Brüssels schlimmster Albtraum wurde wahr



  • http://www.welt.de/politik/article2101775/Bruessels_schlimmster_Albtraum_wurde_wahr.html

    Wie seht ihr das?

    Ich kann mich einfach nicht entscheiden ob das nun gut oder schlecht ist. Einerseits ist es wichtig, dass die EU und ihre Behörden mal endlich reformiert werden, da da viel schief hängt. Der Vertrag von Lissabon wird dafür in seiner jetzigen Form wohl nicht mehr sorgen. Anderseits weiß ich auch gar nicht ob er dafür gesorgt hätte. Die Kommentare die ich dazu gelesen sind dermaßen weit bei dem Thema auseinander gegangen, dass ich mir gar kein Bild machen konnte. Den Text selbst fand ich jedenfalls zu kompliziert und lang um selbst die Kernpunkte raus zu lesen.

    Suspekt finde ich jedenfalls, dass versucht wird den Vertrag, für den vor ein paar Jahren noch zig Referenden notwendig waren, nun ohne zu verabschieden. Hat man einfach nur Angst, dass die Leute nicht verstehen worum es geht, oder hat man was zu verstecken?


  • Mod

    Nicht unbedingt etwas zu verstecken - aber regieren ist einfacher, wenn nicht so viele Leute "nein" sagen können. 😉 Spart eine Menge Arbeit.

    Und ein Plebiszit wird von den parlamentarisch gewählten Regierungen sowieso immer abgelehnt, da es an ihrem Selbstverständnis rüttelt.

    Frei nach:

    Volk: "Wir sind das Volk!"
    Regierung: "Wir auch."



  • Na wie ein echtes Plebiszit endet sieht man ja am Athen von Sokrates und an den heutigen Jury-Gerichten in den USA.

    Ich glaube es hat einen Grund, dass alle erfolgreichen Demokratien zunächst einmal parlamentarisch sind.



  • Es ist aber ein gewaltiger Unteschied, ob du über Einzelschicksale mehr oder minder sorgsam beleuchteter Individuen urteilen sollst, oder ob es gilt, zukunftsweisende Neuerungen, die für immerhin 27 Länder von großer Bedeutung sein soll(t)en, von hinterletztem Bullshit zu unterscheiden.



  • FAQ <- das les ich jetzt mal.

    Iren-FAQ 🤡



  • Ich frage mich auch, warum in Irland der EU-Beitritt nicht per Plebiszit entschieden wurde, jetzt aber der Reformvertrag.



  • Elektronix schrieb:

    Ich frage mich auch, warum in Irland der EU-Beitritt nicht per Plebiszit entschieden wurde, jetzt aber der Reformvertrag.

    Na alle verfassungsändernden Verträge wurden dort per Plebiszit abgestimmt. Der Vertrag von Nizza sogar zweimal.



  • ..



  • Erhard Henkes schrieb:

    Eine Wahlbeteilung von 45% multipliziert mit 53,4% NEIN-Stimmen = 24% der stimmberechtigten Iren. Sieht man alle Mitgliedsstaaten hierbei als gleichwertig an, so resultiert diese Betrachtung mit 1/27 * 24% = 0,89%. Weniger als 1% lehnen diesen für die EU wichtigen Grundlagenvertrag ab.

    Und du glaubst ernsthaft, dass alle restlichen Länder bei einem Referendum dafür gestimmt hätten?

    Was die EU in der Verfassung zu suchen hat verstehe ich eh nicht.



  • Ben04 schrieb:

    Erhard Henkes schrieb:

    Eine Wahlbeteilung von 45% multipliziert mit 53,4% NEIN-Stimmen = 24% der stimmberechtigten Iren. Sieht man alle Mitgliedsstaaten hierbei als gleichwertig an, so resultiert diese Betrachtung mit 1/27 * 24% = 0,89%. Weniger als 1% lehnen diesen für die EU wichtigen Grundlagenvertrag ab.

    Und du glaubst ernsthaft, dass alle restlichen Länder bei einem Referendum dafür gestimmt hätten?

    Was die EU in der Verfassung zu suchen hat verstehe ich eh nicht.

