Das Dilemma der Politik



  • Hallo,

    es ist ja eigentlich ein ganz normaler Vorgang: Wenn etwas schief läuft, sucht man einen Schuldigen. Das ist im Privatbereich genauso wie im Berufsleben, oder eben auch in der Politik.

    Natürlich waren es die ganzen Bankmanager, die uns in die Krise geführt haben, die Industrie, die unsere Umwelt verschmutzt hat, und die DAX 30 Unternehmen, die Arbeitsplätze ins Ausland verlagern. Aber die Hauptschuld trägt, natürlich, die Politik. Das macht die Sache eigentlich sehr einfach, weil man dadurch einen Sündenbock hat. Den braucht der Mensch. Das war schon immer so, seien es die Ungläubigen, die Juden oder die Schwarzen.

    Man mag über unsere Politiker ja denken was man will, aber eins ist doch auch klar: Sie alleine können nicht für alle mitdenken.

    Denn wenn nur noch der Geiz zählt, dann ist natürlich klar, das Qualitätsprodukte hinten anstehen müssen. Und wenn man selber nur zu der Bank geht, die einem noch 0,5 Prozent mehr Zinsen verspricht, darf man sich auch nicht wundern, wenn die Banken entsprechende Produkte versuchen anzubieten. Für viele scheint es ja so zu sein, dass das einzige Anzeichen für eine Demokratie der unregelmäßige und zudem freiwillige Gang zur Wahlurne ist. Mein Eindruck ist, dass viele Menschen sich nicht über die Zusammenhänge Gedanken machen können oder wollen. Natürlich kann man auch viele Sachverhalte gar nicht mehr durchschauen. Gerade in Talkshows wird das deutlich:

    Die Rollenverteilung dort ist im Grunde genauso klar wie in jedem Theater und das ganze läuft dann genauso bunt und laut ab: Die Opposition hat immer die besten Ideen, es wird hin und herdiskutiert, und jeder bezieht sich auf Fachleute, die sich seit Jahren mit bestimmten Problemen beschäftigen. Egal ob Klimawandel, Finanzkrise, Arbeitsmarkt oder Mindestlohn: Es gibt zu jedem Thema Experten, deren Argumente man leider nicht ohne Weiters überprüfen kann. Denn wer ist hier schon Klimaexperte? Oder Wirtschaftsfachmann?

    Wer hat nun Recht? Um sowas überhaupt auch nur ansatzweise beurteilen zu können, muss man sich mit einzelnen Themen, und eben den Zusammenhägen, schon auseinandersetzen. Aber das, so ist mein Eindruck, passiert heutzutage nicht oder nur unzureichend.

    Oder wie seht ihr das?



  • Im Prinzip gebe ich Dir in vielen Punkten Recht! Allerdings mit einigen Einschränkungen.
    Die Banken sind natürlich in der Finanzkrise über ihre eigene Raffgier gestolpert: Sie bieten den Kunden Produkte an, die selbst Bankfachleute nicht mehr durchschauen. Hier gilt für die Wirtschaft das selbe, wie für Kunden gelten sollte: Was ich nicht verstehe, das lasse ich bleiben. Und es gilt auch: Je größer der mögliche Gewinn, um so größer das Risiko. In der Marktwirtschaft wird nichts verschenkt.
    Die Politik muß bessere Rahmenbedingungen schaffen, um Kunden im Fall von Falschberatung besser abzusichern. Es fängt schon damit an, daß der Zins für einen Kredit vom SchuFa-Score abhängt. Der Score wird aber verschlechtert z. B. durch die Wohngegend oder dadurch, daß ein Kunde bei mehreren Banken Beratungen einholt, um vergleichen zu können. Auf Deutsch: Ein Kunde, der vernünftig und marktwirtschaftlich handelt, wird mit schlechteren Konditionen bestraft. Das kann nicht sein!
    Das Problem dabei ist, daß man sich als Kunde auf die Beratung verlassen muß. Doch oft weiß man nicht, wie vertrauenswürdig die Beratung oder transparent die Kreditkonditionen sind. Maßgeblich für den SchuFa-Score dürfte nur das persönliche Zahlungsverhalten sein, und die Politik muß hierfür den Rahmen setzen.

    Letztendlich gilt auch für jeden Einzelnen, den gesunden Menschenverstsand einzuschalten. Die Schneider-Immobilienpleite hat gezeigt, daß der selbst bei sogenannten Fachleuten mitunter aussetzt, wenn die Summen zu hoch sind. Die Politik muß auch dafür sorgen, daß in solchen Fällen die Verursacher persönlich haften. Von der Summe her macht das sicher nicht viel, hat aber doch eine ziemliche moralische Wirkung.
    Jeder ist selbst mitverantwortlich, und bei jeder Entscheidung- egal in welchem Bereich- sind andere mitbetroffen. Letztendlich ist alles miteinander vernetzt (im besten chinesischen Sinn).

