"Amokläufer verbrachte Abend vor der Tat mit Killerspiel"



  • scrub schrieb:

    Wenn der Kündigungsschutz doch de facto nicht mehr existiert, wieso wird dann danach gerufen, ihn abzuschaffen? Und wenn in Amerika jeder alles werden kann, wie kann das sein, da es ja dort anscheinend Mindestlöhne gibt, der doch aber angeblich alles verhindert?

    Ein guter Punkt, aber: Mindestlöhne sind stark entwertet worden: in den 80ern ist die Kaufkraft des Mindestlohns um mehr als 25% gefallen (er wurde nie erhöht) und damit ist der Anteil der Mindestlohnempfänger in 20 Jahren bis 2000 von etwa 10% auf etwa 1% der Arbeiterschaft gefallen. Und wenn der Mindestlohn zu niedrig liegt, dann hat er schlicht keinen Effekt.

    Zum Kündigungsschutz: weil Zeitarbeitsfirmen nicht so viel vermitteln können (etwa 3% der Erwärbstätigen arbeiten so, sagt statista) und es gibt ja noch genug andere Regulierungen, die Einstellungen verteuern, darum wächst der Markt nicht so schnell.

    Und noch was, wenn jemand jemanden nicht einstellt, ist das die eigene Entscheidung. So einer sollte doch gerade froh sein, sich hinter dem Kündigungsschutzgesetz verstecken zu können, sonst wäre ja offensichtlich, daß trotzdem niemand eingestellt wird.

    Aber es wird ja definitiv mehr eingestellt. Wieder hilft ein Blick auf Länder mit weniger geregeltem Arbeitsmarkt und warum die über Jahre Vollbeschäftigung hatten, wärend in Deutschland Massen- und Langzeitarbeitslosigkeit herrscht.



  • Daniel E. schrieb:

    scrub schrieb:

    Wenn der Kündigungsschutz doch de facto nicht mehr existiert, wieso wird dann danach gerufen, ihn abzuschaffen? Und wenn in Amerika jeder alles werden kann, wie kann das sein, da es ja dort anscheinend Mindestlöhne gibt, der doch aber angeblich alles verhindert?

    Ein guter Punkt, aber: Mindestlöhne sind stark entwertet worden: in den 80ern ist die Kaufkraft des Mindestlohns um mehr als 25% gefallen (er wurde nie erhöht) und damit ist der Anteil der Mindestlohnempfänger in 20 Jahren bis 2000 von etwa 10% auf etwa 1% der Arbeiterschaft gefallen. Und wenn der Mindestlohn zu niedrig liegt, dann hat er schlicht keinen Effekt.

    Zum Kündigungsschutz: weil Zeitarbeitsfirmen nicht so viel vermitteln können (etwa 3% der Erwärbstätigen arbeiten so, sagt statista) und es gibt ja noch genug andere Regulierungen, die Einstellungen verteuern, darum wächst der Markt nicht so schnell.

    Ich möchte dazu auch noch etwas sagen.

    Ich habe vorhin mal bei Wikipedia recherchiert, wie hoch der Mindestlohn in den USA ist. Er liegt umgerechnet bei unter 4,90€ und ist damit wesentlich geringer als der Mindestlohn, der hier diskutiert wird. Der Mindestlohn, der hier für Postzusteller durchgesetzt wurde, beträgt etwa das Doppelte. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Geographie der USA. Die USA ist groß und hat nur im Süden mit Mexiko ein Land, das ein wesentlich geringeres Lohnniveau hat. In Deutschland sieht das anders aus. Polen hat schon ein wesentlich geringeres Lohnniveau als Deutschland und man kann von Polen aus innerhalb weniger Stunden sämtliche Orte in Deutschland erreichen. Ähnlich sieht es für diverse andere Staaten in Osteuropa aus. Wir haben hier in Europa eine viel stärkere Konkurrenz durch Billiglohnländer als die USA. Dadurch kann man sich hier in Deutschland viel eher überlegen, ob man nicht irgendeine Produktion in diese Staaten auslagert. Vor einiger Zeit war das glaube ich mal bezüglich des Fleischereigewerbes stark in den Medien. Aber zugegeben: Es gibt durchaus Berufe, die nicht so einfach ausgelagert werden können, weil sie wesentlich lokaler relevant sind. Der Friseur zum Beispiel. Der würde von einem Mindestlohn vermutlich relativ wenig betroffen sein. Im Reinigungsgewerbe sieht es wiederum anders aus: Da kann sich eine Firma oder andere Organisation durchaus fragen, ob sie jeden Tag saubermachen lässt, oder doch lieber nur einmal die Woche. IMHO würden in diesem Bereich eine ganze Menge Arbeitsplätze verschwinden, wenn das Lohnniveau zu hoch steigt.