    Nun, sie hat Gesetzgebungskompetenz, das hat schon gewisse verfassungsrechtliche Auswirkungen.

    Die hat sie aber auch schon jetzt, nach Lisbon aber halt anders.



  • Ich wollte nur die Tat der Iren auf eine saubere zahlenmäßige Basis stellen. man kann nämlich nicht sagen, dass "die Iren" Europa abgelehnt haben. Wie hoch die Ablehnung/Zustimmung innerhalb der stimmberechtigten Bevölkerung Europas ist, versucht ja niemand zu ermitteln, so wie ich die Lage sehe.


  • Mod

    Naja, das ist halt alles eine total verfahrene Kiste.

    Daß ein Land über eine Verfassungsänderung abstimmt, liegt eigentlich nahe, es würde zu der europäischen Staatsentwicklung passen.

    Aber nun gab's eben nie irgendwelche Volksabstimmungen, so daß nun eine Volksabstimmung über eine europäische Verfassung von der Bevölkerung immer zur Generalabrechnung benutzt wird. Ich denke, daß in Europa - egal welches Land - praktisch nirgendwo eine derartig gelagerte Volksabstimmung von den Regierungsparteien und den "Stimmt-für-Ja"-Befürwortern gewonnen würde.

    Die Leute sind allgemein so frustriert, daß sie bei jeder Gelegenheit eher ihre Unlust rauslassen. Eine echte Abstimmung ist da sowieso nicht mehr möglich.

    Dazu kommt auch noch, daß die Regierung und großen Oppositionsparteien immer auch noch argumentieren "Ihr MÜSST dafür stimmen, sonst..." Da wird automatisch eine Verweigerungshaltung provoziert.

    Niemand stellt sich hin und sagt "die Verfassung ist so wichtig für die Zukunft aller Länder, überlegen Sie sich bitte genau, wie Sie stimmen. Aber denken Sie über Vor- und Nachteile nach. Wenn Sie alle dagegen sind - dann akzeptieren wir das. Hier sind Argumente für Ja und Nein, lesen Sie sich das durch."



  • Marc++us schrieb:

    Daß ein Land über eine Verfassungsänderung abstimmt, liegt eigentlich nahe, es würde zu der europäischen Staatsentwicklung passen.

    Welches Land hat darüber abgestimmt? Also Deutschland nicht, zumindest nicht die Bevölkerung.



  • ..


  • Mod

    Mr. N schrieb:

    Marc++us schrieb:

    Daß ein Land über eine Verfassungsänderung abstimmt, liegt eigentlich nahe, es würde zu der europäischen Staatsentwicklung passen.

    Welches Land hat darüber abgestimmt? Also Deutschland nicht, zumindest nicht die Bevölkerung.

    Keine Ahnung was Du in meine Aussage reininterpretierst.

    Ich sprach von der Entwicklungsgeschichte der Verfassungen der europäischen Länder. Üblicherweise sind Verfassungsänderungen immer über eine Volksabstimmung anzunehmen, bzw. sind einige Verfassungen auch durch solche angenommen worden.

    Eine Verfassungserweiterung wie in Bezug auf die EU als "Staats- und Verfassungserweiterung" sollte daher immer von der Bevölkerung angenommen werden. Ich erspare mir den zynischen Hinweis, daß selbst in Myanmar die Verfassung von der Bevölkerung angenommen werden sollte/mußte. Was Myanmar recht ist, sollte Europa billig sein.

    [In Deutschland gibt es keine Verfassung. Auch im vorläufigen Grundgesetz war eine Volksabstimmung zur Einführung einer Verfassung vorgesehen, wurde aber von der herrschenden Parteiendiktatur durch juristische Tricks unterlaufen.]

    Apropos, nach gängiger juristischer Lehrmeinung ist Deine Aussage hier falsch:

    Mr. N schrieb:

    Also Deutschland nicht, zumindest nicht die Bevölkerung.

    Denn wenn der Bundestag abstimmt, stimmt die Bevölkerung ab. Kann Dir jeder stromlinienförmige Verfassungsjurist bestätigen.



