Bundestagswahl D - 27. September
-
Leprechaun schrieb:
Fakt ist: die FDP [...] ist [...] im Grunde nichts Anderes als eine verfassungsfeindliche Organisation
Also was die Verfassungsfeindlichkeit betrifft, sehe ich das bei den 5 großen, relevanten Parteien vor allem bei der Linkspartei.
Zu der schreibt zum Beispiel das Landesamt für Verfassungsschutz Hessen:
https://portal.hessen.de/irj/LfV_Internet?cid=a458afce0b59c62ed6e412ea15315812
Auf ihrem Gründungsparteitag am 16. Juni 2007 in Berlin benannte sich die "Linkspartei. PDS" - nach Aufnahme der „Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ (WASG) - in "DIE LINKE." um. Durch diese Namensänderung bleibt die vormalige linksextremistische Partei als Organisation bestehen und strebt unter neuem Namen weiterhin eine Gesellschaftsordnung an, die nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Hierbei stellt sie nicht nur das Wirtschaftssystem, sondern auch die Gesellschaftsordnung insgesamt in Frage.
DIE LINKE. sieht sich als pluralistische Partei, die extremistische Zusammenschlüsse innerhalb ihrer Organisation duldet und fördert, z. B. die "Kommunistische Plattform in der Partei DIE LINKE." (KPF) und die "Sozialistische Linke" (SL).
Einen besonderen Schwerpunkt legt die Partei auf den außerparlamentarischen Kampf. Dabei arbeitet sie auch in Hessen mit anderen linksextremistischen Parteien und Gruppierungen, auch aus dem autonomen Spektrum, zusammen.
[...]
Die Partei DIE LINKE. wird vom hessischen Verfassungsschutz weiterhin beobachtet. Es bestehen nach wie vor tatsächliche Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen. Diese ergeben sich aus dem vorläufigen Grundlagenpapier der Partei, den "Programmatischen Eckpunkten", aus der Existenz und Einflussoptionen linksextremistischer Strömungen und aus Kontakten zu anderen extremistischen Organisationen und Gruppierungen.
[...]
Die Partei DIE LINKE. fordert in den „Programmatischen Eckpunkten“ unter ausdrücklicher Berufung auf Karl Marx „alle Eigentums- und Herrschaftsverhältnisse zu überwinden“. Auf diese Weise will sie ihren Kernanspruch verwirklichen, nämlich den einer „umfassenden gesellschaftlichen Umgestaltung“. Es geht somit nicht allein um die soziale Marktwirtschaft als unser Wirtschaftssystem, sondern um die Gesellschaftsordnung insgesamt.
Kannst Du mal entsprechende Aussagen des Verfassungsschutzes zur FDP raussuchen? Also Aussagen, in denen der Verfassungsschutz sagt, dass die FDP verfassungsfeindlich ist. Ich gehe davon aus, dass Du da nichts finden wirst.
-
Gregor schrieb:
Also was die Verfassungsfeindlichkeit betrifft, sehe ich das bei den 5 großen, relevanten Parteien vor allem bei der Linkspartei.
Dann lies dieses Essay: http://www.nachdenkseiten.de/upload/pdf/20080113_Hempel_Schleichende_Revolution.pdf
Die Vision des Neoliberalismus widerspricht entscheidenden
Anforderungen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des
GrundgesetzesDie FDP ist längst nicht mehr der harmlose Verein, wie zu Zeiten Scheels und Genschers. Sie hat ihre Sichtweise auffallend radikalisiert und ist damit zu einer ernsthaften Gefahr für unsere Gesellschaftsordnung geworden.
-
Leprechaun schrieb:
Daniel E. schrieb:
Hast Du nicht ne ernsthafte Quelle...
Ich weiß nicht, was Du als ernsthafte Quelle akzeptierst, vermutlich nur die Grundsatzpapiere der FDP.
Eher als ein Papageiorgan der Linken wie die "Nachdenkseiten". Ich hab immer den Eindruck, da landen nur Artikel, die sogar Telepolis zu doof waren.
Hubert Aiwanger schrieb:
Die FDP kann man als politischen Arm der Spekulanten und Heuschrecken bezeichnen.
Die FDP ist nicht nur eine kursichtige, maßlos wirtschaftsfreundliche Partei, sondern auch misanthropisch in Bezug auf die Unterschicht.
