzelkomponenten sieht das aber schon ander aus. Denn es gibt keine Sprach-Neuronen, keine Logik-Neuronen, keine Mathe-Neuronen und auch keine Musik-Neuronen. Auf dieser Ebene unterhalten wir uns nicht mehr über Neuronen an sich, sondern stattdessen über neuronale Mustern und über Synapsen. Je spezifischer eine Fähigkeit ist, desto mehr ist das der Fall. Diese Muster aber bilden sich erst in der Konfrontation des Gehirns mit der Umwelt heraus. Es geht auch gar nicht anders, denn die Komplexität eines erwachsenen Gehirns sprengt die Komplexität unseres Erbgutes um ein Vielfaches. Unterstrichen wird das von vielen Dingen, wie zum Beispiel der ungeheuren Plastizität des Gehirns. So können Gehirnregionen die Funktionen anderer Hirnregionen übernehmen, wenn dies notwendig wird. Oder durch die Hilflosigkeit von Kleinkindern, die selbst so fundamentale Dinge wie aufrechtes Gehen erst mühsam lernen müssen. Alles was neuronal komplex ist, muss erst erlernt werden. Selbst wenn es für Menschen so fundamental wie der aufrechte Gang ist.
Also von mir aus können wir die Untersuchungen, die ich im vorigen Beitrag verlinkt habe, auch beiseite lassen und einfach fragen: wie plausibel ist die Vererbung von zum Beispiel einer besonderen Disposition für Mathematik vor diesem Hintergrund?
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Also von mir aus können wir die Untersuchungen, die ich im vorigen Beitrag verlinkt habe, auch beiseite lassen und einfach fragen: wie plausibel ist die Vererbung von zum Beispiel einer besonderen Disposition für Mathematik vor diesem Hintergrund?
Wissenschaftler bestätigen, dass es immer ähnliche regionen sind, die aktiv werden wenn ein Mensch eine bestimmte Aufgabe löst. Du wirst mir wohl zustimmen, dass diese ähnlichkeit der regionen kein zufall ist, sondern höchst wahrscheinlich auf unser Erbgut zurückgeht. Wenn nun also das Erbgut eine Art Bauplan für das Gehirn enthält, ist es so abwegig, dass dann auch die Gehirnteile selbst als Plan im Erbgut existieren? mit Sicherheit nicht, immerhin gibt es schon bei der Geburt Synaptische Verbindungen, irgendwoher müssen die ja auch kommen.
Wenn also sowohl der Große Bauplan unseres Gehirns als auch der kleine zu Anfang vom Erbgut bestimmt werden, kann das Erbgut dann als Begründung für Talent gelten? Mit Sicherheit ja!
Man kann es sich so vorstellen, dass Talent im gehirn dadurch "erzeugt" wird, dass diese gehirnareale flexibler sind, also dass es entweder mehr synapsen gibt, oder die Verbindungen wesentlich schneller geschlossen werden. Das Lernen mancher dinge geht unter den Voraussetzungen wesentlich schneller voran.
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Mr. N schrieb:
Elektronix schrieb:
Zumal diese künstlerischen Eigenschaften in unserem Schulsystem viel weniger gefördert werden als rational-wissenschaftliche Fähigkeiten.
Es ist mir neu, dass letzteres effektiv gefördert wird im deutschen Schulsystem.
Hab ich auch nicht behauptet. Aber die Frage der Effektivität steht ja hier nicht zur Diskussion. Tatsache ist, daß künstlerische Fächer im Stundenplan viel weniger präsent sind als Natur- oder Gesellschaftswissenschaften oder Sprachen, und Kunst- und Musiklehrer meist schlechter gestellt sind als andere.
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Ich würde schon vermuten, daß es ein zahlenmäßiges Ungleichgewicht gibt, aber das läßt sich bei der Schwerpunktbildung einer Schule (Sportgymnasium, humanistisches Gymnasium, TG, ...) wohl nicht vermeiden.
Ist wohl menschlich, sich dann entweder im Kollegium gegenseitig anzusticheln oder eben nicht. Aber "schlechter gestellt"?