    Im Bezug auf Klimawandel könnten die Politiker auch mal selbst mit gutem Beispiel vorangehen, indem z. B. die Privatlimousinen nach Umweltaspekte ausgewählt werden, und daß umweltfreundliche Autos günstiger besteuert werden- ok, Ansätze dazu gibt es ja schon. Ich meine halt, hier könnte man sehr viel mehr tun.


  • Mod

    Elektronix schrieb:

    Im Prinzip gebe ich Dir in vielen Punkten Recht! Allerdings mit einigen Einschränkungen.

    😃

    MfG SideWinder



  • Hallo,

    CarstenJ schrieb:

    Man mag über unsere Politiker ja denken was man will, aber eins ist doch auch klar: Sie alleine können nicht für alle mitdenken.

    naja, der Unterschied ist aber, dass die meisten Politiker versuchen, für alle "mitzudenken" und den entsprechenden Wahnsinn an Verordnungen und Gesetzen produzieren. Oder hat schon mal jemand von einem Politiker die ehrliche Antwort gehört "hierzu habe ich momentan keine Meinung, da mir das notwendige Wissen fehlt, um zu einer qualifizierten Einschätzung zu gelangen"?

    Am Stammtisch ist diese Einstellung nicht weiter gefährlich, auch nicht hier im Forum (wo Elektronix einige Monate nach einer Krise, die erst durch die viel zu leichtfertige Privatkundenkreditvergabe entstand, meint, vermeintliche [natürlich gerechtfertigte] "Diskriminierung" würde immer noch nicht weit genug geahndet und es sollen mehr Leute Kredit kriegen), aber wenn Politiker in der Legislative zu so einer Einstellung kommen, kann das eben fatal wirken.

    CarstenJ schrieb:

    Die Rollenverteilung dort ist im Grunde genauso klar wie in jedem Theater und das ganze läuft dann genauso bunt und laut ab: Die Opposition hat immer die besten Ideen, es wird hin und herdiskutiert, und jeder bezieht sich auf Fachleute, die sich seit Jahren mit bestimmten Problemen beschäftigen. Egal ob Klimawandel, Finanzkrise, Arbeitsmarkt oder Mindestlohn: Es gibt zu jedem Thema Experten, deren Argumente man leider nicht ohne Weiters überprüfen kann. Denn wer ist hier schon Klimaexperte? Oder Wirtschaftsfachmann?

    Wer hat nun Recht? Um sowas überhaupt auch nur ansatzweise beurteilen zu können, muss man sich mit einzelnen Themen, und eben den Zusammenhägen, schon auseinandersetzen. Aber das, so ist mein Eindruck, passiert heutzutage nicht oder nur unzureichend.

    Genau so ist es. Hier im Forum und in meinem persönlichen Umfeld sieht es größtenteils noch relativ gut aus, es existiert zumindest noch ein geringes Restinteresse (im Falle meiner Bekanntschaft jetzt). Im vielen Teilen der Gesellschaft ist das aber gar nicht mehr vorhanden und dieses Phänomen ist leider bei weitem nicht auf einer wie auch immer geartete Unterschicht beschränkt.

    Elektronix schrieb:

    Die Banken sind natürlich in der Finanzkrise über ihre eigene Raffgier gestolpert: Sie bieten den Kunden Produkte an, die selbst Bankfachleute nicht mehr durchschauen.

    Sorry, das wurde jetzt oft behauptet, aber stimmt es denn wirklich? Bei ABS und CDS kenne ich mich nicht besonders gut aus, ich weiß aber zumindest sehr grundlegend, welche stochastischen Bewertungsverfahren dort zum Einsatz kommen. Und das ist, wenn auch nicht für mich, sicher gut beherrschbar.

    Aber du hast ja sowieso (offensichtlich) auf den Privatkundenbereich angespielt und das komplizierteste, was es da m.E. gibt, sind doch relativ harmlose Derivate. Oft ist sogar der Name ("Multi Reverse Bonus", "Outperformance Protect Pro" etc.) komplizierter als das, was dahinter steht.

    Wenn jemand nicht ordentlich über die Risiken aufgeklärt wurde, kann er ja von mir aus klagen, aber die Erfahrung zeigt, dass die meisten dieser Personen das Risiko sehr wohl kannten, aber ignoriert haben ("der Emittentin passiert eh nichts"). Und das ist dann einfach dumm gelaufen, aber die eigene Schuld.