Das ist witzig. Erstens gibt es in Deutschland quasi keine "Heuschrecken" (also Hedge-Funds oder Private-Equity-Unternehmen), so besonders erfolgreich scheint die FDP da also nicht gewesen zu sein. Etwa 80% des europäischen "Spekulantentums" sitzt in London und, hey, sogar das supersozialdemokratische Schweden hat auch eine recht lebendige Private-Equity-Szene und niemand würde dort so einen Unsinn erzählen, wie es Merkel ("Das Verhalten auf den Finanzmärkten war eine Sünde", Amen!) oder Sarkozy tun. Muß Hubert Aiwanger aber nicht wissen, es reicht ja, so zu tun, als sei der politische Gegner irgendwie böse -- und Spekulanten sind ja böse und für die aktuelle Krise verantwortlich. Das ist zwar grober Unsinn, aber erzählen kann man es ja mal, vielleicht wird man dann sogar von jemandem ernstgenommen ...
Und was immer man von den "neoliberalen" Hartz-4-Reformen halten mag, sie haben doch, obwohl sie reichlich schlecht umgesetzt wurden und die Hauptproblematik des deutschen Arbeitsmarkts gar nicht angegangen haben, ihr Ziel erfüllt und die Arbeitslosigkeit recht eindrucksvoll gesenkt -- waren also so ziemlich das sozialste Programm, was wir in Deutschland die letzten Jahre hatten. Sollte man den Grundsatz absenken? Ich denke, das ist nicht wirklich nötig, effektiver wäre es, sich mal an die strukturellen Defizite auf dem Arbeitsmarkt zu machen, aber naja, ich möchte ja auch nicht die FDP hier groß verteidigen: natürlich machen die letztlich Politik für ihre Klientel ... wie alle anderen Parteien auch.
Ob das "die Wirtschaft" ist (und was "die Wirtschaft" ist), sei mal dahingestellt: wenigstens wenn man ein insolventes, großes Unternehmen hat, wäre mir der Genosse der Bosse oder Angie lieber, oder wer rettet denn hier ständig alles von Mobilcom bis Quelle? Die FDP und die Illuminaten.
-
Leprechaun schrieb:
Dann hätte ich auch noch was zu den äußerst wirksamen Methoden der FDP gegen Arbeitslosigkeit: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,596596,00.html
Ernstgemeinte Frage: Was ist denn schlimm daran, wenn die Stadt für tote Ratten zahlt? Ich meine, wenn Hartz IV Empfänger pro Monat 5 tote Ratten abgeben müssten um weiter Stütze zu erhalten, würde ich die Aufregung verstehen. Aber als Angebot für Zuverdienst, wo Problemo?
-
Ja, aber na sicher ist das nur ein Angebot. Keinesfalls wird man sich je rechtfertigen müssen, wenn man dieses Angebot nicht nutzt, jaja.
-
scrub schrieb:
Keinesfalls wird man sich je rechtfertigen müssen, wenn man dieses Angebot nicht nutzt, jaja.
Vor wem sollte man sich denn deiner Meinung nach rechtfertigen müssen?
-
Leprechaun schrieb:
Gregor schrieb:
Also was die Verfassungsfeindlichkeit betrifft, sehe ich das bei den 5 großen, relevanten Parteien vor allem bei der Linkspartei.
Dann lies dieses Essay: http://www.nachdenkseiten.de/upload/pdf/20080113_Hempel_Schleichende_Revolution.pdf
Die Vision des Neoliberalismus widerspricht entscheidenden
Anforderungen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des
GrundgesetzesDie FDP ist längst nicht mehr der harmlose Verein, wie zu Zeiten Scheels und Genschers. Sie hat ihre Sichtweise auffallend radikalisiert und ist damit zu einer ernsthaften Gefahr für unsere Gesellschaftsordnung geworden.
Ich muss jetzt mal zugeben, dass ich die 22 Seiten nicht ganz durchgegangen bin. Aber für mich sieht das vor allem nach einer persönlichen Meinung von einem SPD- und Gewerkschaftsmitglied aus. Ich habe in dem Text vor allem jede Menge subjektive Interpretationen gesehen, die teilweise sehr aus der Luft gegriffen sind. Meinungen jeder Art kann man aber bezüglich allen Dingen finden. Die sind für sich genommen nicht wirklich relevant. Relevant sind offizielle Aussagen von entsprechenden Organisationen, sowie Fakten.
-
Badestrand schrieb:
Ernstgemeinte Frage: Was ist denn schlimm daran, wenn die Stadt für tote Ratten zahlt? [...] wo Problemo?
Im Prinzip nichts, wenn schlecht bezahlte Rattenjagd durch die Kanalisation und das Rumkriechen zwischen Fäkalien rein freiwillige Tätigkeiten wären. Aber in der Regel werden Hartz-IV Empfänger zu 1€ Jobs verdonnert und wenn sie nicht spuren, werden Leistungen gekürzt. Abgesehen davon sind augezwungene 1€-Jobs grundsätzlich nicht dazu geeignet die Menschenwürde hoch zu halten. Denn selbst das süße FDP-Showgirl Silvana behauptet, völlig zu Recht, dass sich Arbeit lohnen muß.