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Hatte jetzt nicht den Nerv den gesamten Thread durchzulesen, deswegen sind Überschneidungen/Wiederholungen möglich:
Wahrscheinlich wären wir uns alle einig, daß anatomische Merkmale wie z.B. Körpergröße oder lange Finger zum größtenteil angeboren sind und nur bedingt bis kaum aktiv beeinflußbar sind.
Doch ebensolche Merkmale können auch ein Talent darstellen. (Bsp: Körpergröße für Basketballer, lange Finger für Gittaristen).
So kann man daraus schließen, daß Talente durchaus angeboren sein können.
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Ich würde mich dem Thema anders nähern:
Wenn entsprechende Zufallsgrößen in großer Zahl vorliegen, stellt sich immer eine Verteilungskurve ein, die einer Normalverteilung folgt. Dieser Effekt liegt bei vielen Dingen in der Biologie vor, seien es Körpergrößen, aber auch so Dinge wie die Notenverteilung bei Tests, usw.
Wenn es sowas wie Talent als "Vorbelegung gewisser Eigenschaften" überhaupt gibt, dann wäre es außerordentlich seltsam, wenn sich dafür keine Normalverteilung einstellen würde.
Also gibt es entweder kein Talent, was aber auch bedeutet, daß bei gleicher Förderung sich gleiche Ergebnisse einstellen. Ich denke, daß man das als wiederlegbar ansehen darf.
Oder es gibt eine Ungleichheit dafür.
Daß die Neuronenvernetzbarkeit und die Zuordnung der Aufgaben im Hirn ein Thema der richtigen Konditionierung ist, hat meines Erachtens damit nichts zu tun, schließlich ist so eine Grundfähigkeit beim Körper bei vielen Stellen vorhanden, z.B. bei der Muskelbildung. Trotzdem bilden sich Muskeln anders aus, in Abhängigkeit von der Person.
Warum jetzt ausgerechnet Vernetzungsfähigkeit und Geschwindigkeit globalmenschliche Konstanten sein sollen, passt nicht wirklich zum Gesamtbild.
Ich denke, daß sich die Talentforschung hauptsächlich selbst im Weg steht - aus ideologischen Gründen muß herauskommen, daß es keine Unterschiede gibt, daher wird auch nur in dieser Richtung untersucht.
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Oder man legt aus ideologischen Gründen fest, daß bestimmte Menschen bestimmte Talente "sowieso" nicht haben können. Das ist auch nicht überzeugender. Ich frage mich wirklich, wo Du solche Ideologen dauernd triffst, von denen scheints ja nur so zu wimmeln.
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otze schrieb:
Wissenschaftler bestätigen, dass es immer ähnliche regionen sind, die aktiv werden wenn ein Mensch eine bestimmte Aufgabe löst. Du wirst mir wohl zustimmen, dass diese ähnlichkeit der regionen kein zufall ist, sondern höchst wahrscheinlich auf unser Erbgut zurückgeht. Wenn nun also das Erbgut eine Art Bauplan für das Gehirn enthält, ist es so abwegig, dass dann auch die Gehirnteile selbst als Plan im Erbgut existieren? mit Sicherheit nicht, immerhin gibt es schon bei der Geburt Synaptische Verbindungen, irgendwoher müssen die ja auch kommen.
Den Beitrag mit "Wissenschaftler bestätigen, dass" anzufangen ist echt super. Bin ich wirklich der einzige, den die Formulierung unterhält?

