Determinismus in der Physik



  • Hallo,

    ich weiß, die Frage ist wohl nicht besonders elegant, aber warum sollte es überhaupt soetwas wie einen Zufall geben?

    Viele bekannte Denker und Physiker waren Deterministen, wie z.B. Albert Einstein oder Isaac Newton, sie glaubten, dass es keine Zufall gibt, sondern dass alles von Anfang an vorbestimmt ist.
    Das würde bedeuten, dass es in den Augen dieser Physiker keinen echten Zufall geben kann, da das Ergebnis des Zufallsexperiments im Grunde von Anfang an feststeht.

    Genau das verstehe ich nicht ganz, im Grunde erklärt schon die Chaostheorie, dass es keinen Zufall geben kann, so habe ich das zumindest verstanden.

    Dieses (deterministische!) Chaos (ist in diesem Zusammenhang wohl synonym zu "Zufall" zu verwenden) ist lediglich abhängig von den Startbedingungen. Je empfindlicher das System auf diese Startbedingungen reagiert, desto verschieden werden die Ergebnisse am Ende.

    Also könnte man sagen, dass es physikalisch betrachtet keinen echten Zufall gibt, sondern nur ein deterministisches Chaos, das allein von Startbedingungen abhängig ist.

    Was haltet ihr davon? Glaubt ihr an den Zufall?


  • Mod

    Physikalisch:
    Man hat Experimente gemacht, die einen scheinbar zufälligen Ausgang haben. Es gibt auch andere Experimente, mit denen man feststellen kann, dass der Zufall nicht aus (einer bestimmten Art von) Unwissen über den genauen Anfangszustand des Systems kommt (lokale versteckte Variablen). Nun hat man noch die Möglichkeiten, dass der Zufall wohl echt ist oder dass die Art der versteckten Information philosophisch unbequeme Eigenschaften hat* (nicht-lokale versteckte Variablen). Daher ist echter Zufall die gängige Lehrmeinung, der ich ebenfalls folge.

    Philosophisch:

    warum sollte es überhaupt soetwas wie einen Zufall geben?

    Warum nicht? Was ist an einer Welt ohne echten Zufall besser als an einer mit Zufall? Wenn man die QM mit echtem Zufall interpretiert, ist das immer noch sehr elegant. Es ist ja kein chaotischer Zufall bei dem alles passieren kann, sondern es verläuft alles noch streng geregelt: "Wenn ich Experiment XYZ präpariere bekomme ich zu genau 1/3 Ergebnis A und zu 2/3 Ergebnis B". Das finde ich nicht schlechter als "Wenn ich Experiment XYZ präpariere, habe ich in Wirklichkeit XYZ_A vorliegen, was mir immer Ergebnis A gibt, oder ich habe XYZ_B mit Ergebnis B; aber ich kann XYZ_A nicht von XYZ_B unterscheiden."

    *: Zum Beispiel Überlichtgeschwindigkeit. Und natürlich, wie der Name schon sagt, Nichtlokalität. Bei bestimmten Theorien auch die Eigenschaft, dass die Größen prinzipiell nicht messbar sind, was die Frage aufwirft, ob etwas Unmessbares überhaupt eine physikalische Realität hat.



  • SeppJ schrieb:

    Physikalisch:
    Man hat Experimente gemacht, die einen scheinbar zufälligen Ausgang haben. Es gibt auch andere Experimente, mit denen man feststellen kann, dass der Zufall nicht aus (einer bestimmten Art von) Unwissen über den genauen Anfangszustand des Systems kommt (lokale versteckte Variablen).

    Was für Experimente?

    Philosophisch:

    warum sollte es überhaupt soetwas wie einen Zufall geben?

    Warum nicht? Was ist an einer Welt ohne echten Zufall besser als an einer mit Zufall?

    Tja darüber schreiten sich alle in der Philosophie.

    Grundsätzlich finde ich persönlich den Gedanken des Determinismus in der Psychologie, also dass ich keine Willensfreiheit habe, sehr erschreckend.
    Sigmund Freud war ebenfalls Anhänger des Determinismus. Er sagt, dass der Mensch zu sehr an frühkindliche Erfahrungen und Triebe (das mit den Trieben kann ich ja noch nachvollziehen) gebunden sind.