-
Leprechaun schrieb:
Die FDP [ ... ] ist längst nicht mehr der harmlose Verein, wie zu Zeiten Scheels und Genschers. Sie hat ihre Sichtweise auffallend radikalisiert und ist damit zu einer ernsthaften Gefahr für unsere Gesellschaftsordnung
Eine Gefahr für unsere Gesellschaftsordnung? Wäre ja auch schlimm wenn nicht, man geht doch wählen damit sich etwas ändert. Oder, sage doch mal was genau unsere Gesellschaftordnung auszeichnet. Ich bin gespannt
Edit:
1 Euro Jobs sind gegen die Menschenwürde? Erzähl das mal den Zivildienstleistenden und den Leuten die die Wehrpflicht ableisten.
-
Leprechaun schrieb:
Abgesehen davon sind augezwungene 1€-Jobs grundsätzlich nicht dazu geeignet die Menschenwürde hoch zu halten.
Das sehe ich nicht so. Letztendlich ist in dem Zusammenhang Langzeitarbeitslosigkeit der Punkt, der einem die Würde nimmt. Die 1€-Jobs bieten einem hingegen die Möglichkeit, einen Arbeitsrythmus, sowie soziale Kontakte zu halten. Beides ist sehr wertvoll und gut dazu geeignet, sich Würde zu erhalten. ...IMHO.
-
Leprechaun schrieb:
Im Prinzip nichts, wenn schlecht bezahlte Rattenjagd durch die Kanalisation und das Rumkriechen zwischen Fäkalien rein freiwillige Tätigkeiten wären.
Jo, ist doch freiwillig.
-
Natürlich ist es freiwillig. Amen.
-
Gregor schrieb:
Relevant sind offizielle Aussagen von entsprechenden Organisationen, sowie Fakten.
Fakten gibt es genug. Allein der von mir verlinkte Text von Wieland Hempel enthält etliche Fakten und nicht nur bloße Interpretationen. Was die "offiziellen Aussagen von entsprechenden Organisationen" angeht, muß ich dich fragen, welchen Organisationen du vertraust. Sollten Du nur halbwegs gesicherte wissenschaftliche Untersuchungen zur Neoliberalismus-Problematik und speziell zum FDP-Phänomen anerkennen, dann wirst Du noch eine ganze Weile darauf warten müssen. Meist gibt es stichhaltige Erkenntnisse zu dieser Thematik erst post-mortem, nachdem das Kind längst in den Brunnen gefallen ist.
Fusel.Factor schrieb:
Leprechaun schrieb:
Die FDP [ ... ] ist längst nicht mehr der harmlose Verein, wie zu Zeiten Scheels und Genschers. Sie hat ihre Sichtweise auffallend radikalisiert und ist damit zu einer ernsthaften Gefahr für unsere Gesellschaftsordnung
Eine Gefahr für unsere Gesellschaftsordnung? Wäre ja auch schlimm wenn nicht, man geht doch wählen damit sich etwas ändert.
Ach, so ist das. So ähnlich müssen viele Deutsche am Anfang der 30er Jahre auch gedacht haben.
Gregor schrieb:
Leprechaun schrieb:
Abgesehen davon sind augezwungene 1€-Jobs grundsätzlich nicht dazu geeignet die Menschenwürde hoch zu halten.
Das sehe ich nicht so. Letztendlich ist in dem Zusammenhang Langzeitarbeitslosigkeit der Punkt, der einem die Würde nimmt.
Es geht noch mindestens eine Stufe tiefer, z.B. indem man zur Zwangsarbeit als 1€-Jobber herangezogen wird.
Badestrand schrieb:
Leprechaun schrieb:
Im Prinzip nichts, wenn schlecht bezahlte Rattenjagd durch die Kanalisation und das Rumkriechen zwischen Fäkalien rein freiwillige Tätigkeiten wären.
Jo, ist doch freiwillig.
Ja, Du hast natürlich Recht. Man hat die freie Wahl, ob man sich als Rattenfänger für 1€ verdingt, oder ob man auf einen Teil der ALG-II Zahlungen verzichtet.
-
Leprechaun schrieb:
Ach, so ist das. So ähnlich müssen viele Deutsche am Anfang der 30er Jahre auch gedacht haben.
Ja, genau das haben sie. Und auch die Leute vor der Französischen Revolution und vor dem Mauerfall. Aber sag doch erstmal was unsere Gesellschaftsordnung auszeichnet. Mir ist der Begriff zu schwammig.
