Republikgeburtstag



  • scrub schrieb:

    Mr. N schrieb:

    Ich glaube nicht an "die angeborene Bösartigkeit". Bin ich jetzt kein Kapitalist?

    "Bösartigkeit" im Sinne von Eigennutz. Hast Du doch selbst oben eingeräumt?

    Bösartigkeit ist doch nun wirklich etwas ganz anderes als Eigennutz! Und dass Eigennutz vorhanden (und m.E. auch nützlich) ist, das ist doch wohl offensichtlich.

    scrub schrieb:

    Mr. N schrieb:

    Du wirfst Schwammigkeit vor, doch deine Alternative zum freien Markt habe ich noch nicht erkennen können.

    Die ergibt sich im Allgemeinen sehr wohl aus dem, was ich geschrieben habe.
    "Es kann sowieso keinen freien Markt geben, weil es immer irgendeine Einschränkung gibt." Und damit betreffen alle weiteren Überlegungen nur noch, welche Einschränkungen das sein sollen. Mit bestimmten Einschränkungen kann man die Marktwirtschaft für bestimmte Ziele als Vehikel benutzen. Mehr habe ich nicht gesagt.

    Es geht ja auch darum, was du nicht gesagt hast. Du lässt keine Gelegenheit aus, um dich über die Marktwirtschaft lustig zu machen, aber was nun deine präferierte Alternative ist, das wird nicht so wirklich deutlich.



  • Übrigens sollte man sich vor allem auch über die Schattenseiten der DDR informieren (davon findet man nichts bei Marx):
    http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/28/0,1872,4082332,00.html (Psychofolter)

    Brutale Geheimdienste und fiese Funktionäre hat er offenbar nicht vorher gesehen, lediglich den Sieg des internationalen Proletariats.



  • Ich gehe mit Marcus Aussagen in diesem Thread weitest gehend konform (auch wenn ich sein Koalitionsszenario eine Wahl später Realität werden sehe und die Ergebnisse noch eine später), all zu vieles will ich also garnicht nochmal aufrühren. Ein paar Kleinigkeiten hab ich aber los zu werden:

    scrub schrieb:

    "Es kann sowieso keinen freien Markt geben, weil es immer irgendeine Einschränkung gibt." Und damit betreffen alle weiteren Überlegungen nur noch, welche Einschränkungen das sein sollen.

    Sehr treffend erkannt. Ich will mal versuchen, die implizierte Frage zu beantworten.

    Einschränkungen berauben aber jedem Konzept seiner Stärke. Insofern kann die Antwort nur "möglichst wenige" lauten.

    Wir haben weltweit ja nicht nur einen Staat und nicht nur ein lokales Wirtschaftssystem, sondern mehrere, die miteinander konkurieren. Konkurieren werden die Systeme sowohl im Bezug auf das BIP der einzelnen Staaten (= eigene Wirtschaftsleistung monetär bewertet), als auch im Bezug auf das BSP (= eigene Wirtschaftsleistung + Einfluss auf andere Wirtschaftsräume). Außerdem setzt Du Dich in Wettbewerb um die Gunst Deiner Leistungserbringer (= Arbeitnehmer + Arbeitgeber), denn beide könnten Deinem Wirtschaftsraum ja durchaus den Rücken kehren.

    Setzt Du jetzt in einem Wirtschaftsraum (sagen wir mal die Landfläche innerhalb der ehemaligen Grenzen der DDR) ein Konzept eines Wirtschaftssystems um, dann sind es u.a. die oben genannten Wettbewerbe, die Du für Dich gewinnen musst, um Dein Konzept zum Erfolg zu führen.

    Nun wirst Du in Deinem normalen Umfeld ja durchaus schonmal sowas wie Gruppendynamik erlebt haben. In jeder guten Gruppe gibt es "Mitläufer", "Vornewegläufer" und "Bremser". Wer in welche Gruppe fällt ist komplett abhängig von der Persönlichkeit der einzelnen Personen. Wenn die Gruppe nun zusammen etwas erreichen soll, dann benötigst Du geschätzte 70% der ersten, 20% der zweiten und nochmal 10% der dritten Kategorie.