  • Mod

    hobby-chaotiker schrieb:

    Was für Experimente?

    Alle, bei denen in der Beschreibung das Wort "Quantenmechanik" auftaucht.

    Klassiker wären "Wann zerfällt ein Atomkern?" oder "Kommt mein zirkular polarisiertes Photon durch den Polarisationsfilter?".



  • hobby-chaotiker schrieb:

    SeppJ schrieb:

    Physikalisch:
    Man hat Experimente gemacht, die einen scheinbar zufälligen Ausgang haben. Es gibt auch andere Experimente, mit denen man feststellen kann, dass der Zufall nicht aus (einer bestimmten Art von) Unwissen über den genauen Anfangszustand des Systems kommt (lokale versteckte Variablen).

    Was für Experimente?

    Vermutlich sind die hier http://de.wikipedia.org/wiki/Bellsche_Ungleichung gemeint.



  • hobby-chaotiker schrieb:

    Grundsätzlich finde ich persönlich den Gedanken des Determinismus in der Psychologie, also dass ich keine Willensfreiheit habe, sehr erschreckend.

    Oh.
    Na, das ist ein guter Grund, SeppJs Lehrmeinung in der Physik zu folgen. 🤡


  • Mod

    volkard schrieb:

    hobby-chaotiker schrieb:

    SeppJ schrieb:

    Physikalisch:
    Man hat Experimente gemacht, die einen scheinbar zufälligen Ausgang haben. Es gibt auch andere Experimente, mit denen man feststellen kann, dass der Zufall nicht aus (einer bestimmten Art von) Unwissen über den genauen Anfangszustand des Systems kommt (lokale versteckte Variablen).

    Was für Experimente?

    Vermutlich sind die hier http://de.wikipedia.org/wiki/Bellsche_Ungleichung gemeint.

    Gut! Das sind die Experimente zur Kategorie

    SeppJ schrieb:

    Es gibt auch andere Experimente, mit denen man feststellen kann, dass der Zufall nicht aus (einer bestimmten Art von) Unwissen über den genauen Anfangszustand des Systems kommt (lokale versteckte Variablen).

    , während meine oben genannten Experimente (Atomkern, Photon) zur Kategorie

    SeppJ schrieb:

    Physikalisch:
    Man hat Experimente gemacht, die einen scheinbar zufälligen Ausgang haben.

    gehören.



  • Wie ist "Zufall" überhaupt definiert?



  • Ist doch Wumpe obs nu Willensfreieheit im weiteren Sinne gibt. Entscheidend ist nur das Du glaubst du hättest frei entschieden. (vorhersagen kanns keiner, den niemand kennt den Anfangszustand)

    Im übrigen hat das wenig mit Determinismus zu tun. Denn was soll genau der Indeterminismus (Zufall) an Willensfreiheit brinegn? In welchem Zusammenhang siehst du das zu deiner Willensfreiheit? Ist zufälliges Handeln Willensfreiheit? Oder glaubst du sogar du könntest mit deinen Willen den Zufall beeinflussen? In wiefern wäre es dann noch Zufall?


  • Mod

    Phil-O-Soph schrieb:

    Wie ist "Zufall" überhaupt definiert?

    So wie im Lexikon. Dort wird sicherlich stehen, dass dies von Themengebiet zu Themengebiet unterschiedlich ist 😉 . Hier im Thread dreht es sich um das naturwissenschaftliche Idee eines nicht-kausalen Ablaufs. Beispiel: Es gibt (in der Lehrmeinung) keinen Grund, warum ein Atomkern zu einem bestimmten Zeitpunkt zerfällt. Bis zum Zerfall war er wie jeder andere Atomkern, egal wie genau man misst.

    Allerdings wird's thematisch so langsam metaphysisch, jetzt wo es mit der Willensfreiheit losgeht. Ich sage mal voraus, dass es daher in diesem Thread noch zu allerlei Missverständnissen und Geschrei kommen wird.



