Litwinenko-Affäre



  • Da wir zu dem Thema noch keinen Thread haben, fang ich mal an.

    Es ist doch erstaunlich, wie offensichtlich da Russland hinter stecken muss. Wie sollte man sonst als Privatmann an Polonium-210 kommen, das in Atomkraftwerken hergestellt wird? Vor allem hatte die Menge an Polonium laut Spiegel einen Marktwert von 30 Millionen!

    http://www.guardian.co.uk/russia/article/0,,1962354,00.html schrieb:

    British officials say the perpetrators were probably former Russian security agents, or members of a criminal gang linked to them.

    Das halte ich eher für eine politische Höflichkeit der Beamten, da diese nicht direkt den russischen Staat beschuldigen wollen.

    Aber was verspricht man sich von einem so offensichtlichen Vorgehen? Es gibt unmengen an Gift auf der Welt, wo man leicht (oder zumindest wesentlich leichter als an ein seltenes radiokatives Isotop) dran kommt. Also was soll das bezwecken? Wil lder FSB den "Dissidenten" zeigen, das sie sie überall erwischen können?



  • Oder man wollte den Russen loswerden und es so aussehen lassen, als wären es die Russen selbst gewesen.



  • Halte ich auch für wahrscheinlicher.

    Was für dein Deppen-Geheimdienst müsste das sein, so offensichtliche Spuren zu hinterlassen? Da wäre ein Verkehrsunfall oder ein Raubmord doch unauffälliger gewesen.

    Vielleicht war es auch ein Gegner Putins oder am Ende gar Selbstmord?

    Kann natürlich trotzdem sein, dass es "die Russen" waren, weil sie sich dann eben mit dem obigen Argument rausreden können 😉



  • rüdiger schrieb:

    Es ist doch erstaunlich, wie offensichtlich da Russland hinter stecken muss.

    Kann es sein, dass du "Russland" für ziemlich blöd hältst? Zitat: "if the Kremlin wanted to kill Litvinenko, why attract world-wide publicity? A quiet bullet would have been equally effective."

    Ein Überblick der aktuellen Theorien:

    <a href= schrieb:

    The Independent">
    MOSCOW DID IT: The defector's associates have accused President Vladimir Putin of being behind the killing. Russia sought to treat the allegation with disdain, but as the controversy grew, Mr Putin was forced to issue a formal denial. The official position is that the death is a tragedy, and should be left to the British police. Most believe the theory is implausible: if the Kremlin wanted to kill Litvinenko, why attract world-wide publicity? A quiet bullet would have been equally effective.

    ROGUE FSB ELEMENTS: This is in many ways more damaging to Mr Putin. It has been suggested in Britain and in Russia that the President does not fully control the security service, and that he is not aware of everything it does. Litvinenko earned the enmity of former colleagues, first by saying he had been ordered to assassinate Mr Berezovsky, later by accusing them of a plot to justify the invasion of Chechnya. He also claimed that there was official involvement in the recent killing of the investigative journalist, Anna Politkovskaya. The FSB might have chosen to make his death as lurid as possible, to warnother potential whistle-blowers.

    BEREZOVSKY IS RESPONSIBLE: This is the favourite theory of the Kremlin's supporters in Moscow, where the fugitive oligarch is vilified as a criminal plotter against Russian interests from his exile in Britain. Why the billionaire would want to dispose of an ally who had lent powerful support to his campaign against Russian abuses in Chechnya is less clear. There have been half-hearted claims that he or his circle might have wanted to create a "martyr" for the cause.

    LITVINENKO POISONED HIMSELF: Another suggestion being heard mainly in Moscow. Why anyone would choose to kill himself in such a dreadful fashion is a mystery, and for what reason? Martyrdom? However, the British authorities have allowed the theory to gain some momentum by refusing publicly to rule out the possibility, and by hinting that Litvinenko's own account of the poisoning is flawed.

    Und eine Betrachtung der Berichterstattung über den Fall: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24067/1.html



  • Jansen schrieb:

    rüdiger schrieb:

    Es ist doch erstaunlich, wie offensichtlich da Russland hinter stecken muss.

    Kann es sein, dass du "Russland" für ziemlich blöd hältst? Zitat: "if the Kremlin wanted to kill Litvinenko, why attract world-wide publicity? A quiet bullet would have been equally effective."