    Es ist also auf keinen Fall alles unter einen Hut zu bringen. Ein Mindestlohn hat auf die unterschiedlichen Branchen unterschiedliche Auswirkungen und er ist auch bezüglich unterschiedlicher Staaten unterschiedlich zu bewerten.

    Beim Kündigungsschutz möchte ich auch nochmal darauf hinweisen, dass die Zeitarbeitsfirmen noch nicht sooo lange existieren. AFAIK wurden die damals legitimiert, als Rot-Grün an der Macht war. Der Markt entwickelt sich also noch. Zuerst reagieren da natürlich die großen Firmen: Man hört ja teilweise schon in den Medien, dass ein großer Anteil der Arbeiter in solchen Unternehmen Zeitarbeiter sind. Aber IMHO ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich die Zeitarbeit auch in diversen anderen Bereichen einen ganz ordentlichen Markt erkämpft hat. Sehr kleine Betriebe mit vielleicht weniger als 10 Arbeitern werden vermutlich am wenigsten durch Zeitarbeitsfirmen betroffen sein. Insofern greift der Kündigungsschutz bei solchen Unternehmen vermutlich noch am ehesten.



  • Kleinbetriebe fallen nicht unter das Kündigungsschutzgesetz...



  • scrub schrieb:

    Kleinbetriebe fallen nicht unter das Kündigungsschutzgesetz...

    Oh, dann ist es da wohl auch nicht relevant.



  • Gregor schrieb:

    Ich habe vorhin mal bei Wikipedia recherchiert, wie hoch der Mindestlohn in den USA ist. Er liegt umgerechnet bei unter 4,90€ und ist damit wesentlich geringer als der Mindestlohn, der hier diskutiert wird. Der Mindestlohn, der hier für Postzusteller durchgesetzt wurde, beträgt etwa das Doppelte. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Geographie der USA. Die USA ist groß und hat nur im Süden mit Mexiko ein Land, das ein wesentlich geringeres Lohnniveau hat. In Deutschland sieht das anders aus. Polen hat schon ein wesentlich geringeres Lohnniveau als Deutschland und man kann von Polen aus innerhalb weniger Stunden sämtliche Orte in Deutschland erreichen.

    Aber die Mobilität in den USA ist wesentlich höher: etwa 3% der Bevölkerung wechseln jedes Jahr den Bundesstaat, in Deutschland sind es etwa 1%. Unter Geringqualifizierten wechseln jedes Jahr fast 5% den Bundesstaat, und wie Du schon sagst: die USA sind sehr viel größer. Aber darum ist das Gefälle zwischen verschiedenen Bundesstaaten recht flach.

    Dazu hat die USA ein komplett anderes Einwanderungssystem: etwa 12% der Bevölkerung sind im Ausland geboren, in Deutschland beträgt der Anteil von Leuten mit ausländischem Pass (also auch Kinder, die hier geboren, aber nicht die Deutsche Staatsbürgerschaft haben) nicht ganz 9%. Du kannst auch mal spaßeshalber Deutschland mit Texas oder Californien vergleichen -- beides Staaten, in denen weiße Amerikaner dank Einwanderung mittlerweile eine Minderheit darstellen.

    Es ist ein interessantes Gedankenexperiment, sich zu überlegen, wie Deutschland bei Immigration american-style aussehen würde und ich denke, es wäre ein Desaster: die USA haben einen genau so großen Bevölkerungszuwachs seit 1990 gehabt wie die Bundesrepublik dank der Deutschen Einheit. Nur in den USA sind das hauptsächlich zugezogene Latinos (und ein paar Asiaten) gewesen, die ziemlich sicher schlechter ausgebildet gewesen sind ...