Aber zum Thema. So wie du schreibst, ist die Antwort auf deine Frage im Grunde eindeutig: Ja. Denn die Gehirnteile selbst sind mit ziemlicher Sicherheit nicht als Plan direkt im Erbgut vorhanden. Das geht schon alleine quantitativ gar nicht, qualitativ aber genau so wenig. Stattdessen sind allgemein bei der Ausdifferenzierung immer selbstregulatorische Prozesse aktiv. Das gilt besonders auch für das Gehirn. Schließlich ist genau das, die Plastizität, die größte Stärke des Gehirns. Was, wo, wie verarbeitet wird, ergibt sich von ganz alleine durch die Verwendung. Das Gehirn passt sich fortlaufend daran an. Und klar kommt man nicht mit einem leeren Gehirn zur Welt. Das Gehirn wird aber auch nicht erst bei der Geburt mit einem Klick eingeschaltet, sondern werkelt bereits im Mutterleib fleißig vor sich hin. Es gibt auch biochemisch und anatomisch durchaus unterschiedliche Ecken im Gehirn. Aber diese bringen einen bei den kognitiven Aufgaben, von denen wir hier auch reden, nicht weiter. Denn, wie gesagt, es gibt keine Sprach-Neuronen, keine Mathematik-Neuronen und keine Musik-Neuronen. Wenn man individuelle, genetische Unterschiede postuliert, müssen diese sich zwangsläufig auch in der Biochemie und Anatomie wiederfinden lassen. Findet man dort aber keine derartigen Unterschiede, dann sollte man sein Postulat vielleicht überdenken ...Marc++us schrieb:
Also gibt es entweder kein Talent, was aber auch bedeutet, daß bei gleicher Förderung sich gleiche Ergebnisse einstellen. Ich denke, daß man das als wiederlegbar ansehen darf.
Widerlegbar ist es. Aber eben nicht widerlegt. Dazu müsste man erst einmal definieren und operationalisieren, was man unter Talent zu verstehen hat, und andere Variabeln kontrollieren (Intelligenz, soziales Umfeld, persönliche Erfahrungen,...). Es wäre schön, müsste man einfach nur Ergebnisse von Leistungstest anschauen. Der Knackpunkt ist dabei aber nach wie vor was man unter Talent genau zu verstehen hat. Denn momentan ist Talent doch einfach nur überdurschnittliche Leistung bei vergleichbarer Leistungsevaluation. Das heißt konkret, dass es Talent nur rückschauend gibt, im Nachhinein. Ist jemand besonders gut, dann hat er Talent. Was nicht geht, ist eine Voraussage a la aufgrund des Talents wird das Kind, wenn es in die Schule kommt, in Mathematik gut sein. Warum nicht? Weil man ganz einfach nicht sagt, was dieses Talent-Ding eigentlich sein soll. Talent existiert also bisher nur als Rechtfertigung im Nachhinein. Das ist nicht gerade gute Wissenschaft. Wie wissenschaftlich es ist, dann auch noch obendrein Vererbbarkeit zu postulieren, kann man sich ja selbst denken. Insofern durchaus interessant, dass du mit deinem Beitrag anderen "pure Ideologie" vorwerfen willst

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minhen schrieb:
Bin ich wirklich der einzige, den die Formulierung unterhält?
Mich unterhält eher dein Schreibstil.

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Aber diese bringen einen bei den kognitiven Aufgaben, von denen wir hier auch reden, nicht weiter. Denn, wie gesagt, es gibt keine Sprach-Neuronen, keine Mathematik-Neuronen und keine Musik-Neuronen.
Wenn es um Musik HÖREN geht, dann nicht. aber wenn es um Musik MACHEN geht, dann durchaus, denn kreative fertigkeiten werden tendenziell in dem teil des gehirns vorgenommen, der sich auch mit dem räumlichen denken beschäftigt. Logisches denken befindet sich hingegen eher im Sprachteil.
Ein Beispiel für diese räumliche trennung ist zum Beispiel das Zeichnen. Künstler die zeichnen berichten sehr häufig davon, dass ihre Wahrnehmung sich beim zeichnen verändert, sie beginnen auf einmal die unzähligen details eines Gegenstands wahrzunehmen, die ihnen vorher nicht aufgefallen sind. Und sie berichten, dass sie während des zeichnens nicht mehr in "Worten" denken, geschweige denn sprechen können. Klar, das ist nichts Wissenschaftlich so leicht beweisbares, aber es sind hinweise darauf, dass sich unser "können" nicht auf ein Gehirnareal beschränken lässt.