  • Ich hätte auch ein ungutes Gefühl dabei, wenn die Welt fundamental zufällig wäre.
    Wahrscheinlich, weil ich mir echten Zufall nicht vorstellen kann, nur Pseudo-Zufall.
    Wie stellt ihr euch echten Zufall vor? Wie passt das zu unserer Wahrnehmung einer deterministischen Welt bzw. wie erklärt man die Realisierung eines Ereignisses aus der Zufallsverteilung (-> Messproblem in der QM)

    Da die Quantenmechnik sowieso nichtlokal ist (siehe Quantenteleportation), hab ich auch nichts gegen nichtlokale verborgene Parameter, z.B. Bohm'sche Mechanik.
    Das einzige gültige Argument gegen verborgene Parameter ist meiner Meinung, dass sie tatsächlich prinzipiell nie messbar sind und daher auch weggeschmissen werden könnten. (Ockham's Razor)
    Neben dem Determinismus bietet die Bohm'sche Mechanik aber auch eine Interpretation der Quantenmechanik, die finde ich wesentlich klarer als sonstige Interpretationen (viele Welten...) einen Bezug zu unserer (deterministischen) Alltagswelt herstellt.

    Wie sieht es eigentlich bei weiter unten angesiedelten physikalischen Theorien (QFT, String-Theorie,...) mit dem Zufall und dem Messproblem aus? Hat da jemand was?


  • Mod

    C14 schrieb:

    Wie sieht es eigentlich bei weiter unten angesiedelten physikalischen Theorien (QFT, String-Theorie,...) mit dem Zufall und dem Messproblem aus? Hat da jemand was?

    Das ist auch nur Quantenmechanik mit anderen Objekten.



  • Es geht nicht um Zufall, sondern um Vorbestimmung.

    Wenn man Freud glaubt, dann handelt der Mensch aus eben den frühkindlichen Erfahrungen und Trieben heraus -> mein Handeln wird nicht vom "Ich", sondern eher vom "Es", also primär von den Trieben, gesteuert. Außerdem legt jeder Mensch verhaltensmuster an den Tag, das relativ viel über ihn verrät.

    du handelst nach deinem verhaltensmuster. wenn jemand dieses verhaltensmuster kennt, weiß er mit großer wahrscheinlichkeit auch, wie du handeln wirst, z.b. welche partei du wählen wirst.

    verstehst du das? So meint Freud das mit dem Determinismus.



  • Hoffen wir mal auf Missverständnisse ohne Geschrei 😉


  • Mod

    C14 schrieb:

    Wie stellt ihr euch echten Zufall vor?

    Shit just fucking happens.

    freud rotiert im grab! schrieb:

    [...Freud'sche Lehre...]

    Wirklich? Möchtest du nicht auch noch Aristoteles Meinung zur Position der Erde im Universum zitieren?

    Bloß weil Freud der einzige "Psychologe" ist, den man in der Schule kennenlernt, heißt das nicht, dass seine Lehrmeinung was taugt. So ziemlich alles davon wurde schon vor langer Zeit von seinen (naturwissenschaftlich arbeitenden) Nachfolgern widerlegt. Freud kam eben eher von der Philosophie her und hat seine Prämissen niemals nach ihrer Realität hin hinterfragt. Oder direkt gesagt: Er hat bloß gesagt, wie er sich die Psyche vorstellt, aber er hat nie geprüft, ob es auch stimmt.
    Er hat damit etabliert, dass man überhaupt über das Thema sprach. Dies ist seine Leistung. Nicht das was er zum Thema sagte.



  • SeppJ schrieb:

    Phil-O-Soph schrieb:

    Wie ist "Zufall" überhaupt definiert?

    So wie im Lexikon. Dort wird sicherlich stehen, dass dies von Themengebiet zu Themengebiet unterschiedlich ist 😉 . Hier im Thread dreht es sich um das naturwissenschaftliche Idee eines nicht-kausalen Ablaufs. Beispiel: Es gibt (in der Lehrmeinung) keinen Grund, warum ein Atomkern zu einem bestimmten Zeitpunkt zerfällt. Bis zum Zerfall war er wie jeder andere Atomkern, egal wie genau man misst.