    Ähnlich sieht es für diverse andere Staaten in Osteuropa aus. Wir haben hier in Europa eine viel stärkere Konkurrenz durch Billiglohnländer als die USA. Dadurch kann man sich hier in Deutschland viel eher überlegen, ob man nicht irgendeine Produktion in diese Staaten auslagert.

    Es ist genau andersrum, Outsourcing liefert in Deutschland viel geringere Returns als in den USA, insbesondere, weil damit ja ein Strukturwandel in Deutschland geschehen müsste ("mehr Dienstleistungen" zB.), damit es sich lohnt. Aber Strukturwandel ist etwas, womit der deutsche Kuschel-Kapitalismus nicht so wirklich klar kommt.

    Der Friseur zum Beispiel. Der würde von einem Mindestlohn vermutlich relativ wenig betroffen sein.

    Naja, wenn ich mir das Friseurgeschäft in München ansehe, dann wird das komplette Billigsegment (Haare schneiden für 8€ und so) von türkischen oder griechischen Mitbürgern erledigt, die den Langhaarschneider halbwegs bedienen können. Kann mir nicht vorstellen, das da ein Mindestlohn keine Auswirkungen hat.

    Es ist also auf keinen Fall alles unter einen Hut zu bringen. Ein Mindestlohn hat auf die unterschiedlichen Branchen unterschiedliche Auswirkungen und er ist auch bezüglich unterschiedlicher Staaten unterschiedlich zu bewerten.

    Soweit ist das schon klar, besonders sollte man auch dazusagen, daß viele Staaten in den USA höhere Mindestlöhne haben.

    Aber wenn man die Arbeitsmärkte und die Auswirkungen von Einzelmaßnahmen vergleichen will, ist ein Vergleich mit den USA ziemlich lehrreich (mit Schweden als anderem Beispiel übrigens auch).



  • Gregor schrieb:

    Ich habe vorhin mal bei Wikipedia recherchiert, wie hoch der Mindestlohn in den USA ist. Er liegt umgerechnet bei unter 4,90€ und ist damit wesentlich geringer als der Mindestlohn, der hier diskutiert wird.

    ich weiss nicht, wie hoch die lebenshaltungskosten in den usa sind, aber hier könnte man von 4.90/h nicht leben, ohne auf staatliche unterstützung angewiesen zu sein. das wären nach abzug aller arbeitnehmerabgaben vielleicht etwa 20...30€ pro tag, bzw. 400...600€ im monat. eine mietwohnung wäre schon mal nicht drin.



  • Zoom schrieb:

    aber hier könnte man von 4.90/h nicht leben, ohne auf staatliche unterstützung angewiesen zu sein.

    Und? Muss man das?

    Ok, man hat also keine Kompetenzen, für die einem Leute viel Geld bezahlen würden. Deshalb macht man trotzdem, was man kann und kriegt vom Staat noch einen Zuschuss, um damit gut leben zu können. Ist doch alles in Ordnung? 😕

    ...es soll ja sogar Leute geben, die für ihre Arbeit auch noch zahlen müssen. Studenten und so. Stellt auch keiner wirklich in Frage.



  • Gregor schrieb:

    Zoom schrieb:

    aber hier könnte man von 4.90/h nicht leben, ohne auf staatliche unterstützung angewiesen zu sein.

    Und? Muss man das?

    ja, muss man.

    Gregor schrieb:

    Ok, man hat also keine Kompetenzen, für die einem Leute viel Geld bezahlen würden. Deshalb macht man trotzdem, was man kann und kriegt vom Staat noch einen Zuschuss, um damit gut leben zu können. Ist doch alles in Ordnung?

    daran ist nichts in ordnung. man muss allein durch eigene arbeit leben können, ohne stattliche almosen und ohne 25 stunden am tag arbeiten zu müssen.

    Gregor schrieb:

    ...es soll ja sogar Leute geben, die für ihre Arbeit auch noch zahlen müssen. Studenten und so. Stellt auch keiner wirklich in Frage.

    ein studium ist eine umwegsinvestition: erst arm sein und später hat man die option, relativ viel geld zu verdienen.



