Wie fastet ihr?
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Kant schreibt genauer:
Es ist doch möglich, daß, nachdem du dem Mörder, auf die Frage, ob der von ihm Angefeindete zu Hause sei, ehrlicherweise mit Ja geantwortet hast, dieser doch unbemerkt ausgegangen ist, und so dem Mörder nicht in den Wurf gekommen, die Tat also nicht geschehen wäre; hast du aber gelogen, und gesagt, er sei nicht zu Hause, und er ist auch wirklich (obzwar dir unbewußt) ausgegangen, wo denn der Mörder ihm im Weggehen begegnete und seine Tat an ihm verübte: so kannst du mit Recht als Urheber des Todes desselben angeklagt werden. Denn hättest du die Wahrheit, so gut du sie wußtest, gesagt: so wäre vielleicht der Mörder über dem Nachsuchen seines Feindes im Hause von herbeigelaufenen Nachbarn ergriffen, und die Tat verhindert worden.
[...]
Wenn man die Namen der Personen, sowie sie hier aufgeführt werden, beibehalten will: so verwechselte »der französische Philosoph« die Handlung, wodurch jemand einem anderen schadet (nocet), indem er die Wahrheit, deren Geständnis er nicht umgehen kann, sagt, mit derjenigen, wodurch er diesem Unrecht tut (laedit). Es war bloß ein Zufall (casus), daß die Wahrhaftigkeit der Aussage dem Einwohner des Hauses schadete, nicht eine freie Tat (in juridischer Bedeutung).In der Formulierung widerspricht das dem kategorischen Imperativ auch nicht, vielmehr widerspräche es ihm, wenn du den Mörder bloß als Mittel zur Verhinderung der Tat einsetzt (und ihm durch eine Lüge versuchst, davon abzuhalten). Damit negierst du in gewisser Form die freie Möglichkeit des Mörders, nicht zu morden. Und: Er schreibt auch nur für den Fall, dass man antworten muss und sagt auch nicht, was man sonst noch tun muss/kann, um den Mord zu verhindern. Dass man mit diesem Framework von sich aus nicht den Nationalsozialismus und dessen Funktionieren beschreiben kann ("Wenn aus Unrecht Rect wird..."), konnte Kant nicht vorhersehen.
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Das klingt konsequent nach Kant argumentiert.
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Aber der wichtige Punkt ist doch, dass wir uns darüber einig sind, dass der absolute Grundsatz "Du darfst nicht Lügen" zu moralischen Fehlentscheidungen führen kann. Dies ist natürlich unsere Moral die wir uns selbst gemacht haben. Das ist auch gut so, da alle absoluten moralischen Systeme bisher versagt haben. Das gilt auch für die Bibel. Daher braucht man in Ermangelung eines besseren Systems diese persönliche Moral wie sie Kant beschreibt. Zumindest in der Form wie ich ihn bisher verstanden habe. Ich bin geschockt, dass er das so radikal gemeint hat und bin heute von Kant-Fanboy zum Verächter geworden.
Meinen obigen Leitsatz kann ich jederzeit anpassen, wenn ich feststelle, dass damit etwas nicht richtig ist. Die Idee bei Kant ist zwar, dass ich vorher gründlicher hätte nachdenken müssen, damit so etwas gar nicht erst passiert, aber das ist realistisch gesehen unmöglich, alle Situationen perfekt vorauszusehen. Und ich muss Kant auch zum Vorwurf machen, dass er bei dem was du zitiert hast eben auch nicht so gedacht hat, dass moralisches Handeln in jeder Situation folgt.
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Das klingt jetzt zwar banal, gleichzeitig schwierig und für manche vielleicht sogar kitschig, aber eigentlich denke ich, dass man die moralisch besten Entscheidungen trifft, wenn man einfach auf sein Herz hört. Kant hat eigentlich versucht mehr oder weniger das abzubilden: Das natürlich Moralempfinden. Das niederzuschreiben und eine Theorie drum herum aufzubauen, ist streng genommen gar nicht notwendig. Aber die Gesellschaft, die immer alles als rationell nachvollziehbar benötigt, fordert so was natürlich ein wenig.