    EDIT: "Ich werde mit Optionen auf Volkswagen ein bißchen zocken." - "Call oder Put?" - "Ganz egal, hauptsache VW". Das noch dazu 😃

    Viele Grüße
    Christian



  • ChrisM schrieb:

    Elektronix schrieb:

    Die Banken sind natürlich in der Finanzkrise über ihre eigene Raffgier gestolpert: Sie bieten den Kunden Produkte an, die selbst Bankfachleute nicht mehr durchschauen.

    Sorry, das wurde jetzt oft behauptet, aber stimmt es denn wirklich? Bei ABS und CDS kenne ich mich nicht besonders gut aus, ich weiß aber zumindest sehr grundlegend, welche stochastischen Bewertungsverfahren dort zum Einsatz kommen. Und das ist, wenn auch nicht für mich, sicher gut beherrschbar.

    Aber du hast ja sowieso (offensichtlich) auf den Privatkundenbereich angespielt und das komplizierteste, was es da m.E. gibt, sind doch relativ harmlose Derivate. Oft ist sogar der Name ("Multi Reverse Bonus", "Outperformance Protect Pro" etc.) komplizierter als das, was dahinter steht.

    Wenn jemand nicht ordentlich über die Risiken aufgeklärt wurde, kann er ja von mir aus klagen, aber die Erfahrung zeigt, dass die meisten dieser Personen das Risiko sehr wohl kannten, aber ignoriert haben ("der Emittentin passiert eh nichts"). Und das ist dann einfach dumm gelaufen, aber die eigene Schuld.

    EDIT: "Ich werde mit Optionen auf Volkswagen ein bißchen zocken." - "Call oder Put?" - "Ganz egal, hauptsache VW". Das noch dazu 😃

    Viele Grüße
    Christian

    Mag sein, aber die Finanzkrise entstand ja nicht dadurch, daß ein paar Privatkunden ihre eigenen Derivate nicht durchschauen konnten, sondern durch die Verflechtung der Banken untereinander durch Zertifikate u. a..
    Auslöser der Bankenkrise war die Immobilienkrise in Amerika. Da wurden massenweise Häuser verkauft, ohne die Kreditwürdigkeit der Käufer zu prüfen. Stattdessen wurden die Kredite in Zertifikate gebündelt und an andere Banken (!) weiterverkauft- und hier beginnt die Unübersichtlichkeit. Als dann die ersten Blasen platzten, erhöhten die Banken (die jetzt die Zertifikate in Händen hatten) - um die Lücken zu stopfen - für die übrigen Käufer die Rückzahlungsraten, die dann die Käufer nicht mehr leisten konnten, und so kam die Kettenreaktion in Gang. Auch hier hätte die Politik eingreifen müssen: Hätten die Banken die Zahlungsraten einfach so gelassen, wie sie waren (so daß die Käufer weiter zahlen konnten), wäre der Schaden vermutlich kaum halb so groß. Die Käufer hatten keinen Vertrauensschutz und wußten nicht, wer für ihre Kredite zuständig war, konnten keinen Einspruch erheben und standen vor dem Ruin. Damit haben die Banken nichts gewonnen, sie haben über ihre eigenen Geschäfte die Kontrolle verloren.



  • CarstenJ schrieb:

    Denn wenn nur noch der Geiz zählt, dann ist natürlich klar, das Qualitätsprodukte hinten anstehen müssen. Und wenn man selber nur zu der Bank geht, die einem noch 0,5 Prozent mehr Zinsen verspricht, darf man sich auch nicht wundern, wenn die Banken entsprechende Produkte versuchen anzubieten.

    Solltest dir aber auch mal Gedanken darüber machen warum das so ist.
    Ist Österreich ein Ärmeres Land?
    Gibt es in Österreich mehr Umweltverschmutzung?
    Gibt es im Verhältnis weniger Autobahnen oder sind die Strassen schlechter.

    Warum ist den der Benzinpreis in Österreich um min 20 Cent billiger.
    Ist DE dadurch reicher und hat mehr Geld.
    Antwort auf alles: NEIN.

    Warum haben wir in DE so eine Höhe Steuerlast.
    Der Grossteil hat eben keine 1000€ auf der Bank sondern muss jeden Tag schauen wie er zurecht kommt. Die Deutschen kaufen schon sehr viel Bio obwohl teuer.
    IN anderen Berechen muss eben gespart werden.



  • Elektronix schrieb:

    Auslöser der Bankenkrise war die Immobilienkrise in Amerika. Da wurden massenweise Häuser verkauft, ohne die Kreditwürdigkeit der Käufer zu prüfen.

    ... weil es einen politischen Druck gab, das nicht zu tun. Und Häuser gegenüber anderen Anlageklassen günstig gemacht wurden (durch Steuerpolitik und über die GSEs Freddie und Fannie).