  • Gregor schrieb:

    ...es soll ja sogar Leute geben, die für ihre Arbeit auch noch zahlen müssen. Studenten und so. Stellt auch keiner wirklich in Frage.

    Ich würde ein Studium nicht als "Arbeit" bezeichnen. Arbeit impliziert ja, dass man Werte schafft für die Gesellschaft. Das tut ein Student aber nicht, er konsumiert zwar (essen, wohnen, etc.), schafft aber erstmal keine Werte, solange er nicht aktiv an der Forschung beteiligt ist.

    Viele Grüße
    Christian



  • Zoom schrieb:

    man muss allein durch eigene arbeit leben können, ohne stattliche almosen und ohne 25 stunden am tag arbeiten zu müssen.

    Das ist eine Ideologie, die in der heutigen Zeit nicht mehr stimmt. Und je weiter sich die Welt entwickelt, desto weniger stimmt sie. Ein stark industrialisiertes Land, wie Deutschland, verdankt den Wohlstand seiner Bürger der stark qualifizierten Arbeit, die diese leisten. Unqualifizierte Arbeit führt nicht zu einem derartigen Wohlstand. Wenn man also nur unqualifizierte Arbeit leisten kann, kann man es nicht erwarten, mit dem Wohlstands-Maßstab in einem Land wie Deutschland mithalten zu können. Inzwischen sind wir an einem Punkt angekommen, an dem sich unqualifizierte oder wenig qualifizierte Arbeit kaum mehr lohnt. Deshalb muss sie staatlich subventioniert werden. In Deutschland heißt das, dass den Leuten, die diese Arbeit leisten, ein Mindestlebensstandard ermöglicht wird.

    An dieser grundsätzlichen Entwicklung ändert auch ein Mindestlohn nichts. Die geringqualifizierte Beschäftigung wird in Deutschland immer weiter verschwinden. Und zwar, weil sie in Deutschland zu teuer geworden ist. Ein Mindestlohn würde diese Entwicklung nur noch weiter beschleunigen.



  • Gregor schrieb:

    Zoom schrieb:

    aber hier könnte man von 4.90/h nicht leben, ohne auf staatliche unterstützung angewiesen zu sein.

    Und? Muss man das?

    Ok, man hat also keine Kompetenzen, für die einem Leute viel Geld bezahlen würden. Deshalb macht man trotzdem, was man kann und kriegt vom Staat noch einen Zuschuss, um damit gut leben zu können. Ist doch alles in Ordnung? 😕

    Ich dachte immer, der Sinn eines Mindestlohnes sei das man keine staatlichen Hilfen mehr braucht. Wozu sollte man sonst einen Mindestlohn einführen?

    Gregor schrieb:

    Zoom schrieb:

    man muss allein durch eigene arbeit leben können, ohne stattliche almosen und ohne 25 stunden am tag arbeiten zu müssen.

    Das ist eine Ideologie, die in der heutigen Zeit nicht mehr stimmt. Und je weiter sich die Welt entwickelt, desto weniger stimmt sie. Ein stark industrialisiertes Land, wie Deutschland, verdankt den Wohlstand seiner Bürger der stark qualifizierten Arbeit, die diese leisten. Unqualifizierte Arbeit führt nicht zu einem derartigen Wohlstand. Wenn man also nur unqualifizierte Arbeit leisten kann, kann man es nicht erwarten, mit dem Wohlstands-Maßstab in einem Land wie Deutschland mithalten zu können. Inzwischen sind wir an einem Punkt angekommen, an dem sich unqualifizierte oder wenig qualifizierte Arbeit kaum mehr lohnt. Deshalb muss sie staatlich subventioniert werden. In Deutschland heißt das, dass den Leuten, die diese Arbeit leisten, ein Mindestlebensstandard ermöglicht wird.

    An dieser grundsätzlichen Entwicklung ändert auch ein Mindestlohn nichts. Die geringqualifizierte Beschäftigung wird in Deutschland immer weiter verschwinden. Und zwar, weil sie in Deutschland zu teuer geworden ist. Ein Mindestlohn würde diese Entwicklung nur noch weiter beschleunigen.