    Grade aufgrund besagter unterschiedlicher Persönlichkeiten sieht der Bremser meist die Risiken jeder Aktion und schwächt Extreme ab. Der Vornewegläufer sieht meist die Chancen einer Aktion und nimmt die Risiken billigend in Kauf. Dazu kommen noch die Mitläufer, die einfach oportunistisch einer Möhre hinterher rennen, wenn das Erfolg versprechend erscheint.

    Nunja, die meisten Vornewegläufer sehen sich nicht als Teil der Gruppe. Die Gruppe ist nur Mittel zum Zweck. Mit "alle sind gleich" kannst Du die nicht ködern. Solidarität mit der Gruppe entsteht nur aus der Erkenntnis heraus, daß die Gruppe ohne den Vornewegläufer genauso wenig wert währe, wie der Vornewegläufer ohne die Gruppe. Dein System muss also in der Lage sein, für Leistung entsprechend zu belohnen, ansonsten ist eine Minderheit unglücklich. Besagte Minderheit kannst/musst Du jetzt endweder anketten (Mauer bauen + Zaun ziehen) oder diese Minderheit sucht sich ihre Chancen woanders.

    Ohne Vornewegläufer wird die Steuerung der Gruppe den Bremsern überlassen. Das dadurch das Ergebnis nicht verbessert wird, dürfte logisch sein.

    Der krasse Vorteil der Marktwirtschaft - und das verhält sich antiproportional zur Menge der Beschränkungen der selbigen - ist das sie extreme Chancen unter Eingehung extremer Risiken bietet. Außerdem bietet sie - ab einer gewissen Größe - genug Mittläufer und Bremser um Gruppen aufzufüllen.

    Den Wettbewerb um einen Teil Deiner Leistungserbringer kannst Du also mit Kommun- und Sozialismus nicht gewinnen. Dumm ist weiterhin, daß sich Kinder meist anhand Ihrer Vorbilder (aka Umfeld in der Kindheit) auf die obigen Kategorien verteilen. Der abwandernde Teil Deiner Leistungserbringer wächst also nicht in der Geschwindigkeit nach, um die abgewanderten eins zu eins ersetzen zu können.

    Nun bedeuten Abwanderer aber neben einer Schwächung Deiner Gruppe (BIP) immer auch ein abfließen von Wissen. Wo Du vorher also Einfluss durch Wissensvorsprung hattest (BSP), erledigt sich dieser mit der Verfügbarkeit des Wissens vor Ort.

    Auf allen o.g. Feldern verlierst Du also simpel und einfach, weil die "Gleichmachermentalität" eine Minderheit nicht im Rahmen ihrer Bedürfnisse fördert und fordert. Grade die Bedürfnisse dieser Minderheit bedient eine kapitalistische Marktwirtschaft.

    Solange die Systeme also im Wettbewerb stehen, erlegt sich das soziale Gemeinwesen mit der Zeit also selbst. Und das simpel und einfach weil ein Teil (wohl gemerkt nicht alle) der Menschen Deiner Einschätzung nach "böse", nämlich egoistisch und oportunistisch veranlagt ist.

    Das betrifft im übrigen nicht nur Kommunismus und Sozialismus, sondern auch die (über?)regulierte Marktwirtschaft.

    Die einzige Chance, daß zu verhindern ist der Globalisierung, Europäisierung usw. nen Tritt in den Arsch zu verpassen, alle Informationskanäle zu kappen, und die Mauern wieder auf zu bauen. Eventuell wäre auch noch ein Deckel und ne Selbstschussanlage an der Wartungsklappe sinnvoll.