    Stattdessen wurden die Kredite in Zertifikate gebündelt und an andere Banken (!) weiterverkauft- und hier beginnt die Unübersichtlichkeit. Als dann die ersten Blasen platzten, erhöhten die Banken (die jetzt die Zertifikate in Händen hatten) - um die Lücken zu stopfen - für die übrigen Käufer die Rückzahlungsraten, die dann die Käufer nicht mehr leisten konnten, und so kam die Kettenreaktion in Gang.

    Pardon, der Propagierungsweg ist nicht so wirklich einfach nachzuvollziehen, da passieren viele Sachen vollautomatisch (zB. ein Sicherstellen der Qualität der Anlagen über CDS usw.) und da kann auch die "Politik" nicht einfach eingreifen. Wären diese Mechanismen abgeschaltet gewesen, dann können die Banken zB. nicht mehr die vertraglichen Pflichten gegenüber den Anlegern erfüllen.

    CarstenJ schrieb:

    Um sowas überhaupt auch nur ansatzweise beurteilen zu können, muss man sich mit einzelnen Themen, und eben den Zusammenhägen, schon auseinandersetzen. Aber das, so ist mein Eindruck, passiert heutzutage nicht oder nur unzureichend.

    Es ist aber doch nur für jeden einzeln rational, sich nicht zu informieren, weil es Zeit und Geld kostet und man in der Zeit auch viel schönere Dinge machen kann. Dazu kommt, daß de facto niemand besser da steht, wenn ich mich mehr für Politik interessiere ... gut, vielleicht wähle ich besser, aber meine Stimme ändert mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nichts an irgendeinem wesentlichen Wahlausgang.

    Also, warum sollten sich "die Leute" mehr mit "den Themen" auseinandersetzen? Sollten die uninformierten nicht besser einsehen, daß sie uninformiert sind und dann nicht Wählen gehen o.ä.?



  • Hi,

    ChrisM schrieb:

    Oder hat schon mal jemand von einem Politiker die ehrliche Antwort gehört "hierzu habe ich momentan keine Meinung, da mir das notwendige Wissen fehlt, um zu einer qualifizierten Einschätzung zu gelangen"?

    Nein, zumindest nicht in öffentlichen Talkshows. Aber man muss wohl damit leben, dass vieles, was dort oder auch in Bundestagsdebatten "besprochen" wird, einfach Taktik und eben Show ist. Davon lebt die Politik heute nunmal. Das mag man gut finden oder nicht, aber "Ehrlichkeit" in dem Sinne kann sich die Politik auch nicht leisten. Wieviel Taktik dabei ist, sieht man z.B. auch hier:
    http://www.welt.de/politik/article3060921/Gruene-fallen-beim-Konjunkturpaket-um.html#reqRSS

    Daniel E. schrieb:

    Es ist aber doch nur für jeden einzeln rational, sich nicht zu informieren, weil es Zeit und Geld kostet und man in der Zeit auch viel schönere Dinge machen kann. Dazu kommt, daß de facto niemand besser da steht, wenn ich mich mehr für Politik interessiere ...

    Genau die gleiche Frage habe ich mir auch immer gestellt. Allerdings kenne ich, zumindest für mich, die Antwort darauf.

    Und zwar sollte ja klar sein, dass der "Luxus", in dem wir leben, nicht ewig so weiterbestehen wird. Mittlerweile sollte sogar der Letzte verstanden haben, dass unser Gesellschaftsmodell auf Ausbeutung und Rücksichtslosigkeit basiert. Und genau das ist das Problem. Ob man das jetzt nur auf Deutschland bezieht, was in Zeiten der Globalisierung eigentlich nicht mehr möglich ist, oder weltweit: Wir müssen etwas ändern. Wenn nun jemand die Einstellung hat, dass ihn das alles nichts angehe, so mag er für einen überschaubaren Zeitraum vielleicht sogar Recht behalten. Es ist angenehm, sich mit solchen Problem nicht zu beschäftigen, und das Leben einfach so weiterzuleben, wie bisher. Wozu sich mit komplizierten Dingen beschäftigen? Ändert ja sowieso nix. Wobei wir die Probleme von mangelndem Wissen ja in Deutschland schon mitbekommen.

    Über kurz oder lang werden die sogenannten Schwellenländer, allen voran China und Indien, unseren Lebenstandard versuchen zu übernehmen. Das ist aufgrund mangelnder Ressource aber gar nicht mehr möglich. Auch Afrika muss über kurz oder lang in die Weltgemeinschaft als gleichwertiger Partner aufgenommen werden. Dazu gibt es mehrere Konzepte, und alle basieren darauf, dass wir etwas von unserem "Luxus" abgeben. Und genau diese Zusammenhänge müssen von der Mehrheit der Menschen in Industrienationen verstanden werden, damit das funktioniert.