    Ja, aber was sind Mindestlohnjobs? Kellner, Friseur, Callcenter-Mitarbeiter, Verkäufer etc. diese Jobs sind ja nicht verzichtbar, sie erfordern eben nur wenig Qualifikation. Gerade in einer Gesellschaft voller "qualifizierter Arbeit", sollte man diese Jobs doch auch so entlohnen können, dass die Personen davon leben können.

    Und im Endeffekt zahlt man es doch eh über die Sozialbeiträge und Steuern. Wenn der Staat jemandem Geld für das Geld geben muss, was er verdient, dann stammt das Geld ja auch von irgend woher. (Das Problem ist natürlich nur, sobald man irgend wo die Ausgaben senkt, findet der Staat eine neue Möglichkeit Geld zu verschwenden (zB Internetzensur) und im Endeffekt hat der Beitragszahler eh nichts davon).



  • rüdiger schrieb:

    Ja, aber was sind Mindestlohnjobs? Kellner, Friseur, Callcenter-Mitarbeiter, Verkäufer etc. diese Jobs sind ja nicht verzichtbar

    Scheint mir alles trivial verzichtbar zu sein, zB. indem man auf Selbstbedienung umstellt, Callcenter ins Ausland verlagert (in den USA gehen bei Gegensprechanlagen im McDonald's Drivethrough teils Leute in anderen Bundesstaaten ans Telefon, weil dort der Mindestlohn niedriger ist) oder bei Männern mehr auf Haarschneidegeräte umstellt. Verzichtbar heißt ja nicht, daß es keine mehr davon gibt, sondern eher, das es einen Punkt gibt, ab dem sich so eine Investition mehr lohnt, als die konventionelle Methode und an der Grenze Arbeitsplätze wegfallen. In teuren Hotels gibts ja sogar heute noch Liftboys -- ein Job, der recht früh durch Mindestlöhne vernichtet wurde, btw.

    sie erfordern eben nur wenig Qualifikation. Gerade in einer Gesellschaft voller "qualifizierter Arbeit", sollte man diese Jobs doch auch so entlohnen können, dass die Personen davon leben können.

    Aber ein Mindestlohn bürdet diese Kosten einer kleinen Gruppe auf: den Arbeitgebern von Minderqualifizierten (und evtl. deren Kunden). Stell dir vor, wir haben einen Mindestlohn von 6€/h und erhöhen den auf 6,5€/h und Du hast 10 Mitarbeiter, die davon betroffen sind. Und Du schmeisst keinen raus, weil es sich "gerade noch so lohnt", dann sind die 50 Cent mehr eine effektive Belastung von rund 10 k€/Jahr, wirkt also einfach wie eine Steuer auf die Arbeitgeber, die viele solcher Leute einstellen.

    Wenn man schon eine gesellschaftliche Verantwortung sieht, dann sollte doch bitte auch "die Gesellschaft" die Kosten dafür tragen und nicht eine kleine Gruppe, findest Du nicht? Und dafür gibt es ein Umverteilungssystem, mit dem man solche Leute unterstützen kann, zB. wie in den USA die EITC's (eine negative Einkommenssteuer, was hin und wieder in Deutschland als "Bürgergeld" diskutiert wird). Klar ist natürlich auch, das man mit allen solchen Umverteilungsmaßnahmen Anreize schafft, weniger oder gar nicht zu arbeiten, aber EITC wirkt da wenigstens nicht komplett substitutiv, wie manche Maßnahmen in Deutschland: wenn man einen Euro mehr verdient, dann wird nicht gleichzeitig ein Euro an Sozialleistungen gestrichen (das ist der Punkt ab dem sich "Arbeit nicht mehr lohnt"), sondern weniger. Darum zerschießt man das Anreizsystem nicht komplett.



  • Ich glaube auch nicht unbedingt, dass ein Mindestlohn die ideale Lösung ist. Immerhin ist es besser, wenn man jemandem nur einen Zuschuss zum überleben gibt, anstelle wenn man ihn mit Sozialhilfe komplett versorgen muss. Wobei man an deinen Beispielen sieht, dass man alternativ ja auch hochwertige Jobs schaffen könnte. Jemand muss ja die Anlagen entwerfen und warten.

    btw. bei den Callcentern haben wir wohl eher das Sprachproblem. In englischsprachigen Ländern sind die meisten Callcenter ja schon nach Indien oä ausgegliedert. Würden da mehr Leute deutsch sprechen, wäre die Situation hier vermutlich ähnlich.