    Als Alternative gibt es nur, sich an die Gegebenheiten anzupassen, und der jenige zu sein, zu dem die Oportunisten hin rennen. Im Rahmen kannst Du dann die Außengrenzen des Marktes noch etwas steuern, im wesentlichen schadest Du Dir mit Regulierung aber selbst.

    scrub schrieb:

    Mit bestimmten Einschränkungen kann man die Marktwirtschaft für bestimmte Ziele als Vehikel benutzen.

    Da muss ich nochmal kurz nachhaken: Auf dem Weg wohin?



  • Jansen schrieb:

    scrub schrieb:

    Da steht unsichtbar: Hätte sie nur die Gelegenheit gehabt, hätte sie sich als das gerechtere System durchgesetzt.

    Wenn man nicht daran glaubt, dass der Mensch per se egoistisch und "böse" ist, dann ist eine am kommunistischen Ideal orientierte Gesellschaftsform die unausweichliche Konsequenz.

    Wenn man daran glaubt, daß Menschen intelligente Entscheidungen treffen können und dürfen, dann ist Marktwirtschaft die einzig logische Konsequenz.



  • Erhard Henkes schrieb:

    Übrigens sollte man sich vor allem auch über die Schattenseiten der DDR informieren

    Auch!? 😮 Seit 17 Jahren wird quasi über nichts anderes "informiert".

    Sa(n)dman schrieb:

    Als Alternative gibt es nur, sich an die Gegebenheiten anzupassen [...]

    Ziemlich fatalistische Einstellung. Warum nicht die Gegebenheiten anpassen?



  • Es gibt aber Gegebenheiten, die man nicht ändern kann. Nun ist natürlich zu diskutieren, ob es sich hier um solche handelt.

    Die Schattenseiten der DDR reiche völlig aus. Ich kann mir nicht vorstellen, welche "Sonnenseiten" die aufwiegen könnten. Ein goldenes Gefängnis wäre immer noch ein Gefängnis.



  • Auch!? Seit 17 Jahren wird quasi über nichts anderes "informiert".

    Das ist auch gut so.


  • Mod

    Jansen schrieb:

    Erhard Henkes schrieb:

    Übrigens sollte man sich vor allem auch über die Schattenseiten der DDR informieren

    Auch!? 😮 Seit 17 Jahren wird quasi über nichts anderes "informiert"

    Das scheint auch wichtig zu sein, da immer weniger Leute wissen, was damals abging, und die Vergangenheit positiv verklären. Manchmal hat man das Gefühl, daß der Verlust der DDR vor allem eine Abschaffung der Kinderkrippen und der Vollbeschäftigung war.

    Vor allem die Propaganda der damaligen Führungselite fällt heute wieder auf fruchtbaren Boden.



  • Jansen schrieb:

    Sa(n)dman schrieb:

    Als Alternative gibt es nur, sich an die Gegebenheiten anzupassen [...]

    Ziemlich fatalistische Einstellung. Warum nicht die Gegebenheiten anpassen?

    Weil sich nicht alle Gegebenheiten anpassen lassen.

    Die Gegebenheit auf die ich mich hier bezog ist einfach die Geisteshaltung von geschätzten 20% derer, die in einem Staat leben und produktiv sein sollen. Außerdem sind es 20% von der Masse, die Du benötigst, um voran zu kommen.

    Wie willst Du die Persönlichkeiten von Menschen verändern? An den Dynamiken zwischenmenschlicher Beziehung hat sich seit 150 Jahren - und unabhängig vom politischen System - nicht viel geändert, weshalb sollte sich da jetzt was dran ändern?

    Wenn Du einen Mensch hast, der für sich eine Chance sieht, und die damit verbundenen Risiken bereit ist ein zu gehen, dann ist dieser jenige weg, sobald er die Möglichkeit dazu hat. Wenn Du nun grade diesen Menschen für Dein funktionierendes ganzes benötigst, dann hast Du nunmal einfach Pech gehabt.