-
Leprechaun schrieb:
Allein der von mir verlinkte Text von Wieland Hempel enthält etliche Fakten und nicht nur bloße Interpretationen. Was die "offiziellen Aussagen von entsprechenden Organisationen" angeht, muß ich dich fragen, welchen Organisationen du vertraust. Sollten Du nur halbwegs gesicherte wissenschaftliche Untersuchungen zur Neoliberalismus-Problematik und speziell zum FDP-Phänomen anerkennen, dann wirst Du noch eine ganze Weile darauf warten müssen.
Ok, nehmen wir doch mal den verlinkten Text her, da versucht der Autor im wesentlichen zu zeigen, daß der "Neoliberalismus" verfassungsfeindlich ist. Argumentativ untermauert wird das fast gar nicht, es werden ständig Stromänner aufgebaut und dann niedergeknüppelt.
Eine inhaltliche Diskussion des Neoliberalismus findet gar nicht erst statt, wird stattdessen auf Publikationen von zB. John Gray oder Naomi Klein verwiesen (Kapitel: "Vision des Neoliberalismus"). Schon das allein ist lachhaft, weil sowohl "False Dawn" als auch "The Shock Doctrine" extrem bizarre Bücher sind. Naomi Klein stellt zB. die These auf, daß neoliberale Reformen immer nur nach fremdinduzierten "Schocks" durchgesetzt werden und üblicherweise auch nur von undemokratischen Regimen. Das Problem damit, ist, daß es einfach falsch ist, je demokratischer Völker sind, desto mehr marktfreundliche Reformen wurden durchgesetzt: Seit 1990 ist die Zahl der Völker, die ihre Regierungen wählen, auf über 120 gestiegen (davor waren es etwa 70), und der Freedom-House-Index ist auch gewachsen: die welt wurde in der Zeit mehr neoliberal. Natürlich haben auch Diktatoren reformiert (China oder Chile zB.), aber im Schnitt deutlich weniger, als Demokratien (Freedom-House-Rankings aufdröseln und hinmalen hätte das gezeigt). Das interessiert Naomi Klein aber nicht, die versucht auch ihre These anhand von Spezialfällen zu belegen.
"False Dawn" ist fast noch schlimmer, das ist eine bitterböse Abrechnung mit den USA, die er abgrundtief hasst und zwar alles, für das die USA steht: Individualismus, Technologie, rechtsstaatliche Verfassungen und die Aufklärung (die mag er am aller wenigsten!). Er ist offen der Meinung, daß wir heute besser dran wären, wenn es keine Technologie gäbe, er verabscheut jede Art von Neuerung und bildet damit einen lustigen Schnittpunkt zwischen Konservativen und Öko-Fuzzies. Und weil er aus Oxford ist und Philosoph, denken alle, man müsse ihn ernst nehmen.
Ich meine, wer seine Analyse des Neoliberalismus auf solchen Büchern aufbaut (das Schock-Doktrin-Muster wird ja immer wieder im Papier referenziert), der kann doch nur Unsinn schreiben.
Bewahrheitet sich ja auch:
Bereits in den 20er und 30er Jahren hatten deutsche “Ordoliberale” im Vertrauen auf die angenommenen Selbstheilungskräfte des Marktes gegen staatliche Interventionen in die Wirtschaft [...]angeschrieben.
Der Ordoliberalismus ist ein Begriff aus den 1950ern. Aber gut.
Folgenreicher war es, dass in den USA der 30er und 40er Jahre wirtschaftsliberale Wissenschaftler und Intellektuelle erleben mussten, dass die Politik die aus ihrer Sicht falschen Konsequenzen aus den großen Krisen gezogen hat. Sie folgte dem Rat von John Maynard Keynes und ließ den Staat in die Wirtschaft hineinregieren, legte Investitions- und Sozialprogramme gegen das Massenelend auf, regulierte Löhne und Preise und vor allem: Sie beanspruchte hierfür einen beträchtlichen Teil der Wertschöpfung für den Staat, anstatt ihn den Kapitaleignern zu überlassen. Diese Politik rettete zwar den Kapitalismus vor dem Untergang.
Au weia, ob der "New Deal" eine große Hilfe war, aus der Great Depression herauszukommen, ist immer noch eine umstrittene Frage. Ich meine, die "Rettung des Kapitalismus" hat immerhin bis nach dem zweiten Weltkrieg gedauert, besonders dolle war sie also nicht ... (Alle anderen Krisen davor, wo man es ohne Keynes versucht hatte, haben ein, zwei Jährchen gedauert.)
Wirtschaftswissenschaftler sind mehrheitlich der Meinung, der New Deal habe mehr geschadet als genützt, Historiker tendieren zu der anderen Auffassung. Also? Ach so, für den Autor lohnt sich so eine Diskussion nicht, er möchte ja nur rumfaseln.