  • rüdiger schrieb:

    Immerhin ist es besser, wenn man jemandem nur einen Zuschuss zum überleben gibt, anstelle wenn man ihn mit Sozialhilfe komplett versorgen muss.

    Warum sollte das besser sein und welche Motiavtion hätte jemand überhaupt noch, einen Job anzunehmen, von dem er nicht leben kann.



  • Leprechaun schrieb:

    rüdiger schrieb:

    Immerhin ist es besser, wenn man jemandem nur einen Zuschuss zum überleben gibt, anstelle wenn man ihn mit Sozialhilfe komplett versorgen muss.

    Warum sollte das besser sein und welche Motiavtion hätte jemand überhaupt noch, einen Job anzunehmen, von dem er nicht leben kann.

    Dann hat er insgesamt mehr, als wenn er nicht arbeitet.

    rüdiger schrieb:

    Wobei man an deinen Beispielen sieht, dass man alternativ ja auch hochwertige Jobs schaffen könnte. Jemand muss ja die Anlagen entwerfen und warten.

    Richtig, darum sind Jobs eigentlich nicht mal die erste Sache, worauf man achten sollte, sondern Produktivität.

    Wir könnten ja problemlos Vollbeschäftigung schaffen (alle LKWs verbieten und stattdessen Leute Säcke schleppen lassen zB.), aber das Problem dabei ist, das wir dann deutlich weniger produzieren könnten (plus rapide fallende Lebenserwartung usw.). Aber geht trivial, schießt aber offenbar weit über das Ziel hinaus, oder?

    Und man kann es natürlich auch in die andere Richtung übertreiben und maximal automatisieren, aber auch da schießt man über das Ziel hinaus und verschwendet Ressourcen, die auch anders hätten eingesetzt werden können (weil es aktuell wahnsinnig teuer ist, bestimmte Dinge zB. autofahren zu automatisieren).

    Jetzt ist eben die Frage, wie man knappe Resourcen, die verschiedene Verwendungszwecke haben, möglichst effizient einsetzt und es zeigt sich jedes mal, das es kaum besser geht, als das den Markt als Koordinationsinstrument zu benutzen, wo der Produktivere den Unproduktiveren die Ressourcen wegbieten kann.

    Mit einem Mindestlohn benachteiligst Du billige Arbeit systematisch (Du machst sie teurer, damit sind sie nicht mehr konkurenzfähig und damit werden mehr Billigarbeiter arbeitslos) und allokierst damit Ressourcen falsch und es tritt ein Wohlstandsverlust auf ... nicht nur für den betroffenen Arbeitnehmer, der jetzt auf der Strasse sitzt, sondern für die ganze Gesellschaft durch fehlende Produktivität.



  • Daniel E. schrieb:

    Mit einem Mindestlohn benachteiligst Du billige Arbeit systematisch (Du machst sie teurer [...]

    Das stimmt natürlich nur wenn der Mindestlohn über dem Marktpreis liegt.



  • Daniel E. schrieb:

    Leprechaun schrieb:

    rüdiger schrieb:

    Immerhin ist es besser, wenn man jemandem nur einen Zuschuss zum überleben gibt, anstelle wenn man ihn mit Sozialhilfe komplett versorgen muss.

    Warum sollte das besser sein und welche Motiavtion hätte jemand überhaupt noch, einen Job anzunehmen, von dem er nicht leben kann.

    Dann hat er insgesamt mehr, als wenn er nicht arbeitet.

    Das ist eine Milchmädchenrechnung. Er hat etwas mehr, muß dafür aber den ganzen Tag arbeiten. Mal davon abgesehen, daß sowas unzufrieden macht, ist es, aus persönlicher Sicht, auch noch sehr unwirtschaftlich. Soll heißen: der Aufwand rechtfertigt den Nutzen nicht. Von einem Vollzeitjob muß man sein Leben bestreiten können, daran führt kein Weg vorbei.