    In modernen Informationsgesellschaften ist es leichter, woanders realistische Chancen zu sehen, als zur Zeit des wilden Westens. Jetzt fehlt nur noch die Möglichkeit zu gehen, und die Bereitschaft, das Risiko einzugehen.

    IMHO hast Du jetzt zwei Möglichkeiten:
    - Du nimmst den Menschen die Möglichkeiten Chancen zu sehen. (="Informationskanäle kappen") und zu gehen (="Mauer + Selbstschussanlage")
    - Du gibst den Menschen die Möglichkeit Chancen bei Dir zu sehen und zu Dir zu kommen.

    Grade in den letzten paar hundert Jahren wurde doch ein paar mal exemplarisch vorexerziert, was erfolgreicher ist. (z.B. USA [auch wenn die mittlerweile leider von besagtem Prinzip abgekehrt sind, und die Folgen langsam zu sehen sind], Dubai oder in jüngerer Vergangenheit Irrland)

    @Jansen: Mich würd echt mal interessieren, wie Du diese Gegebenheiten verändern wolltest.



  • Marc++us schrieb:

    Manchmal hat man das Gefühl, daß der Verlust der DDR vor allem eine Abschaffung der Kinderkrippen und der Vollbeschäftigung war.

    War es das nicht?
    Wenn heute jemand über Krippen redet beginnt das Geschrei: "Auf keinen Fall, das wäre ja wie in der DDR."
    Das selbe Spiel mit Ganztagsschulen oder anderem was man sich durchaus hätte abgucken können.

    Man muss ja nicht alles nachmachen - aber nur weils insgesamt schiefgegangen ist, lässt man die Sahnestücken liegen? 🙄

    Ich glaube hier Parallelen zu der Diskussion um Eva Herman zu erkennen. 😮



  • estartu schrieb:

    Marc++us schrieb:

    Manchmal hat man das Gefühl, daß der Verlust der DDR vor allem eine Abschaffung der Kinderkrippen und der Vollbeschäftigung war.

    War es das nicht?

    Nein, verdammt!



  • Erhard Henkes schrieb:

    Die Menschen erbringen nur dann gerne(!) Leistung, wenn es sich auch(!) für sie selbst lohnt.

    genau da liegt das problem in eurer analyse. ersetze das wenn durch ein weil und du kannst die aussage umdrehen: und weil es sich für sie lohnt, erbringen sie gerne leistung. ein pleonasmus und kein argument.


  • Mod

    estartu schrieb:

    Man muss ja nicht alles nachmachen - aber nur weils insgesamt schiefgegangen ist, lässt man die Sahnestücken liegen? 🙄

    Das wäre sicherlich dumm.

    Aber so wird es ja nicht gemacht. Üblicherweise gibt's die Revisionisten, die wie folgt argumentieren: "Es war ja nicht alles schlecht, man nehme nur die Vollbeschäftigung und die Kinderkrippen". Und dann folgt gleich der Sermon, warum die DDR eigentlich ein Paradies war, und besser gerettet worden wäre.

    Nur - die Beibehaltung der Kinderkrippe rechtfertigt nicht die Beibehaltung der DDR. Man kann die Kinderkrippe haben - ganz ohne DDR.

    Indem man aber immer wieder die 3-4 guten Punkte der DDR herausstellt, und die anderen verschweigt, erweckt man ein den Eindruck, daß diese wenigen guten Punkte das wesentliche Merkmal der DDR gewesen wären.

    Leider wissen das heute viele nicht mehr, und ich glaube auch, daß viele jüngere - gerade aus dem linken Lager - hier leider falsch informiert werden.