    Denn wenn das nicht passiert, klafft die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. Somit sollte für jeden klar sein, dass das Ignorieren dieser Probleme niemandem nützt. Vielleicht kommt man selber nochmal davon, aber über kurz oder lang wird sich zwangsläufig etwas ändern, sei es nun die Zerstörung der Umwelt, der Aufstand der Armen oder das Ende des Ölzeitalters. Das Wissen um diese Probleme allein ist zwar noch nicht die Lösung, aber ein Schritt dahin.

    gut, vielleicht wähle ich besser, aber meine Stimme ändert mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nichts an irgendeinem wesentlichen Wahlausgang.

    Das meinte ich mit diesem Satz:

    CarstenJ schrieb:

    Für viele scheint es ja so zu sein, dass das einzige Anzeichen für eine Demokratie der unregelmäßige und zudem freiwillige Gang zur Wahlurne ist.

    Neben dem Wählen kann man sich ja auch beispielsweise selber in Parteien engagieren. Abgesehen davon gibt es genügend andere Möglichkeiten, sich zu beteiligen, sei es der WWF, Greenpeace etc. In diesem Rahmen möchte ich mal für den Global Marshallplan Werbung machen:
    http://www.globalmarshallplan.org/

    Der beschäftigt sich genau mit den von mir angesprochenen Problemen, und hat eben dazu auch diverse Lösungskonzepte entwickelt. Wie auch immer, wenn einem klar geworden ist, dass das auf Dauer alles so nicht weitergehen kann und wird, muss man schon allein aufgrund des Selbsterhaltungstriebes etwas tun.



  • 1. Haben sich früher wirklich mehr Leute für das Tagesgeschehen so detailiert interessiert? Muß jeder die Bankenkrise verstehen damit zu sie gelöst werden kann?

    2. Haben die Banken die Papiere wirklich nicht mehr durchschaut? Laut Basel II muß man für jeden Kredit Rückstellungen für den Ausfall bilden. Dadurch das man Kredite verbriefen konnte galten die Kredite bei der kaufenden Bank auf einmal als Wertpapiere. Also keine Rückstellung. Die Rückstellungen konnte man somit auch gewinnbringend anlegen. Die Papiere waren nicht zu komplex zu verstehen, sondern nur zu verlockend wegen der neuen Möglichkeiten.



  • Hi,

    mifudd schrieb:

    Haben sich früher wirklich mehr Leute für das Tagesgeschehen so detailiert interessiert?

    unabhängig von der Bankenkrise, aber für mich lautet die Antwort ganz klar JA. Seien es nun die 68er gewesen, oder die Kritik an der Volkszählung, aber das Interesse damals und die Bereitschaft etwas zu tun waren ja wohl eindeutig größer als heute.



  • Daniel E. schrieb:

    Elektronix schrieb:

    Auslöser der Bankenkrise war die Immobilienkrise in Amerika. Da wurden massenweise Häuser verkauft, ohne die Kreditwürdigkeit der Käufer zu prüfen.

    ... weil es einen politischen Druck gab, das nicht zu tun. Und Häuser gegenüber anderen Anlageklassen günstig gemacht wurden (durch Steuerpolitik und über die GSEs Freddie und Fannie).

    Wenn dem so ist, dann zeigt das nur, daß die Politik tatsächlich einen Einfluß wahrnimmt und die entsprechende Verantwortung trägt.

    Stattdessen wurden die Kredite in Zertifikate gebündelt und an andere Banken (!) weiterverkauft- und hier beginnt die Unübersichtlichkeit. Als dann die ersten Blasen platzten, erhöhten die Banken (die jetzt die Zertifikate in Händen hatten) - um die Lücken zu stopfen - für die übrigen Käufer die Rückzahlungsraten, die dann die Käufer nicht mehr leisten konnten, und so kam die Kettenreaktion in Gang.

    Pardon, der Propagierungsweg ist nicht so wirklich einfach nachzuvollziehen, da passieren viele Sachen vollautomatisch (zB. ein Sicherstellen der Qualität der Anlagen über CDS usw.) und da kann auch die "Politik" nicht einfach eingreifen. Wären diese Mechanismen abgeschaltet gewesen, dann können die Banken zB. nicht mehr die vertraglichen Pflichten gegenüber den Anlegern erfüllen.

    Warum nicht?
    In Deutschland kann ein Kreditnehmer speziell bei Bausparkrediten festlegen, ob sein Kredit verkauft werden darf. Angenommen, viele nehmen dieses Recht in anspruch (was bei der Krise wahrscheinlich ist), dann dürften die Banken gar nicht mehr handlungsfähig sein. Sind sie aber doch- zumindest weitgehend. Vermutlich liegt es daran, daß dsa Finanzsystem in Europa anders strukturiert ist als in Amerika.