    Naja, diese Argumentation funktioniert aber auch in beide Richtungen ...



  • Jansen schrieb:

    rüdiger schrieb:

    Es ist doch erstaunlich, wie offensichtlich da Russland hinter stecken muss.

    Kann es sein, dass du "Russland" für ziemlich blöd hältst? Zitat: "if the Kremlin wanted to kill Litvinenko, why attract world-wide publicity? A quiet bullet would have been equally effective."

    Nein, ich halte "Russlang" ganz und gar nicht für blöd.

    Ich halte es nur für sehr fragwürdig, das irgend welche Personen oder Gruppen, die zu keiner Regierung gehören an ein seltenes radioaktives Isotop kommen, das in Atomkraftwerken hergestellt wird. Vor allem wenn die verwendete Menge um die 30 Millionen Euro kostet.

    Wie gesagt, ich halte es für durchaus möglich, das hier ein Exempel statuiert wurde. Welche Konsequenzen würden Russland schon drohen? Die können einerseits die Ermittlungen stark beeinflussen, wenn diese Richtung Russland gehen sollten und andererseits gibt es ja auch keine diplomatischen Mittel um wirklich gegen Russland aktiv zu werden, außer vielleicht den Botschafter zurück ziehen und den russischen Botschafter zu sich zu bestellen. Ich glaube kaum, das Großbritannien sich eine große diplomatische Krise mit Russland leisten will und kann.



  • Daniel E. schrieb:

    Naja, diese Argumentation funktioniert aber auch in beide Richtungen ...

    Nach dem Muster ich weiss dass du weisst dass ich weiss dass du weisst dass ich weiss dass du weisst ... !?

    Es sieht so aus, als ob Russland es war.
    Jemand wollte, dass es nach Russland aussieht.
    Russland wollte, dass es so aussieht, als ob jemand es nach Russland aussehen lassen wollte.
    Jemand wollte es so aussehen lassen, als ob Russland wollte, dass es so aussieht, als ob jemand es nach Russland aussehen lassen wollte.
    Russland wollte, dass es so aussieht, als ob jemand es so aussehen lassen wollte, als ob Russland wollte, dass es so aussieht, als ob jemand es nach Russland aussehen lassen wollte.
    Jemand wollte es so aussehen lassen als ob Russland wollte, dass es so aussieht, als ob jemand es so aussehen lassen wollte, als ob Russland wollte, dass es so aussieht, als ob jemand es nach Russland aussehen lassen wollte.

    Usw. usf. An welche Stelle willst du den Strich ziehen?

    rüdiger schrieb:

    Wie gesagt, ich halte es für durchaus möglich, das hier ein Exempel statuiert wurde.

    Aber dann wohl nicht von "Russland" oder vom "Kreml" sonder eher laut Theorie 2 von eigenmächtigen Geheimdienstlern.
    Nun entziehen sich überall auf der Welt die Geheimdienste routinemässig der "demokratischen" Kontrolle, in der Regel allerdings mit weniger Publicitiy. Im aktuellen Fall ist wohl entscheidend, wer am meisten von der Publicity profitiert bzw. wer darunter leidet. Cui bono?



  • staatliche Kontrolle und Unterdrückung, Tschetschenien, Ukraine, Georgien ... Russland ist permanent mit "negativer Publicity" konfrontiert - und interessiert sich nicht die Bohne dafür. Deshalb ist es ziemlich naiv eine Verstrickung des Staates nur deshalb auszuschließen, weil man kein Interesse an negativer Berichterstattung habe. Das stimmt natürlich. Aber wie das Verhalten Russlands auf praktisch allen Ebenen zeigt ist auch klar, dass "negative Publicity" Russland überhaupt nicht stört. Wenn es darum geht eigene Interessen und Macht durchzusetzen, ist offensichtlich nichts so irrelevant wie die öffentliche Meinung im Ausland ...



  • Jansen schrieb:

    Daniel E. schrieb:

    Naja, diese Argumentation funktioniert aber auch in beide Richtungen ...

    Nach dem Muster ich weiss dass du weisst dass ich weiss dass du weisst dass ich weiss dass du weisst ... !?