    Leider war ich nie in der DDR, immerhin hatte ich aber die Chance, Ende 1990 einige Wochen relativ weit im Osten zu verbringen. Und wenn man dieses Land von damals charakterisieren will, so kann man es nur als "grau" bezeichnen. Es war die Manifestation eines Schwarz-Weiß-Films. Nur - man stand in der Realität. Alles grau, veraltet, verwittert, zerstört, immer noch lagen Kriegsruinen in den Städten, selbst die Leute wirkten grau. Als ich erstmalig die neuen Bundesländer gesehen habe, dachte ich, "das ist das Land der grauen Männer aus Michael Endes Buch Momo". Die Gegenden mit Braunkohlekraftwerken, einfach furchtbar. Eine Mischung aus Kriegsgebiet und Mars. Den Stellenwert, den die Bevölkerung bei dem Regime hatte, konnte man an jedem Meter Umgebung deutlich erkennen.

    estartu schrieb:

    Ich glaube hier Parallelen zu der Diskussion um Eva Herman zu erkennen. 😮

    Es war ja auch nicht alles schlecht, man nehme nur mal die Autobahnen. Ist ja die gleiche Argumentationskette, nur ein anderes politisches Lager.

    Die Autobahnen zu behalten und die Idee weiter zu treiben machte Sinn. Aber niemand würde ernsthaft behaupten, daß man deswegen das Nazi-Regime und dessen andere "Errungenschaften" für irgendwas benötigt.



  • Damit kommen wir jetzt zu dem spekulativen Teil. Was wäre ohne die Diktatur mit Deutschland passiert? Hätte es sich schneller, besser entwickelt? Oder im Gegenteil sogar langsamer, schlechter? Wären wir heute vllt. eine Weltmacht? Oder wäre Deutschland schon längst "vernichtet"?
    Das sind so Sachen, die man nicht genau sagen kann, zumal wichtige computertechnische Entwicklungen für den Krieg, heutzutage einfach unersetzbar sind (mir hat vorhin noch ein Bsp. im Kopf rumgetazt, aber ist irgendwie weg 😞 ). Allerdings hätte man diese vllt. auch so herausgefunden, oder eben nicht.

    Wie gesagt Spekulation.



  • estartu schrieb:

    Wenn heute jemand über Krippen redet beginnt das Geschrei: "Auf keinen Fall, das wäre ja wie in der DDR."
    Das selbe Spiel mit Ganztagsschulen oder anderem was man sich durchaus hätte abgucken können.

    Man muss ja nicht alles nachmachen - aber nur weils insgesamt schiefgegangen ist, lässt man die Sahnestücken liegen?

    Kinderkrippen sind z.B. sinnvoll in Gesellschaftsformen, wo einer oder beide Elternteile aus welchen Gründen auch immer nicht zur Verfügung stehen.
    Insofern relativieren sich diese "Sahnestückchen" wieder. Das selbe gilt auch für alles andere, was man sich "durchaus hätte abgucken können".



  • Marc++us schrieb:

    Nur - die Beibehaltung der Kinderkrippe rechtfertigt nicht die Beibehaltung der DDR. Man kann die Kinderkrippe haben - ganz ohne DDR.

    Wer fordert denn ernsthaft, die DDR wieder auferstehen zu lassen? Das tun ja nichtmal die linkesten in der Linkspartei.

    Leider war ich nie in der DDR, immerhin hatte ich aber die Chance, Ende 1990 einige Wochen relativ weit im Osten zu verbringen. Und wenn man dieses Land von damals charakterisieren will, so kann man es nur als "grau" bezeichnen. Es war die Manifestation eines Schwarz-Weiß-Films. Nur - man stand in der Realität. Alles grau, veraltet, verwittert, zerstört, immer noch lagen Kriegsruinen in den Städten, selbst die Leute wirkten grau. Als ich erstmalig die neuen Bundesländer gesehen habe, dachte ich, "das ist das Land der grauen Männer aus Michael Endes Buch Momo". Die Gegenden mit Braunkohlekraftwerken, einfach furchtbar. Eine Mischung aus Kriegsgebiet und Mars. Den Stellenwert, den die Bevölkerung bei dem Regime hatte, konnte man an jedem Meter Umgebung deutlich erkennen.