    CarstenJ schrieb:

    Seien es nun die 68er gewesen, oder die Kritik an der Volkszählung, aber das Interesse damals und die Bereitschaft etwas zu tun waren ja wohl eindeutig größer als heute.

    Woran erkennst Du das? An den Wahlbeteiligungen? Wahlenthaltung kann durchaus auch eine politische Haltung sein, nicht umsonst spricht man von der "Partei der Nichtwähler".

    Die von Dir genannten Punkte (Vokszählung, APO) sind nur deshalb so auffällig, weil es damals politische Kräfte gab, die die Themen polarisierten und emotionalisierten. Das ist aber nicht immer konstruktiv. Außerdem sind die Kräfte, die damals noch als "Protestbewegung" galten (z. B. die Grünen), heute etablierte Regierungsparteien. Ich würde sagen, die Diskussion hat sich nur versachlicht, ist aber nicht schwächer geworden, und beides ist gut so.



  • Elektronix schrieb:

    Daniel E. schrieb:

    Elektronix schrieb:

    Auslöser der Bankenkrise war die Immobilienkrise in Amerika. Da wurden massenweise Häuser verkauft, ohne die Kreditwürdigkeit der Käufer zu prüfen.

    ... weil es einen politischen Druck gab, das nicht zu tun. Und Häuser gegenüber anderen Anlageklassen günstig gemacht wurden (durch Steuerpolitik und über die GSEs Freddie und Fannie).

    Wenn dem so ist, dann zeigt das nur, daß die Politik tatsächlich einen Einfluß wahrnimmt und die entsprechende Verantwortung trägt.

    Ja, und wenn dieser Einfluss nun aber zur Krise geführt hat? Du gibst ja selbe gerade zu, dass massive Interventionen stattgefunden haben. Und dennoch gab es die Immobilienkrise. Wäre es nicht logischer, hier statt einem Widerspruch eine Kausalität zu sehen?

    mifudd schrieb:

    2. Haben die Banken die Papiere wirklich nicht mehr durchschaut? Laut Basel II muß man für jeden Kredit Rückstellungen für den Ausfall bilden. Dadurch das man Kredite verbriefen konnte galten die Kredite bei der kaufenden Bank auf einmal als Wertpapiere. Also keine Rückstellung. Die Rückstellungen konnte man somit auch gewinnbringend anlegen. Die Papiere waren nicht zu komplex zu verstehen, sondern nur zu verlockend wegen der neuen Möglichkeiten.

    Da liegt m.E. nicht das Problem. Das Problem ist eher, dass man davon ausgegangen ist, dass die einzelnen Kredite unabhängig voneinander ausfallen (keine Korrelation). Dass durch ein externes Ereignis aber ein Massenausfall eintreten könnte, wurde nicht berücksichtigt. Noch besser wäre es aber natürlich, wenn diese große Zahl an faulen Krediten gar nicht entstanden wäre (siehe weiter oben, auch andere Posts).

    @CarstenJ: Ich willd einen Post jetzt nicht mit unnötigen langen oder vielen Quotes "zerpflücken" und im Großen und Ganzen hast du in vielen Punkten recht (auch wenn ich das mit der Ausbeutung nicht ganz verstehe, aber nun gut).

    Nur wie kommst du auf die Idee, dass wir etwas von "unseren" "Luxus" abgeben müssten, damit es China, Indien & co besser gehen kann? Europa und Amerika sind auch groß geworden, ohne bei einer anderen Nation zu schmarotzen und dadurch, dass die Welt heute schon weitestgehend industrialisiert ist, ist es doch nur eine Frage der Produktionseffizienz, die eben gesteiert werden muss (und gesteigert werden kann). Immer wieder vorgebrachte und nicht belegte FUD-Argumente wie diverse Umweltschutz-Dogmen helfen dabei natürlich aber nicht.

    Viele Grüße
    Christian



  • ChrisM schrieb:

    Europa und Amerika sind auch groß geworden, ohne bei einer anderen Nation zu schmarotzen

    Da fehlen einem die Worte.



  • Bashar schrieb:

    ChrisM schrieb:

    Europa und Amerika sind auch groß geworden, ohne bei einer anderen Nation zu schmarotzen

    Da fehlen einem die Worte.

    Ich nehme mal an, du spielst auf Sklaverei und Kolonialisierung an.

    Und in wieweit spielten die denn bei der Industrialisierung von Deutschland oder England eine Rolle (gut, bzgl. Amerika kann man darüber streiten, aber soweit ich weiß, wurde auch dort das absolute Gros der Sklaven in der Landwirtschaft eingesetzt)?

    Viele Grüße
    Christian



  • ChrisM schrieb:

    Elektronix schrieb:

    Wenn dem so ist, dann zeigt das nur, daß die Politik tatsächlich einen Einfluß wahrnimmt und die entsprechende Verantwortung trägt.