    Es sieht so aus, als ob Russland es war.
    Jemand wollte, dass es nach Russland aussieht.
    Russland wollte, dass es so aussieht, als ob jemand es nach Russland aussehen lassen wollte.[...]

    Usw. usf. An welche Stelle willst du den Strich ziehen?

    Ich würde das "es sieht so aus, als ob"-Argument aus meiner Liste entfernen.



  • minhen schrieb:

    Wenn es darum geht eigene Interessen und Macht durchzusetzen, ist offensichtlich nichts so irrelevant wie die öffentliche Meinung im Ausland ...

    Zum Glück trifft das ausschliesslich auf Russland zu ... 😮

    Daniel E. schrieb:

    Ich würde das "es sieht so aus, als ob"-Argument aus meiner Liste entfernen.

    Gern, wenn du stattdessen Beweise einfügst.



  • Als erstes müsste man sich mal fragen, wie der Spiegel auf einen Marktwert kommt von 30 Millionen.
    Das Zeugs scheints ja nur in AKWs zu geben, und offensichtlich ist da auch nicht unbedingt ein Markt.

    Andererseits muss man davon ausgehen, das wer immer ihn umgebracht hat, wohl über entsprechende Beziehungen
    verfügt, sich das Zeugs zu besorgen. Und ich glaube nicht das irgendwer 30 Millionen dafür bezahlt hat.

    Es könnte gut sein, das einige Kriminelle Elemente aus dem Umfeld des FSB beseitigen wollten, und das so,
    das weitere ehemalige ihre Lektion lernen. Das es ein von Putin beauftragter Mord war, glaube ich aber nicht.
    Das ist nicht seine Art, ein öffentlicher Schauprozess oder so wäre wohl eher nach seinem Geschmack gewesen.


  • Mod

    Jansen schrieb:

    minhen schrieb:

    Wenn es darum geht eigene Interessen und Macht durchzusetzen, ist offensichtlich nichts so irrelevant wie die öffentliche Meinung im Ausland ...

    Zum Glück trifft das ausschliesslich auf Russland zu ... 😮

    Rußland dürfte schon ziemlich an der Spitze der Staaten stehen, denen die Außenwirkung völlig gleichgültig ist. Siehe auch der Gasstreit mit der Ukraine. Rußland ist in dieser Hinsicht sogar ehrlicher als der Westen - der offene Einsatz von Gewalt und Erpressung wird nicht umständlich verborgen und verschleiert, sondern schulterzuckend vorgetragen.

    Letztlich ist auch die Aussage, jemand wolle den FSB diskreditieren irgendwie ohne rechten Sinn: den FSB zu diskreditieren? Hallo? Dem FSB traut ja ohnehin keiner über den Weg. Ähnlich Putin. Wie sollte man so jemanden diskreditieren können.

    Gleichzeitig ist auch die Art und Weise der Vorgehensweise typisch russisch, mit roher, ungeschliffener Brutalität, eine seltsame Verbindung von moderner Technik und gleichzeitig doch irgendwie außerordentlich primitiv und schlampig.



  • phlox81 schrieb:

    Als erstes müsste man sich mal fragen, wie der Spiegel auf einen Marktwert kommt von 30 Millionen.
    Das Zeugs scheints ja nur in AKWs zu geben, und offensichtlich ist da auch nicht unbedingt ein Markt.

    Ne, das kommt nicht in AKWs vor, es wird in AKWs produziert. Einen Markt scheint es zu geben (sehr kleinen Markt, daher ist es so teuer)

    The Kremlin's deputy spokesman, Dmitry Peskov, told the Guardian yesterday that Russia produced polonium at only one city, which is closed to foreigners, and kept strict controls on the eight grammes it exports to American companies each month.

    http://www.guardian.co.uk/russia/article/0,,1962354,00.html

    Aber wie gesagt, dadurch dass das Zeugs so selten ist und so teuer muss es irgend eine Regierung oder Regierungs-Organisation gemacht haben.

    Jansen schrieb:

    Aber dann wohl nicht von "Russland" oder vom "Kreml" sonder eher laut Theorie 2 von eigenmächtigen Geheimdienstlern.
    Nun entziehen sich überall auf der Welt die Geheimdienste routinemässig der "demokratischen" Kontrolle, in der Regel allerdings mit weniger Publicitiy. Im aktuellen Fall ist wohl entscheidend, wer am meisten von der Publicity profitiert bzw. wer darunter leidet. Cui bono?