In ihren klassischen Streitschriften plädieren von Hayek (Der Weg zur Knechtschaft 1944) und Friedman (Kapitalismus und Freiheit 1962) gegen jegliche Intervention des Staates
Huch, Friedman diskutiert da in einem ganzen Kapitel die Einrichtung einer negativen Einkommenssteuer (was heute oft als Bedingungsloses Grundeinkommen diskutiert wird). Auch Hayek spricht sich sehr deutlich für ein soziales Netz aus. Ich mein ja nur, man sollte die Bücher wenigstens lesen, wenn man sie schon zitiert.
Das alles kollidiert offensichtlich mit dem Grundgesetz meint der Autor, aber er zeigt das an keiner einzigen Stelle; weil irgendein Urteil im Text enthält, die Energieversorgung dürfe nicht nur Gewinnstreben berücksichtigen? Auch das Kapitel "Verfassungsfeindlich, verfassungsvergessen" sagt nicht, was konkret gegen die Verfassung ist, nur "Das neoliberale Projekt ist, wie dargestellt, gegen den Verfassungskern des Grundgesetzes gerichtet." Tja, leider wurde das nicht dargestellt. Aber dafür kriegen wir eine interessante Verschwörungstheorie, die sich leider etwas mit der Schocktherapie von oben beisst: die Neoliberalen verfolgen eine Politik der kleinen Schritte, damit das Bundesverfassungsgericht nichts merkt, gleichzeitig kann man neoliberale Reformen nur nach großen Schocks machen (immer vom CIA induziert) und dann wird ratzfatz das ganze Land neoliberal. Doch, genau so ist es. Daß ein sauberer Verbesserungsprozess im wesentliche immer evolutionär verhalten, also marginale Änderungen darstellen, interessiert den Autor wieder mal nicht.
Aber wenn man korrekterweise 2002 festgestellt hat, daß der Sozialstaat in der aktuellen Form nicht finanzierbar war, dann ist man Verfassungsfeind. Da wird der einzige Trick des Papiers wieder ausgepackt: unterstelle eine falsche Dichotomie, wenn man für Pro-Markt-Reformen ist, dann will man natürlich den Sozialstaat abschaffen. In Wirklichkeit will das natürlich (fast?) niemand. Stattdessen hat sich aber bei den meisten Leuten die Erkenntnis durchgesetzt, daß (a) oft nicht denen geholfen wird, denen geholfen werden soll, (b) die Leute belastet werden, die selbst nur wenig mehr haben, (c) künstlich eine Unterschicht geschaffen wird und (d) das System extrem ineffizient arbeitet. Wenn man da was ändert, ist man ein Verfassungsfeind. Genau, Herr Hempel.
Am deutlichsten sagt das Papier das hier (Kulturbruch):
Verglichen mit dem - aus deutscher Sicht - “gewöhnlichen” Kapitalismus, der sozialen Marktwirtschaft, ist der Neoliberalismus mehr als eine intensivere Umverteilung des gesellschaftlich erarbeiteten Reichtums von unten nach oben.
Wenn man sich aber mal die Daten vergleicht, Rheinischer Kapitalismus vs. amerikanischer Cowboy-Kapitalismus, dann steht der amerikanische Kapitalismus auf fast jeder Dimension besser da. Siehe zB. "Amerikanische Verhältnisse" von Olaf Gersemann wo er einfach mal alle möglichen OECD-Statistiken zusammengestellt hat. Die Umverteilung von "unten nach oben" findet "im Neoliberalismus" augenscheinlich viel weniger statt, wenn man mal in die Daten guckt. Interessiert nicht, weiß ich doch.
Roland Koch hat geltend gemacht, dass der Staat für Brot und Salatköpfe
keine Preise festsetze, deshalb bräuchten wir auch keine staatlich festgesetzten Preise für die Arbeit (rbb iinforadio vom 18.6.2007).Ja Mensch, der Roland. Obwohl Lohn- und Preiskontrollen doch überall ein wahnsinniger Erfolg waren: Stagflation mit > 10% Inflation und steigenden Arbeitslosenzahlen. Aber ich vergaß: Stagflation gibt es ja nach Keynes gar nicht.
Also muss das Grundgesetz offensiv verteidigt werden, gelle, Herr Hempel. Und dazu scheibt man am besten 20 Seiten irgendwas und verfehlt, den zentralen Punkt zu belegen, nämlich, daß "der Neoliberalismus" gegen das Sozialstaatsprinzip verstößt.