    Ja, und wenn dieser Einfluss nun aber zur Krise geführt hat? Du gibst ja selbe gerade zu, dass massive Interventionen stattgefunden haben. Und dennoch gab es die Immobilienkrise. Wäre es nicht logischer, hier statt einem Widerspruch eine Kausalität zu sehen?

    Habe ich einen Widerspruch gesehen? CarstenJ hat im OP gemeint, daß wir oft allzu viel Verantwortung auf die Politik abwälzen. Ich habe ihm in Grenzen widersprochen und dargestellt, daß die Politik doch einige Verantwortung hat. Wo ist das ein Widerspruch?
    Die Frage ist sicherlich, in welche Richtung sie ihren Einfluß wahrnimmt.

    Europa und Amerika sind auch groß geworden, ohne bei einer anderen Nation zu schmarotzen und dadurch, dass die Welt heute schon weitestgehend industrialisiert ist, ist es doch nur eine Frage der Produktionseffizienz, die eben gesteiert werden muss (und gesteigert werden kann).

    Also, da würde ich denn doch widersprechen. Hast Du mal nachgeforscht, woher die Energieressourcen stammen, mit der wir nach dem Krieg unsere Wirtschaft aufgebaut haben, und wer die meisten Ressourcen heute nutzt? Abgesehen davon sind die Chancen auf dem Weltmarkt durchaus nicht gleich: Amerika und Europa schotten sich durch Zollpolitik rigoros gegen Produkte aus den ärmeren Ländern ab. Die Wirtschaftsverhältnisse sind also sehr einseitig.



  • Bashar schrieb:

    ChrisM schrieb:

    Europa und Amerika sind auch groß geworden, ohne bei einer anderen Nation zu schmarotzen

    Da fehlen einem die Worte.

    Naja, stimmt schon, so liest sich das sehr seltsam. Aber: Kolonien waren immer ein volkswirtschaftliches Minusgeschäft für das Mutterland und zB. England hatte zu Zeiten seines größten wirtschaftlichen Aufschwungs Sklaverei schon lange abgeschafft ...



  • Elektronix schrieb:

    ChrisM schrieb:

    Elektronix schrieb:

    Wenn dem so ist, dann zeigt das nur, daß die Politik tatsächlich einen Einfluß wahrnimmt und die entsprechende Verantwortung trägt.

    Ja, und wenn dieser Einfluss nun aber zur Krise geführt hat? Du gibst ja selbe gerade zu, dass massive Interventionen stattgefunden haben. Und dennoch gab es die Immobilienkrise. Wäre es nicht logischer, hier statt einem Widerspruch eine Kausalität zu sehen?

    Habe ich einen Widerspruch gesehen? CarstenJ hat im OP gemeint, daß wir oft allzu viel Verantwortung auf die Politik abwälzen. Ich habe ihm in Grenzen widersprochen und dargestellt, daß die Politik doch einige Verantwortung hat. Wo ist das ein Widerspruch?
    Die Frage ist sicherlich, in welche Richtung sie ihren Einfluß wahrnimmt.

    Du hast weiter oben gefordert, dass die Politik ermöglichen muss, dass die Banken Kunden nicht aufgrund von vermeintlich willkürlichen Gründen Kredite verweigern dürfen.

    Ich habe nur darauf hingewiesen, dass es genau das, was du gefordert hast ("affordable housing" z.B. in Form der Community Reinvestment Acts), gegeben hat und es dann mit etwas Zeitverzögerung genau dort massive Probleme gibt.

    Elektronix schrieb:

    Europa und Amerika sind auch groß geworden, ohne bei einer anderen Nation zu schmarotzen und dadurch, dass die Welt heute schon weitestgehend industrialisiert ist, ist es doch nur eine Frage der Produktionseffizienz, die eben gesteiert werden muss (und gesteigert werden kann).

    Also, da würde cih denn doch widersprechen. Hast Du mal nachgeforscht, woher die Energieressourcen stammen, mit der wir nach dem Krieg unsere Wirtschaft aufgebaut haben, und wer die meisten Ressourcen nutzt? Abgesehen davon sind die Shancen auf dem Weltmarkt durchaus nicht gleich: Amerika und Europa schotten sich durch Zollpolitik rigoros gegen Produkte aus den ärmeren Ländern ab.

    Richtig, deshalb sollten wir daran arbeiten, ihnen die gleichen Chancen zu geben. Von mir wirst du kein Wort pro Schutzzölle oder Protektionismus hören.

    Viele Grüße
    Christian (@ Uni jetzt wieder)



  • ChrisM schrieb:

    Richtig, deshalb sollten wir daran arbeiten, ihnen die gleichen Chancen zu geben. Von mir wirst du kein Wort pro Schutzzölle oder Protektionismus hören.