    Das Putin selbst die Ermordung veranlasst hat, glaube ich auch nicht unbedingt. Aber das es irgend welche Elemente des FSB waren, ohne das zumindest die FSB-Spitze davon wusste, wage ich mal stark zu bezweifeln. Daher habe ich auch etwas schwammig "Russland" und nicht "Kerml" oder "Putin" geschrieben.



  • Marc++us schrieb:

    Rußland dürfte schon ziemlich an der Spitze der Staaten stehen, denen die Außenwirkung völlig gleichgültig ist. Siehe auch der Gasstreit mit der Ukraine.

    auch ganz nett ist die beziehung zu tschetschenien...



  • minhen schrieb:

    staatliche Kontrolle und Unterdrückung, Tschetschenien, Ukraine, Georgien ... Russland ist permanent mit "negativer Publicity" konfrontiert - und interessiert sich nicht die Bohne dafür.

    Ich wollt's nur mal anmerken. Muss ja nicht alles dreimal aufgezählt werden ... sonst nimmt das bei Russland nie ein Ende 😉



  • Marc++us schrieb:

    Gleichzeitig ist auch die Art und Weise der Vorgehensweise typisch russisch, mit roher, ungeschliffener Brutalität, eine seltsame Verbindung von moderner Technik und gleichzeitig doch irgendwie außerordentlich primitiv und schlampig.

    Ist es nicht toll, wenn man absolut keine Vorurteile hat?

    Ändert aber nichts daran, dass es möglicherweise genau nach dieser "typisch russischen" Vorgehensweise aussehen sollte.


  • Mod

    Die wichtigste Frage ist laut Elliots Lehrmeister ja "Warum?". Warum gibt jemand soviel Geld aus wenns ein einfacher Mord auch getan hätte? Das würde absolut nichts bringen wenn nicht die Medien dann so ein Tam-Tam drum machen. Warum auch immer die mediale Präsenz gewünscht wurde, sie wurde auf jeden Fall gewünscht (alleine die ganzen Patzer passieren doch nicht einfach so...)

    Entweder um ein Exempel zu statuieren oder aber um auf Russland abzuzielen, oder oder oder. Sich hier ein Urteil zu schaffen das nur auf Informationen von Medien besteht ist imho sinnlos. Da versucht jeder irgendwem anderen was anzudrehen.

    Fakt ist, man wollte, dass wir jetzt drüber reden. ➡ Gedanken machen warum man das wollte!

    MfG SideWinder



  • SideWinder schrieb:

    Sich hier ein Urteil zu schaffen das nur auf Informationen von Medien besteht ist imho sinnlos.

    Das ist doch bei fasten allen Threads im Neuigkeiten-Forum so, das wir hier nur spekulieren.

    Also ich sage:

    (a) Der Täter wird nicht gefunden und die Polizei stellt irgend wann ihre Arbeit ein (alle Spuren zeigen zwar nach Russland, aber da kommt man nicht weiter)

    (b) In Russland wird plötzlich irgend ein Bauernopfer gebracht



  • phlox81 schrieb:

    Als erstes müsste man sich mal fragen, wie der Spiegel auf einen Marktwert kommt von 30 Millionen.
    Das Zeugs scheints ja nur in AKWs zu geben, und offensichtlich ist da auch nicht unbedingt ein Markt.

    Polonium-210 wird z.B. für Laborneutronenquellen verwendet und in sehr kleinen Mengen a $69 von einer US-Firma verkauft. Wenn man jetzt die Menge, mit der Litwinenko vergiftet wurde, auf diese Döschen umrechnet, kommt man wohl auf 30 Millionen.



  • Nach Aussagen des $69-Anbieters bräuchte man für eine tödliche Dosis etwa 15000 Portionen, was gerade mal rund 1 Mio macht.
    Andererseits ist ja angeblich in ganz UK Polonium verstreut, aber bei den Stückzahlen gibt es sicher auch ordentliche Rabatte, wenn man etwas mehr nimmt ...


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