-
@Daniel E.: Danke und Respekt. Ich habe nicht den Hintergrund, um auf die referenzierten Quellen derart detailliert eingehen zu können, so dass ich da im Dunkeln hätte stochern müssen. Mir war nur klar, dass keine Fakten referenziert werden, sondern andere subjektive Meinungen.
Daniel E. schrieb:
Also muss das Grundgesetz offensiv verteidigt werden, gelle, Herr Hempel. Und dazu scheibt man am besten 20 Seiten irgendwas und verfehlt, den zentralen Punkt zu belegen, nämlich, daß "der Neoliberalismus" gegen das Sozialstaatsprinzip verstößt.
Irgendwie ist es meistens so, dass der echte Informationsgehalt bei Meinungen reziprok zur Textlänge ist. Nur wer keine Fakten hat, auf die er sich beziehen kann, muss seitenlang rumschwafeln und das durch Rhetorik ausgleichen.
-
Daniel E. schrieb:
Naomi Klein stellt zB. die These auf, daß neoliberale Reformen immer nur nach fremdinduzierten "Schocks" durchgesetzt werden und üblicherweise auch nur von undemokratischen Regimen.
Sie beschreibt das Ganze, für meinen Begriff, etwas zu fest umrissen, aber im Prinzip hat sie recht. Nicht in allen Fällen werden solche Schocks bewußt ausgenutzt, um neue Machtstrukturen zu installieren oder soziale Systeme abzubauen. Aber nahezu immer haben sie fatale Nebeneffekte, die förmlich rekursiv die Situation verschlimmern. Man nehme z.B. die aktuelle Wirtschaftskrise. Krisensituationen dieser Art führen oft zu vielen übereilten und falschen Entscheidungen. Besonders dumm an der Sache ist aber, daß Zorn und Entrüstung der Bevölkerung nicht diejenigen trifft, die für die Krise verantwortlich, oder sie ideologisch mitgetragen haben, sondern die, die für die mißlungene Rettung zuständig waren. Das wiederum führt dazu, daß den wirklichen Verursachern schnell vergeben wid und sorgt, nach einer kurzen Schreckenspause, dafür, daß alles wieder von vorn los geht. Der "Schock-Effekt", wenn auch nicht im hundertprozentigen Sinn von Naomi Klein, ist kein Hirngespinst einiger durchgeknallter Liberalismuskritiker, sondern Realität. Aber wie sagte mal ein bekannter Deutscher Musiker und Songwriter: "Immer lustig und vergnügt, bis der Arsch im Sarge liegt".
Daniel E. schrieb:
je demokratischer Völker sind, desto mehr marktfreundliche Reformen wurden durchgesetzt: Seit 1990 ist die Zahl der Völker, die ihre Regierungen wählen, auf über 120 gestiegen (davor waren es etwa 70)...
Beide Entwicklungen haben nur insofern miteinander zu tun, als daß jedes fortschrittlich orientierte Land auch am internationalen Wettbewerb teilnehmen möchte. Dazu gehört eine vernünftige Wirtschaftspolitik, die aber keinesfalls zu Lasten der Schwachen und Armen des Landes gehen darf (Was natürlich passieren wird, sollten Liberalisten das Ruder in die Hand bekommen). Was wolltest Du mit dem Satz eigentlich zeigen?
Daniel E. schrieb:
Ich meine, wer seine Analyse des Neoliberalismus auf solchen Büchern aufbaut (das Schock-Doktrin-Muster wird ja immer wieder im Papier referenziert), der kann doch nur Unsinn schreiben.
Bewahrheitet sich ja auch:Bereits in den 20er und 30er Jahren hatten deutsche “Ordoliberale” im Vertrauen auf die angenommenen Selbstheilungskräfte des Marktes gegen staatliche Interventionen in die Wirtschaft [...]angeschrieben.
Der Ordoliberalismus ist ein Begriff aus den 1950ern. Aber gut.
Wer im Jahre 2007 ein Wort aus der 50ern verwendet und es dazu noch in Anführungszeichen setzt, schreibt deshalb Blodsinn?
Ist das FDP-Logik oder wie soll ich Dich verstehen?
Daniel E. schrieb:
Das alles kollidiert offensichtlich mit dem Grundgesetz meint der Autor, aber er zeigt das an keiner einzigen Stelle;
Dann lies den Text nochmal. Die Kernaussage dazu, die der Autor keineswegs einfach so aus der Luft greift, ist:
Das neoliberale Projekt ist, wie dargestellt, gegen den Verfassungskern des Grundgesetzes gerichtet. Diejenigen, die es entwickeln, propagieren oder einzelne Elemente mit der Absicht umsetzen, die strategischen Ziele zu erreichen, handeln zumindest objektiv verfassungsfeindlich
Daniel E. schrieb:
...(c) künstlich eine Unterschicht geschaffen wird und (d) das System extrem ineffizient arbeitet. Wenn man da was ändert, ist man ein Verfassungsfeind.