    Witziges Detail am Rande: Meine Mutter (hat 35 Jahre DDR erlebt) hat mich vor nicht allzulanger Zeit gefragt, ob West-Berlin immer noch so grau und schmutzig wie 1989 ist. Nicht dass du mit deiner Beobachtung nicht richtig liegst, aber es ist auch immer eine Frage der persönlichen Wahrnehmung.



  • Bashar schrieb:

    Marc++us schrieb:

    Nur - die Beibehaltung der Kinderkrippe rechtfertigt nicht die Beibehaltung der DDR. Man kann die Kinderkrippe haben - ganz ohne DDR.

    Wer fordert denn ernsthaft, die DDR wieder auferstehen zu lassen?

    Der Threadersteller?! 😮



  • Guter Punkt, das hab ich wohl übersehen. Trotzdem: So wie Marcus das darstellt, dass "üblicherweise" immer sofort die Revisionisten kommen, und die DDR wiederhaben wollen, ist es ja auch nicht.



  • Marc++us schrieb:

    Leider war ich nie in der DDR, immerhin hatte ich aber die Chance, Ende 1990 einige Wochen relativ weit im Osten zu verbringen. Und wenn man dieses Land von damals charakterisieren will, so kann man es nur als "grau" bezeichnen. Es war die Manifestation eines Schwarz-Weiß-Films. Nur - man stand in der Realität. Alles grau, veraltet, verwittert, zerstört, immer noch lagen Kriegsruinen in den Städten, selbst die Leute wirkten grau. Als ich erstmalig die neuen Bundesländer gesehen habe, dachte ich, "das ist das Land der grauen Männer aus Michael Endes Buch Momo". Die Gegenden mit Braunkohlekraftwerken, einfach furchtbar. Eine Mischung aus Kriegsgebiet und Mars. Den Stellenwert, den die Bevölkerung bei dem Regime hatte, konnte man an jedem Meter Umgebung deutlich erkennen.

    Vor kurzem habe ich mit meinen Kumpels alte Bilder über die DDR angeschaut. Darunter waren Postkarten, Fotos, Zeitungsberichte, Poster, usw. Sicherlich kann man den Eindruck bekommen, dass es, insbesondere in Ballungszentren, so ausgesehen hat, wie Du es oben beschreibst. Sicherlich werden auch viele andere aus der BRD diesen Eindruck gehabt haben.

    Ich selber komme aus einer eher ländlichen Gegend. In meiner Erinnnerung gibt es komischerweise aber keine grauen Gebäude, keine Marslandschaften, keine grauen Leute. Meine Kindheit ist voller Leben und Farben. Ich kann sagen, dass meine Kindheit, völlig losgelöst trotz des umgebenden Systems, schön und voller Freude war, trotz vorhandener Mangelwirtschaft.

    Vielleicht liegt es daran, dass ich durch mangelnde Reizüberflutung die wenigen Farben zwischen dem grau besser gesehen und anders empfunden habe. Man war mit weniger zufrieden, weniger zugedröhnt, weniger überheblich und hat trotzdem ein schönes Leben gehabt.



  • F98 schrieb:

    Vielleicht liegt es daran, dass ich durch mangelnde Reizüberflutung die wenigen Farben zwischen dem grau besser gesehen und anders empfunden habe. Man war mit weniger zufrieden, weniger zugedröhnt, weniger überheblich und hat trotzdem ein schönes Leben gehabt.

    Genau mit diesem Absatz hast Du eindrucksvoll bewiesen, wieviel weniger überheblich Du bist. Zusammen mit Äußerungen wie "die braucben 13 Jahre zum Abitur, weil ein Jahr Rhetorikunterricht enthalten ist" ergibt sich ein schönes Bild von der ostdeutschen Überheblichkeit.


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