Daher bin ich auch großer Freund der Epoche "Klassik", weil sie Sturm und Drang sowie die Aufklärung gewissermaßen verbindet und weiterentwickelt. Ratio und Gefühle. Und was wir jetzt haben, ist eigentlich wieder so eine Art neuzeitliche Aufklärung, wobei das rationelle Denken ja leider nicht wirklich ausgeführt wird. Aber die Gefühlsebene ist doch eigentlich geradezu verbannt worden.
Ich bin echt ein Meister darin, neue Themen anzuschneiden, aber das hat sich mir gerade aufgedrängt.
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Eisflamme schrieb:
Das klingt jetzt zwar banal, gleichzeitig schwierig und für manche vielleicht sogar kitschig, aber eigentlich denke ich, dass man die moralisch besten Entscheidungen trifft, wenn man einfach auf sein Herz hört.
Das ist kitschig formuliert für "Tue das was du für richtig hältst.". Und ich halte das auch für eine gute Idee. Womit wir wieder beim Anfang wären:
SeppJ schrieb:
Wenn ihr euch aus der Religion sowieso die moralischen Botschaften rauspickt, die ihr für richtig haltet, wozu dann noch die Religion?
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Ne, ich möchte damit noch was anderes betonen. Für richtig halten kann man auch Dinge nach dem Verstand, damit kommt man aber nicht immer zu einer Lösung. Mit dem Herzen heißt sich wirklich in die Dinge reinzufühlen und dann nach Gefühl zu handeln, das ist etwas ganz anderes.
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Eisflamme schrieb:
Ne, ich möchte damit noch was anderes betonen. Für richtig halten kann man auch Dinge nach dem Verstand, damit kommt man aber nicht immer zu einer Lösung. Mit dem Herzen heißt sich wirklich in die Dinge reinzufühlen und dann nach Gefühl zu handeln, das ist etwas ganz anderes.
Das wiederum halte ich für gefährlichen Unfug. Bestenfalls, falls du mangels Informationen nicht zu einem logischen Ergebnis kommen kannst. Dann kannst du aber auch würfeln, gewichtet nach Plausibilität.
Was du beschreibst ist doch nur "Tue, was du willst". Wenn dein "Herz" dir sagt, dass du dem Baby den Lolli klauen sollst, weil du Hunger auf was Süßes hast, dann müsstest du dies deiner Aussage zufolge tun, obwohl dir dein Kopf etwas anderes sagt.
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Und das ist der Punkt. Dein Herz würde dir niemals sagen, dass du einem Kind den Lolly klauen willst. oO
Ich bin nicht davon ausgegangen, dass du das verstehst, aber so ein grobes Missverständnis ist schon hart. Nach dem Gefühl zu handeln, etwas richtig zu tun, hat nichts mit Neigungen zu tun, sondern resultiert aus einem tiefen in-sich-hineinhorchen.
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Eisflamme schrieb:
Und das ist der Punkt. Dein Herz würde dir niemals sagen, dass du einem Kind den Lolly klauen willst. oO
Ich glaube, da lassen sich unzählige Beispiele aufführen, daß jemandes Herz jemandem was Schreckliches gesagt hat.
http://www.sueddeutsche.de/panorama/pizzabaecker-mord-nach-fussballstreit-hier-hast-du-deine-vier-sterne-1.970783
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Eisflamme schrieb:
Nach dem Gefühl zu handeln, etwas richtig zu tun, hat nichts mit Neigungen zu tun, sondern resultiert aus einem tiefen in-sich-hineinhorchen.
Das geht dann in etwa so: Also eigentlich habe ich keine Lust auf einen Kreuzzug. Aber wenn ich tief in mich hineinhorche, habe ich da schon ein schlechtes Gewissen und erkenne, daß ich nicht auf der faulen Haut liegen sollte, sondern Gott und Vaterland aktiv verteidigen sollte und ein paar gefährliche Heiden ermorden.