    Allerdings wird's thematisch so langsam metaphysisch, jetzt wo es mit der Willensfreiheit losgeht. Ich sage mal voraus, dass es daher in diesem Thread noch zu allerlei Missverständnissen und Geschrei kommen wird.

    aber woher weiß ein atomkern, wann er erfällt.

    richtig, er "weiß" es nicht. ich bin kein physiker, aber wahrscheinlich zerfällt er wegen dem einwirken von äußeren einflüssen.

    und da sind wir wieder am anfang. sobald ist ein system habe, das sensibel auf startbedingungen reagiert (was anscheinend bei so einem atomkern der fall ist), dann habe ich am ende doch wieder nur pseudo-zufall, weil das ebenfalls wieder ein deterministisches chaos ist.

    warum sind eigenltlich so viele physiker deterministen? ich kenne keinen bekannten naturwissenschaftler, der indeterminist ist. das lässt tief blicken.

    freud rotiert im grab! schrieb:

    du handelst nach deinem verhaltensmuster. wenn jemand dieses verhaltensmuster kennt, weiß er mit großer wahrscheinlichkeit auch, wie du handeln wirst, z.b. welche partei du wählen wirst.

    Anmerkung: du bist an dieses verhaltensmuster, dass tief in deinem unterbewusstsein verankert ist und sich nicht ändern lässt (--> bildung durch frühkindliche erfahrungen) gekettet. du handelst also nach freud deterministisch, weil dein während der frühkindszeit entstandenes ES dir einflüstert, was zu tun ist.



  • SeppJ schrieb:

    C14 schrieb:

    Wie stellt ihr euch echten Zufall vor?

    Shit just happens.

    --> "Ist halt so."

    Nein, das reicht als Begründung nicht aus. Es muss eine naturwissenschaftliche/mathematische definition von Zufall geben.


  • Mod

    SchingSchangSchong schrieb:

    aber woher weiß ein atomkern, wann er erfällt.

    richtig, er "weiß" es nicht.

    Richtig.

    ich bin kein physiker,

    Richtig.

    aber wahrscheinlich zerfällt er wegen dem einwirken von äußeren einflüssen.

    Falsch. Man hat Atomkerne allerlei Situationen ausgesetzt, nichts verändert die Zerfallswahrscheinlichkeit (außer man legt selber Hand an und beschießt den Kern, bis er zerfällt)

    warum sind eigenltlich so viele physiker deterministen? ich kenne keinen bekannten naturwissenschaftler, der indeterminist ist. das lässt tief blicken.

    Wie viele Naturwissenschaftler kennst du denn und von wie vielen davon weißt du, wie sie zu dem Thema stehen?

    Jetzt nenn bitte keine Physiker von vor ~1920. Die hatten noch gute Gründe für den Determinismus. Aber heutzutage kann man die weltbekannten Deterministen doch an einer Hand abzählen. Und sie sind hauptsächlich bekannt, gerade weil sie nicht die gängige Lehrmeinung vertreten!


  • Mod

    SchingSchangSchong schrieb:

    SeppJ schrieb:

    C14 schrieb:

    Wie stellt ihr euch echten Zufall vor?

    Shit just happens.

    --> "Ist halt so."

    Nein, das reicht als Begründung nicht aus. Es muss eine naturwissenschaftliche/mathematische definition von Zufall geben.

    Gibt es doch auch. Wurde doch auch schon genannt. Das war doch gar nicht C14s Frage.



  • SeppJ schrieb:

    Jetzt nenn bitte keine Physiker von vor ~1920. Die hatten noch gute Gründe für den Determinismus. Aber heutzutage kann man die weltbekannten Deterministen doch an einer Hand abzählen. Und sie sind hauptsächlich bekannt, gerade weil sie nicht die gängige Lehrmeinung vertreten!

    das musst du mir jetzt erklären. warum ausgerechnet 1920? Warum hatten physiker vor 1920 guten grund, deterministen zu sein?

    den zufall an nur einer sache zu beweisen, ist ebenfalls zu wenig. es ist schwer, in der naturwissenschaft oder mathematik etwas zu beweisen, weil es allgemeingültigkeit fordert. und allgemeingültigkeit ist nicht "atomkern zerfällt anscheinend zum zufälligen zeitpunkt".

    hast du schon einmal daran gedacht, dass man nicht weiß, warum ein atomkern zerfällt, weil irgendwelche messgeräte zu schlecht sind oder unsere technik, bzw. technikverständis noch nicht weit genug ist?


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