Was darf Satire, was die Türkei? Der Fall Böhmermann


  • Mod

    GPC schrieb:

    Was den Eingangspost angeht: TLDR
    Was das "Schmähgedicht" angeht: Ich find's eigentlich nicht witzig, im Gegensatz zu der ursprünglichen Extra 3-Satire. Es sind halt Beleidigungen unter dem Label "Satire".

    Ich glaube, du hast den Kontext verpasst. Das ist nicht verwunderlich, haben doch die meisten Medien den Kontext (bewusst?) weggelassen. Der ist aber extrem wichtig, wenn man das Gedicht verstehen möchte. Das Gedicht ist kein Angriff auf Erdogan, sondern auf die deutsche Gesetzgebung:
    http://www.spiegel.de/kultur/tv/jan-boehmermann-das-sind-die-fakten-der-staatsaffaere-a-1086571.html
    Wenn man das kennt, erscheint alles in einem komplett anderen Licht.

    Das steht wahrscheinlich auch alles im Eingangsbeitrag, aber der ist wirklich TL;DR.



  • SeppJ schrieb:

    GPC schrieb:

    Was den Eingangspost angeht: TLDR
    Was das "Schmähgedicht" angeht: Ich find's eigentlich nicht witzig, im Gegensatz zu der ursprünglichen Extra 3-Satire. Es sind halt Beleidigungen unter dem Label "Satire".

    Ich glaube, du hast den Kontext verpasst. Das ist nicht verwunderlich, haben doch die meisten Medien den Kontext (bewusst?) weggelassen. Der ist aber extrem wichtig, wenn man das Gedicht verstehen möchte. Das Gedicht ist kein Angriff auf Erdogan, sondern auf die deutsche Gesetzgebung:
    http://www.spiegel.de/kultur/tv/jan-boehmermann-das-sind-die-fakten-der-staatsaffaere-a-1086571.html
    Wenn man das kennt, erscheint alles in einem komplett anderen Licht.

    Ich bin gespannt, wie das Gericht das dann irgendwann bewerten wird. Ich bin skeptisch, ob das wirklich alles in ein anderes Licht rueckt. Normalerweise wuerde ich davon ausgehen, dass auch eine explizit demonstrierte Straftat eine Straftat bleibt.

    In der momentanen Diskussion liegt der Schwerpunkt aber glaube ich auf der Entscheidung Merkels, das Strafverfahren zuzulassen. Ich stimme hier GPC zu, dass das wohl bei einem anderen "Opfer" zu einer anderen Reaktion in der Bevoelkerung gefuehrt haette. Generell kann ich die Entscheidung und Begruendung Merkels nachvollziehen. ...allerdings mit der Einschraenkung, dass ich persoenlich gar nicht weiss, warum das Gesetz vorsieht, dass die Regierung dem Strafverfahren zustimmen muss. Eigentlich muesste man mal recherchieren, warum diese Regelung in das Gesetz geschrieben wurde. In welchen Faellen war es vorgesehen, dass die Regierung so einem Strafverfahren zustimmt, in welchen Faellen nicht? Ich meine, offensichtlich hatte die Regierung hier eine Art Prueffunktion, die sie mit Verweis auf die Gewaltenteilung einfach nicht wahrgenommen hat.



  • Gregor schrieb:

    allerdings mit der Einschraenkung, dass ich persoenlich gar nicht weiss, warum das Gesetz vorsieht, dass die Regierung dem Strafverfahren zustimmen muss. Eigentlich muesste man mal recherchieren, warum diese Regelung in das Gesetz geschrieben wurde. In welchen Faellen war es vorgesehen, dass die Regierung so einem Strafverfahren zustimmt, in welchen Faellen nicht? Ich meine, offensichtlich hatte die Regierung hier eine Art Prueffunktion, die sie mit Verweis auf die Gewaltenteilung einfach nicht wahrgenommen hat.

    Weil es dann auch Prozesse aufgrund der Beleidigung missliebiger Staatsmänner gekommen wäre / würde kommen / könnte kommen (Gaddafi, Putin, Saddam Hussein, die Präsidenten Nordkoreas etc.). Das ist aber vermutlich von Seiten der Politik nicht erwünscht.