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minhen schrieb:
Ist jemand besonders gut, dann hat er Talent. Was nicht geht, ist eine Voraussage a la aufgrund des Talents wird das Kind, wenn es in die Schule kommt, in Mathematik gut sein. Warum nicht? Weil man ganz einfach nicht sagt, was dieses Talent-Ding eigentlich sein soll. Talent existiert also bisher nur als Rechtfertigung im Nachhinein. Das ist nicht gerade gute Wissenschaft.
Hm. Klingt nach der gleichen Problematik wie bei der Quantentheorie, trotzdem würde man nicht annehmen, daß die Quantentheorie unwissenschaftlich ist. Und trotz der fehlenden Vorhersagbarkeit des Einzelteilchens bleibt die Vorhersagbarkeit für Mengen erhalten.
minhen schrieb:
Wie wissenschaftlich es ist, dann auch noch obendrein Vererbbarkeit zu postulieren, kann man sich ja selbst denken.
Ich interessiere mich ja nur mäßig für diese Thematik, aber mir gibt eben folgende Analogie zu denken: die Haut ist ein wesentlich weniger komplexes Organ als das Gehirn. Trotzdem gibt's auf der Haut "spots", Singularitäten, im Volksmund auch Leberfleck genannt: also lokale Unregelmäßigkeiten, deren Lage zwar im Einzelfall unvorhersagbar ist, deren gesamte Verteilung aber durchaus genetisch vorbestimmt ist. Jetzt hat das Gehirn wesentlich mehr Zellen als die Haut. Aus einer Wahrscheinlichkeitsbetrachtung heraus würde ich also folgern, daß es diese "spots" im Gehirn in gleicher Weise gibt. Nennen wir das mal "lokale Häufungen von Vernetzungsmöglichkeiten". Also irgendeine Unregelmäßigkeit in der Verteilung von Synapsen & Co. Ich halte es für außerordentlich unwahrscheinlich, daß das Gehirn frei von solchen Singularitäten sein sollte, bei allen anderen Körperzellen ist das ja auch der Fall.
Wenn nun
a) eine solche Lokalität
b) mit einem speziellen Aktivitätszentrum einer Gehirnlandkarte (Regionen, die üblicherweise bestimmte Aufgaben vorrangig übernehmen)
c) mit nachgeburtlicher Förderungzusammentrifft, ist das eine ausreichende Definition von Talent? Vererbbar wäre es dann übrigens auch, mit trotzdem hinreichendem Freiheitsgrad, daß sich das Talent nicht 100% identisch auswirkt bei den Abkömmlingen. Und auch klar, daß fehlende Förderung die notwendigen Reize zur überdurchschnittlichen Entwicklung nicht liefern wird, weswegen das Talent dann ausbliebe.
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Marc++us schrieb:
Hm. Klingt nach der gleichen Problematik wie bei der Quantentheorie, trotzdem würde man nicht annehmen, daß die Quantentheorie unwissenschaftlich ist. Und trotz der fehlenden Vorhersagbarkeit des Einzelteilchens bleibt die Vorhersagbarkeit für Mengen erhalten.
Eigentlich nicht. In der Quantenphysik hat man viel mehr eher das Gegenteil vorliegen. Während man sich nicht wirklich Quanten vorstellen kann, kann man sie dennoch sehr gut formalisieren und operationalisieren. Beim Talent dagegen fehlt genau diese Möglichkeit der Formalisierung und direkten Operationalisierung. Alles was man dort hat, ist die einfache Vorstellung. Als direkte Konsequenz daraus ist es auch nicht möglich Vorhersagen zu treffen. Denn während bei der Quantenphysik immerhin zutreffende statistische Vorhersagen möglich sind, kann ich mir beim Talent auch das Genom oder Gehirn von 100.000 Kleinkindern anschauen und noch immer keine korrekte Vorhersage treffen, wer mit welcher Wahrscheinlichkeit wie begabt sein wird.