  • Leprechaun schrieb:

    Daniel E. schrieb:

    Leprechaun schrieb:

    rüdiger schrieb:

    Immerhin ist es besser, wenn man jemandem nur einen Zuschuss zum überleben gibt, anstelle wenn man ihn mit Sozialhilfe komplett versorgen muss.

    Warum sollte das besser sein und welche Motiavtion hätte jemand überhaupt noch, einen Job anzunehmen, von dem er nicht leben kann.

    Dann hat er insgesamt mehr, als wenn er nicht arbeitet.

    Das ist eine Milchmädchenrechnung. Er hat etwas mehr, muß dafür aber den ganzen Tag arbeiten. Mal davon abgesehen, daß sowas unzufrieden macht, ist es, aus persönlicher Sicht, auch noch sehr unwirtschaftlich. Soll heißen: der Aufwand rechtfertigt den Nutzen nicht. Von einem Vollzeitjob muß man sein Leben bestreiten können, daran führt kein Weg vorbei.

    Du hast eben festgesellt, daß man durch jede Art von Umverteilung schlecht bezahlte Arbeit unattraktiver macht. Das stimmt natürlich. Aber es ist offenbar ein gesellschaftliches Ziel, eine gewisse staatliche Umverteilung zu haben, also kann man sich schon fragen, wie man diese Ziele besser erreichen kann und da sehe ich nicht, wo deine Vorwürfe treffen.

    Macht es etwa weniger unzufrieden, wenn Du weißt, das Du nur 7€ pro Stunde gezahlt bekommst, weil man dir nicht weniger bezahlen darf und der Arbeitgeber dich irgendwie mag (zB. weil's ein Verwandter ist), nicht, "weil Du es wert bist"? Ist es emotional befriedigender, jahrelang mit minialen sozialen Kontakten zu Hause zu sitzen?

    Und darum ist es wichtig, ein Modell zu finden, das nicht komplett substitutiv wirkt, also, wo man einen Euro mehr verdient und auf der anderen Seite einen Euro Sozialleistungen weniger bekommt ... dann ist nämlich der finanzielle Anreiz zu arbeiten komplett weg.

    Typische Karrieren von Langzeitarbeitslosen beginnen übrigens in der Teilzeitarbeit mit zwei Tagen die Woche oder so. Mein ja nur.

    MrN: Richtig. Sonst hat er natürlich keinen Effekt.



  • Daniel E. schrieb:

    Du hast eben festgesellt, daß man durch jede Art von Umverteilung schlecht bezahlte Arbeit unattraktiver macht. Das stimmt natürlich. Aber es ist offenbar ein gesellschaftliches Ziel, eine gewisse staatliche Umverteilung zu haben, also kann man sich schon fragen, wie man diese Ziele besser erreichen kann und da sehe ich nicht, wo deine Vorwürfe treffen.

    Daß es Leute gibt, die trotz Vollzeitjob ihren Lebensunterhalt nicht finanzieren können, ist einfach ein Unding. Das macht solche Jobs nicht nur unattraktiv sondern zu einem absoluten "no-no". Direkte staatliche Hilfen, wie unterstützende Hartz-IV Zahlungen, helfen nicht, sondern sind nur demütigend. Wer in Vollzeit arbeitet, muß ausschließlich von dem Geld leben können, das er verdient. Wie das im Hintergrund geregelt wird, z.B. durch weniger Steuern und Abgaben, durch höhere Preise oder Senkung der Produktionskosten, ist die eigentliche Herausforderung.



  • Daniel E. schrieb:

    Und darum ist es wichtig, ein Modell zu finden, das nicht komplett substitutiv wirkt, also, wo man einen Euro mehr verdient und auf der anderen Seite einen Euro Sozialleistungen weniger bekommt ... dann ist nämlich der finanzielle Anreiz zu arbeiten komplett weg.

    Stellt ein Modell mit unlimitierten Löhnen und gleichzeitigem Zuschuss vom Staat nicht einen Anreiz für Arbeitgeber dar, unter Marktwert zu bezahlen und die Arbeitnehmer zu motivieren, den Rest vom Staat zu fordern?


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