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Tut mir Leid, volkard, aber... ich hab dich noch nie irgendwo so einen unglaublichen Schwachsinn schreiben sehen. Eigentlich ging ich davon aus, dass Du jemand bist, der Zusammenhänge richtig erkennen kann und nicht nur ein Hetzer ist oder der, um irgendwelche Dinge auszudrücken, nicht einfach Behauptungen in den Raum stellt.
Niemand wird, wenn er auf sein Herz hört, dazu kommen, dass er einen Kreuzzug führen oder jemanden töten sollte. Die meisten Leute hören eben nicht darauf. Und wenn man nach irgendwelchen Prinzipien handelt oder nach Vaterlands-/Gottesprinzip irgendwas tut, hat das auch nichts damit zu tun.
An den Haaren herbeigezogen und vollkommen unpassend für das, was ich meine, ist das und nichts anderes. Das ist auch das erste Mal in den beiden Threads, dass mich etwas tatsächlich Mal aufregt und enttäuscht, weil ich da mehr erwartet hätte. mimimi
Ich schreibe in diesen Threads nichts mehr und hätte, auch wenn Dir das egal sein sollte, tatsächlich mehr von Dir erwartet.
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Eisflamme schrieb:
Niemand wird, wenn er auf sein Herz hört, dazu kommen, dass er einen Kreuzzug führen oder jemanden töten sollte.
Das sehe ich nicht. Und genau das ist das Problem. Du schließt hier von Dir auf andere. Dein Herz ist wohlgeeicht. Aber das sind nicht alle Herzen.
Eisflamme schrieb:
Die meisten Leute hören eben nicht darauf. Und wenn man nach irgendwelchen Prinzipien handelt oder nach Vaterlands-/Gottesprinzip irgendwas tut, hat das auch nichts damit zu tun.
Eisflamme schrieb:
An den Haaren herbeigezogen und vollkommen unpassend für das, was ich meine, ist das und nichts anderes.
Du hast ein allgemeingültiges Prinzip aufgestellt. Das habe ich geprüft, indem ich Extremfälle gewählt habe, und nachgewiesen, daß es nicht allgemeingültig ist.
Eisflamme schrieb:
Ich schreibe in diesen Threads nichts mehr und hätte, auch wenn Dir das egal sein sollte, tatsächlich mehr von Dir erwartet.
Das ist mir nicht egal. Ich finde es schade. Du hast viele für mich wertvolle Beiträge geliefert. Daß ich in diesem Punkt echt anderer Meinung bin, sollte zu keinem Bruch führen.
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Edit:
"Herzen" sind nicht geeicht, sondern meistens stark blockiert oder belastet. Wer glaubt auf sein Herz zu hören, wenn er irgendwas tut, was eigentlich böse ist, der handelt nicht danach. Vielleicht glaubt er es, aber das ist dann nicht so. Das gehört wieder dazu, dass ich glaube, dass jeder Mensch eigentlich gut ist (nennt man auch göttlicher Funke; Begriff diskutabel), aber viele sind davon eben sehr weit weg und haben viel Mist auf sich geladen. Man kann sagen, eigentlich fast jeder. Das Stück wollte ich dann doch noch abschließend für heute loswerden.Okay, dann schreibe ich doch noch abschließend, dass es mich freut, dass Dir ein paar Dinge anscheinend einen gewissen Wert vermittelt haben. Trotzdem schreibe ich zumindest heute nichts mehr hier, weil mir das Umfeld mittlerweile zu feindlich ggü. meinem moralischen Verständnis ist. Das heißt nicht, dass ich davon minder überzeugt bin, aber es ist vergebene Liebesmühe, in Angesicht dieses Forums so etwas verteidigen zu wollen. Es ist anstrengend, kostet Zeit und Tastendrücke und nützt nichts.