Ich interessiere mich ja nur mäßig für diese Thematik, aber mir gibt eben folgende Analogie zu denken: die Haut ist ein wesentlich weniger komplexes Organ als das Gehirn. Trotzdem gibt's auf der Haut "spots", Singularitäten, im Volksmund auch Leberfleck genannt: also lokale Unregelmäßigkeiten, deren Lage zwar im Einzelfall unvorhersagbar ist, deren gesamte Verteilung aber durchaus genetisch vorbestimmt ist. Jetzt hat das Gehirn wesentlich mehr Zellen als die Haut. Aus einer Wahrscheinlichkeitsbetrachtung heraus würde ich also folgern, daß es diese "spots" im Gehirn in gleicher Weise gibt. Nennen wir das mal "lokale Häufungen von Vernetzungsmöglichkeiten". Also irgendeine Unregelmäßigkeit in der Verteilung von Synapsen & Co. Ich halte es für außerordentlich unwahrscheinlich, daß das Gehirn frei von solchen Singularitäten sein sollte, bei allen anderen Körperzellen ist das ja auch der Fall.
Es ist eine nette Analogie. Doch Rückschlüsse lässt sie nicht wirklich zu. Dazu sind die betrachteten Organe zu unterschiedlich. So kämpft die Haut an vorderster Front, wird permanent angegriffen und muss mit Temperaturschwankungen, Krankheitserregern und UV-Strahlung fertig werden. Dass es gerade in einem solchen Umfeld zu gutartigen Wucherungen kommt, ist wirklich plausibel. Denn es ist nicht so, dass genetische Dispositionen alleine bereits ausreichen würden, man braucht auch immer Stressoren. Anders als die Haut liegt das Gehirn in dem Punkt aber ziemlich versteckt und besonders geschützt. Das Gehirn ist immerhin das mit Abstand am besten geschützte Organ des Körpers. Gleich mehrere Filter schützen das Gehirn vor den normalen Kreisläufen. Sehr zum Leidwesen der Pharamindustrie, da Medikamente ins Gehirn einschleusen dadurch alles andere als einfach ist. Da versteht der Blut-Gehirn-Filter eben keinen Spaß. Alleine die Existenz dieser Barrieren zeigt schon, dass auf der Funktionalität des Gehirns ein enormer Selektionsdruck lastet. Es ist daher unplausibel, dass das Gehirn leichtfertig mit der Funktionalität seiner Neuronen herumspielt. Zwar gibt es auch im Gehirn gutartige Wucherungen - nur nennt man die nie "Talent", sondern immer "Tumor".
Ansonsten - neben den anfangs verlinkten Untersuchungen spreche ich bewusst immer nur von Plausibilität. Ich schließe die Existenz von "Hot Spots" oder angeborenem Talent keinesfalls aus. Es ist einfach nur so, dass es bisher keinen Grund gibt, ein solches anzunehmen. Die Unterschiede bei gleicher Förderung kann man auch mit Entwicklungsmodellen erklären, die man so oder so annehmen muss. Talent ist also eine zusätzliche Annahme, die nicht zwingend ist.
Im Grunde ist das wie bei der Existenz Gottes. Da sind viele Gläubige auch felsenfest überzeugt, dass die Existenz doch offensichtlich ist und man schon ideologisch verblendet sein muss, dies zu leugnen. Dennoch gibt es keinen zwingenden Grund die Existenz anzunehmen, weshalb man es nach Occam auch nicht tut. Ist hier im Grunde ziemlich dasselbe. (Inklusive der schon emotional anmutenden Reaktionen auf die ketzerische Infragestellung von Talent im Großteil des Threads.)
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Im Gegensatz zu Gott kann man deine Theorie vom Nichttalent aber sehr einfach überprüfen. Z.B.: Man schnappe sich 10000 Kinder aus Akademikerfamilien und 10000 Kinder aus Nichtakademikerfamilien. Anschließend packt man sie von Geburt (oder Zeugung) an in eine Art Heim unter kontrollierten Bedingungen. Und das so, dass alle Kinder erwiesenermaßen die selbe Förderung erhalten. 20 Jahre später mache ein IQ-Test o.Ä. mit diesen 20000 Kindern und betrachte die Ergebnisse:
Du behauptest:
Es gibt 20000 mal exakt das selbe Ergebnis. Alle Kinder leisten exakt das selbe.Ich behaupte:
Es gibt 20000 verschieden Eregebnisse (je nach Genauigkeit des Testes natürlich). Die gemessenen IQ-Werte sind höchstwahrscheinlich normalverteilt.