Soso, Unterschicht, Prekariat und dergleichen sind künstliche Konstrukte und wahrscheinlich auch nur Bestandteile von Hempels "Verschwörungstheorie"
Bist Du wirklich so realitätsfremd oder plapperst Du nur die innerhalb der FDP obligatorischen Meinungen nach?
-
<°)))o><
-
Leprechaun schrieb:
Daniel E. schrieb:
Naomi Klein stellt zB. die These auf, daß neoliberale Reformen immer nur nach fremdinduzierten "Schocks" durchgesetzt werden und üblicherweise auch nur von undemokratischen Regimen.
Sie beschreibt das Ganze, für meinen Begriff, etwas zu fest umrissen, aber im Prinzip hat sie recht. Nicht in allen Fällen werden solche Schocks bewußt ausgenutzt, um neue Machtstrukturen zu installieren oder soziale Systeme abzubauen. Aber nahezu immer haben sie fatale Nebeneffekte, die förmlich rekursiv die Situation verschlimmern. Man nehme z.B. die aktuelle Wirtschaftskrise. Krisensituationen dieser Art führen oft zu vielen übereilten und falschen Entscheidungen. Besonders dumm an der Sache ist aber, daß Zorn und Entrüstung der Bevölkerung nicht diejenigen trifft, die für die Krise verantwortlich, oder sie ideologisch mitgetragen haben, sondern die, die für die mißlungene Rettung zuständig waren. Das wiederum führt dazu, daß den wirklichen Verursachern schnell vergeben wid und sorgt, nach einer kurzen Schreckenspause, dafür, daß alles wieder von vorn los geht. Der "Schock-Effekt", wenn auch nicht im hundertprozentigen Sinn von Naomi Klein, ist kein Hirngespinst einiger durchgeknallter Liberalismuskritiker, sondern Realität.
Naja, die Wirtschaftskrise zeigt doch, wie falsch sie damit liegt: aktuell wird der Neoliberalismus komplett zurückgerollt -- ja, das hat vermutlich tragische Auswirkungen auf die nächsten Generationen, deren Wachstum nun systematisch niedriger liegen dürfte, aber immerhin scheint es kein neoliberales Phänomen zu sein, was Naomi Klein aber unterstellt: es ist ein politisches Phänomen, denn, wie es Rahm Emanuel, der Stabschef von Obama sagen würde: "You don’t ever want a crisis to go to waste; it’s an opportunity to do important things that you would otherwise avoid." Großer Neoliberaler ist er kaum. Gibt es also auch eine sozialistische Schock-Doktrin? "Rise of desaster socialism"? Wird bestimmt nicht Naomis nächstes Buch.
Naomi Klein tut so, als wäre das eine Idee von Milton Friedman, was komplett an den Haaren herbeigezogen ist: Friedman hat sich immer für langsame, kontinuierliche Veränderungen eingesetzt, er war wenn immer gegen Schocks -- zB. war er erklärtermaßen gegen den Irakkrieg. Interessiert Naomi Klein aber nicht, sie unterstellt wenigstens implizit die ganze Zeit das Gegenteil.
Dann treibt sie auch noch ein bißchen Geschichtsfälschung zB. über China. Die Leute hätten bei "Tiananmen Square" gar nicht für zB. Meinungsfreiheit demonstriert, sondern gegen die "neoliberalen Reformen". Dann sollte sich dazu auch was in den studentischen Forderungen finden, die ein paar Seiten lang sind. Tut man aber nicht.
Daniel E. schrieb:
je demokratischer Völker sind, desto mehr marktfreundliche Reformen wurden durchgesetzt: Seit 1990 ist die Zahl der Völker, die ihre Regierungen wählen, auf über 120 gestiegen (davor waren es etwa 70)...
Beide Entwicklungen haben nur insofern miteinander zu tun, als daß jedes fortschrittlich orientierte Land auch am internationalen Wettbewerb teilnehmen möchte. Dazu gehört eine vernünftige Wirtschaftspolitik, die aber keinesfalls zu Lasten der Schwachen und Armen des Landes gehen darf (Was natürlich passieren wird, sollten Liberalisten das Ruder in die Hand bekommen). Was wolltest Du mit dem Satz eigentlich zeigen?
Naomi Kleins These ist, daß vor allem Despoten liberale Reformen durchsetzten. In Wirklichkeit ist das Gegenteil der Fall: je demokratischer, desto mehr Reformen.