    Viele Grüße
    Christian (@ Uni jetzt wieder)

    Sehr gut. Aber das ist es nicht alleine. Man betrachte sich mal die Lohn- und Arbeitsverhältnisse, unter denen Menschen z. B. in Indien die Pullover herstellen, die hier für teures Geld verkauft werden. Die mit Abstand größten Gewinnmargen haben die Händler, die in Europa sitzen, nicht die Arbeiter in den Herstellungsländern. Da fällt einem nichts anderes ein als das Wort "Schmarotzertum".

    Du hast weiter oben gefordert, dass die Politik ermöglichen muss, dass die Banken Kunden nicht aufgrund von vermeintlich willkürlichen Gründen Kredite verweigern dürfen.

    Nein. Ich habe gefordert, daß die Vergabekriterien für Kreditkonditionen(!) fair und unvoreingenommen, frei von willkürlichen SchuFa-Werten wie dem Wohnort oder der Zahl der Beratungsgespräche- sind. Bei diesen Maßsstäben sagt die SchuFa so gut wie gar nichts über die Kreditwürdigkeit aus. Will sagen, daß solche Sachen nicht in die SchuFa-Auskünfte einfließen dürfen. Derzeit gibt es da meiner Ansicht nach einen rechten Wildwuchs. Es kann ja nicht sein, daß ein Kunde höhere Zinsen zahlen muß, nur weil er in einem angebliche ärmeren Stadtteil wohnt, oder weil er kein Handy oder kein Zweitauto hat... 👎



  • Hi,

    ChrisM schrieb:

    (auch wenn ich das mit der Ausbeutung nicht ganz verstehe, aber nun gut).

    Wir profitieren davon, dass manche Menschen ihre Kinder zur Arbeit schicken MÜSSEN, damit sie überhaupt etwas zu essen haben. Wir profitieren davon, dass es keinen weltweit gültigen pro-Kopf Emissionshandel gibt, so dass wir (die Industrienationen) die Umwelt zerstören können, ohne Abgaben dafür leisten zu müssen.

    ChrisM schrieb:

    Produktionseffizienz, die eben gesteiert werden muss

    Das passiert natürlich auch. Die Steigerung der Produktionseffizienz kann aber den gesteigerten Verbrauch nicht kompensieren, so dass im Endeffekt ein Resourcendefizit herrscht. Ein Buch, in dem diese Zusammenhänge ganz gut beschrieben und erklärt werden:
    Welt mit Zukunft | ISBN: 3938017864

    Ein Beispiel ist die Überfischung der Meere. Durch bessere und effizientere Fangmethoden gehen viel mehr Fische in kürzerer Zeit ins Netz. Sogar der Beifang kann dadurch minimiert werden. Nur ist eben der Verzehr von Fisch schon so alltäglich geworden, dass man das gar nicht mehr als Luxus empfindet. Also eben gerade aufgrund der effizienteren Fangmethoden gehen mehr Fische ins Netz, was schneller zur Überfischung führt.

    ChrisM schrieb:

    Nur wie kommst du auf die Idee, dass wir etwas von "unseren" "Luxus" abgeben müssten, damit es China, Indien & co besser gehen kann?

    Was die Umwelt betrifft, meine ich damit z. B. das Autofahren, oder das Verzehren von bestimmten Fischarten. Damit das zukünftige noch möglich ist, muss man sich diesbezüglich einschränken und bewusster handeln. Ein europäisches Land, das von dem Beitritt der EU erheblich profitiert hat, war Spanien. Durch den Beitritt gab es einen erheblich wirschaftlichen Aufschwung. Was "wir" abgeben mussten, war Spanien als billiges Urlaubsland. Das gleiche würde natürlich auf beispielsweise Thailand oder die Philippinen zutreffen. Wenn diese Länder einen höheren Lebensstandard hätten, wäre der Urlaub dort auch teurer.



  • ChrisM schrieb:

    Nur wie kommst du auf die Idee, dass wir etwas von "unseren" "Luxus" abgeben müssten, damit es China, Indien & co besser gehen kann?

    Um es knapp zu sagen: Wir in Europa müßten uns auf höhere Preise- und die Händler auf weniger Gewinn- einlassen, damit die Arbeiter in Fernost oder Afrika faire -will sagen: menschenwürdige- Löhne erhalten. Stichwort TransFair.
    Bislang wird vor allem das gekauft, was möglichst billig ist- vor allem bei alltäglichen Waren. Die können aber nur so billig sein, weil in der 3. Welt Hungerlöhne für Sklavenhalterei gezahlt werden (allerdings bei Urlaubsreisen kann es ja manchmal nicht teuer genug sein).


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