Außerdem würde ich sogar noch behaupten, dass die Akademikerkinderergebnisse ein leicht höheren Mittelwert haben.Wir könnten nun noch eine Umfrage starten, welche Behauptung plausibler erscheint, aber ich glaube das erübrigt sich von selbst

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Ich behaupte da gar nichts, sondern würde sagen, überzeuge eine Ethik-Kommission, dass du das Experiment durchführen darfst und leg los. Dann können wir uns über die Ergebnisse gerne unterhalten. Aber solange dazu keine Ergebnisse vorliegen, gibt es keinen Grund eine reine Spekulation als Fakt annzunehmen.
Übrigens spricht es nicht für dich, dass du bei "deiner Behauptung" die Intelligenz unterjubelst, um zu implizieren, ich würde hier etwas anderes behaupten. Die Normalverteilung des IQs würde ich nie bezweifeln. Alleine schon, weil der IQ über die Normalverteilung definiert ist ...
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Ok, sorry, dann hab ich dich wohl falsch verstanden. Wenn du auch von einer Normalverteilung der Ergebnisse ausgehst, wie würdest du sie dann erklären? Welcher Faktor erzeugt hier die Abweichung des Leistungsvermögens? Die Förderung hab ich ja per Definition ausgeschlossen. Die Erbeigenschaften schließt du aus. Was bleibt dann noch? Zufall? Ist ein Mensch zufällig leistungsfähiger als ein anderer? Wenn ja, dann liegt deine Meinung nämlich doch garnicht so weit von meiner entfernt, wie du vielleicht glaubst

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life schrieb:
Welcher Faktor erzeugt hier die Abweichung des Leistungsvermögens?
Die Attraktivität z.B., könnte ich mir jedenfalls vorstellen. Oder andere bestimmte physische Eigenschaften, solche Faktoren beeinflussen doch auch stark die Individualität jedes Menschen.
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minhen schrieb:
Ich behaupte da gar nichts, sondern würde sagen, überzeuge eine Ethik-Kommission, dass du das Experiment durchführen darfst und leg los. Dann können wir uns über die Ergebnisse gerne unterhalten. Aber solange dazu keine Ergebnisse vorliegen, gibt es keinen Grund eine reine Spekulation als Fakt annzunehmen.
der Gegenbeweis (sofern überhaupt beweisbar) wurde ja schon geliefert... nämlich eindeutig unterschiedlich aufgewachsene Personen mit gleichem Erbgut zeigen trotzdem oft die selben Neigungen (siehe von mir verlinkter Artikel ein paar Seiten zuvor)
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Marc++us schrieb:
Wenn nun
a) eine solche Lokalität
b) mit einem speziellen Aktivitätszentrum einer Gehirnlandkarte (Regionen, die üblicherweise bestimmte Aufgaben vorrangig übernehmen)
c) mit nachgeburtlicher Förderungzusammentrifft, ist das eine ausreichende Definition von Talent? Vererbbar wäre es dann übrigens auch, ...
Hm, dann will ich mal hoffen, daß manche Tierarten kein Talent haben.
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Naja, ich definiere Talent als etwas dass sich nach dem Interesse richtet, nicht irgendetwas angeborenes. Speziell beim Zeichnen lese ich oft genug dass dies eine Sache der Übung ist (natürlich auch bei der Gitarre und anderen Tätigkeiten).
Wenn sich jemand z. B. fürs Zeichnen nicht sonderlich interessiert lernt er es (vermutlich) nicht so schnell wie jemand der sich dafür Tag und Nacht hinsetzen würde.
MfG Spacemuck