  • Erhard Henkes schrieb:

    Die Situation war in den 70er Jahren exakt gleich gelagert. Dennoch wächst dieses Europa wie ein Krebsgeschwür immer weiter. 🙄

    Ein Europa der Nationalstaaten wäre dir lieber?

    Marc++us schrieb:

    Eine Verfassungserweiterung wie in Bezug auf die EU als "Staats- und Verfassungserweiterung" sollte daher immer von der Bevölkerung angenommen werden. Ich erspare mir den zynischen Hinweis, daß selbst in Myanmar die Verfassung von der Bevölkerung angenommen werden sollte/mußte. Was Myanmar recht ist, sollte Europa billig sein.

    Ich wage das Gegenteil zu behaupten. Wieso sollte ausgerechnet Myanmar oder nur Frankreich ein Vorbild sein? Möchtest du in einem der beiden Länder wohnen?

    Neben Frankreich sind das andere Vorbild aller Demokratien ja die USA. Dort hat die Bevölkerung auch nicht über die Verfassung abgestimmt.

    Denn wenn der Bundestag abstimmt, stimmt die Bevölkerung ab. Kann Dir jeder stromlinienförmige Verfassungsjurist bestätigen.

    Ändert nichts daran, dass es Unfug ist. Wenn der Bundestag abstimmt, stimmt eine Menge von Personen ab, die Angst um ihre Wiederwahl hat. Nicht viel mehr und nicht viel weniger.



  • Mr. N schrieb:

    Wieso sollte ausgerechnet Myanmar oder nur Frankreich ein Vorbild sein? Möchtest du in einem der beiden Länder wohnen?

    Myanmar ist doch kein Vorbild, sondern unterhalb jeglicher Minimalanforderungen an Demokratie. Und trotzdem findet dort ein Volksentscheid ab (der "erwartungsgemäß" ausfällt ;)), hier im zivilisierten demokratischen aufgeklärten Deutschland aber nicht. Nochmal anders formuliert: Es ist doch extrem komisch, daß die Machthaber in Myanmar überhaupt dieses Theater inszenieren, aber die Politiker hier so viel Angst haben, daß sie einen Volksentscheid gar nicht erst zulassen.



  • Ein Europa der Nationalstaaten wäre dir lieber?

    Ja, eindeutig, und nicht nur mir!


  • Mod

    scrub schrieb:

    Mr. N schrieb:

    Wieso sollte ausgerechnet Myanmar oder nur Frankreich ein Vorbild sein? Möchtest du in einem der beiden Länder wohnen?

    Myanmar ist doch kein Vorbild, sondern unterhalb jeglicher Minimalanforderungen an Demokratie. Und trotzdem findet dort ein Volksentscheid ab (der "erwartungsgemäß" ausfällt ;)), hier im zivilisierten demokratischen aufgeklärten Deutschland aber nicht. Nochmal anders formuliert: Es ist doch extrem komisch, daß die Machthaber in Myanmar überhaupt dieses Theater inszenieren, aber die Politiker hier so viel Angst haben, daß sie einen Volksentscheid gar nicht erst zulassen.

    scrub, Du hast das treffend formuliert, ich dachte eigentlich auch wie Du. Aber beim Lesen Deines Beitrags ist mir mein Denkfehler aufgefallen:

    In Myanmar machen die Militärs die Abstimmung, weil sie die Leute mit vorgehaltener Waffe zur richtigen Wahl zwingen können, und weil sie bei der Nachzählung auch die restlichen Ablehnungen korrigieren können. Also ist die Volksabstimmung völlig risikolos.

    Den Analogieschluß überlasse ich dem geneigten Leser. 😉


  • Mod

    Mr. N schrieb:

    Erhard Henkes schrieb:

    Die Situation war in den 70er Jahren exakt gleich gelagert. Dennoch wächst dieses Europa wie ein Krebsgeschwür immer weiter. 🙄

    Ein Europa der Nationalstaaten wäre dir lieber?

    Mir auch. Zollunion, gemeinsamer Wirtschaftsraum, Schengen, Niederlassungsfreiheit und der Euro - mehr Integration ist meines Erachtens nicht notwendig.

    Ich bin für eine Rückbesinnung auf die ursprüngliche Idee der EWG - der Europäischen WIRTSCHAFTSGemeinschaft.


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