Wer sind übrigens "Liberalisten"? Wieder ein neuer Kampfbegriff? Und wie kommst Du darauf, das würde zu Lasten der Armen des Landes gehen? Bist Du zB. der Meinung, die Chinesen waren noch besser dran, als die Mehrheit von ihnen noch unter 1$/Tag verdient hat? Oder waren das unter Den Xiaoping gar keine richtigen Marktreformen? Pack doch mal deine Daten auf den Tisch, bisher gehst Du ja immer auf die Teile mit den Daten nicht ein.
Daniel E. schrieb:
Ich meine, wer seine Analyse des Neoliberalismus auf solchen Büchern aufbaut (das Schock-Doktrin-Muster wird ja immer wieder im Papier referenziert), der kann doch nur Unsinn schreiben.
Bewahrheitet sich ja auch:Bereits in den 20er und 30er Jahren hatten deutsche “Ordoliberale” im Vertrauen auf die angenommenen Selbstheilungskräfte des Marktes gegen staatliche Interventionen in die Wirtschaft [...]angeschrieben.
Der Ordoliberalismus ist ein Begriff aus den 1950ern. Aber gut.
Wer im Jahre 2007 ein Wort aus der 50ern verwendet und es dazu noch in Anführungszeichen setzt, schreibt deshalb Blodsinn?
Ist das FDP-Logik oder wie soll ich Dich verstehen?
Es gab in den 1920er Jahren nichts, was man als Ordoliberalismus bezeichnen könnte. wer soll also gegen was angeschrieben haben? Ordoliberale waren es jedenfalls nicht. Da drängt sich die Idee auf, hier möchte der Autor eine spätere Denkrichtung diffamieren und zwar durch diesen Trick:
- Es gab die harten 30er Jahre.
- Die Ordoliberalen waren gegen "progressives Staatsverhalten"
- Letztlich hat der Staat den Kapitalismus geretten (gut, in Deutschland kam Hitler mit seinem faschistischen Programm ...)
- Also haben die Ordoliberalen damals schon Blödsinn geschrieben
Tja, leider ist 2) falsch, denn es gab keine Ordoliberalen und 3) ist eine hochumstrittene Behauptung, also folgt 4) nicht.
Daniel E. schrieb:
Das alles kollidiert offensichtlich mit dem Grundgesetz meint der Autor, aber er zeigt das an keiner einzigen Stelle;
Dann lies den Text nochmal. Die Kernaussage dazu, die der Autor keineswegs einfach so aus der Luft greift, ist:
Das neoliberale Projekt ist, wie dargestellt, gegen den Verfassungskern des Grundgesetzes gerichtet. Diejenigen, die es entwickeln, propagieren oder einzelne Elemente mit der Absicht umsetzen, die strategischen Ziele zu erreichen, handeln zumindest objektiv verfassungsfeindlich
Wie oben bewiesen ist 2+3=29. Die Behauptung des Textes habe ich auch gelesen. Die Argumentation dazu beschränkt sich aber auf das Unterstellen falscher Dichotomien. "Der Neoliberalismus ist für eine Reform der Sozialsysteme, also ist er für die Abschaffung der Sozialsystems und das verstößt gegen das Grundgesetz."
Das ist das Naomi-Klein-Syndrom: viel Text, aber die (offensichtlich falsche) Kernthese wird nie belegt.
Daniel E. schrieb:
...(c) künstlich eine Unterschicht geschaffen wird und (d) das System extrem ineffizient arbeitet. Wenn man da was ändert, ist man ein Verfassungsfeind.
Soso, Unterschicht, Prekariat und dergleichen sind künstliche Konstrukte und wahrscheinlich auch nur Bestandteile von Hempels "Verschwörungstheorie"
Bist Du wirklich so realitätsfremd oder plapperst Du nur die innerhalb der FDP obligatorischen Meinungen nach?
Nicht *die* Unterschicht, *eine* und die künstliche geschaffene Unterschicht besteht darin, daß wir Leute über Jahre aus dem Arbeitsmarkt rausgehalten haben: Im Jahre 2000 waren über die Hälfte aller Arbeitslosen mehr als ein Jahr arbeitslos. Und ja, das ist eine "künstlich geschaffene" Unterschicht, die durch eine Strukturreform leicht beseitig werden können und in vielen Fällen haben sogar die halbherzigen Hartz-Reformen ausgereicht. Das ist künstlich geschaffen in dem Sinne, daß die meisten Länder keine solchen extremen Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt hatten. Oder woran lag das deiner Meinung nach? Am guten Wetter? Und wie hätte man es lösen sollen? Vielleicht ein Mindestlohn von 10€/h?
Interessiert dich nicht? "Vor Hartz-4 war nämlich alles viel besser?"
-
+1 für gut recherchierte und mit Fachwissen in Fülle geführte Argumentation