  • SeppJ schrieb:

    Ich glaube, du hast den Kontext verpasst. Das ist nicht verwunderlich, haben doch die meisten Medien den Kontext (bewusst?) weggelassen. Der ist aber extrem wichtig, wenn man das Gedicht verstehen möchte. Das Gedicht ist kein Angriff auf Erdogan, sondern auf die deutsche Gesetzgebung:
    http://www.spiegel.de/kultur/tv/jan-boehmermann-das-sind-die-fakten-der-staatsaffaere-a-1086571.html
    Wenn man das kennt, erscheint alles in einem komplett anderen Licht.

    Dieser Kontext war mir so tatsächlich nicht bekannt war. Nun, es ändert zwar die Motivation des Gedichts, aber wie Gregor schon sagte.. Straftat zu Demonstrationszwecken bleibt Straftat. Ob es eine Straftat ist, wird dann wohl ein Gericht zu klären haben.



  • Straftat zu Demonstrationszwecken? Ist jetzt schon irgendwie Bullshit, nen?
    Ich meine zu unterscheiden ob etwas als Aussage oder als Beispiel für eine Aussage gebracht wird sollte jetzt nicht so schwer sein.

    Ist es eine Beleidigung wenn ich dir sage "Nah, X, ist doch keine Beleidigung, eine Beleidigung wäre wenn ich dir sage: 'Du blödes Arschloch'".
    Fühlst du dich jetzt beleidigt?

    Natürlich kann man argumentieren dass Böhmermann es aber in Wirklichkeit als Beleidigung gemeint hat. Ist aber im Endeffekt Wurscht - bzw. sollte es sein. Denn was wer wie gemeint haben könnte darf das Gericht mMn. nicht sonderlich interessieren. Sonst muss sich demnächst der nächste verklagen lassen weil er jemanden als "besonders netten Zeitgenossen" bezeichnet hat -- weil er es ja in Wirklichkeit als schwere Beleidigung gemeint hat.



  • Hi,

    Das ist im Prinzip das gleiche, wie wenn ich z.B. zu einem Polizisten sage:

    ... darf ich zu ihnen nicht sagen, und ... würde ich doch nicht zu ihnen sagen und ... käme mir doch niiiieeee in den Sinn und .... würde ich ganz gewiss auch nicht zu ihnen sagen

    wobei ... jeweils durch entsprechende strafbare Beleidigung zu ersetzen ist.
    Eigentlich habe ich ja nichts gesagt, und trotzdem wissen wir beide, was gemeint ist und er wird wohl vor Wut schäumen. Aber soviel ich weiß, ist da wohl mittlerweile auch ein Riegel vorgeschoben worden. Irgendwie können sie einen da wohl auch dafür dran kriegen.

    Anders wird es sich vermutlich verhalten, wenn ich zu jemanden sage "ich empfinde sie als ein ..."
    oder
    "ich halte sie für ein ... und ich bin der persönlichen Meinung, dass sie ein ... sind."
    Zumindest wenn man nach seiner Meinung gefragt wird müsste das eigentlich durch die Meinungsfreiheit gedeckt sein, denn ich bezeichne ihn ja damit nicht als dies oder das, sondern bringe nur zum Ausdruck, dass ich es so empfinde oder ihn so sehe...

    Allgemein ist aber die Version von Böhmermann unterster Abschaum und primitiv. Von Darstellern des ÖR-Fernsehens, für die man ja bezahlen muss und die einen staatlichen Bildungsauftrag haben, sollte man ein bisschen ein Mindestmaß an Niveau erwarten können. Wie es auch anders geht, zeigen die beiden Reaktionen von Dieter Hallervorden.

    Im übrigen die wahren Meister auf dem Gebiet waren die Kabarets in der DDR. Die mussten ja alle Texte zumindest in der Grundform genehmigen lassen. Also durfte es nicht zu plump sein. Aber das Publikum sollte trotzdem mitbekommen was gemeint war. Da kam es dann wirklich auf millimetergenaue Benutzung der deutschen Sprache an.
    In manchen Fällen hat das z.B. auch Ingo Appelt früher gut beherrscht.

    Gruß Mümmel



  • muemmel schrieb:

    Das ist im Prinzip das gleiche, wie wenn (...)
    Eigentlich habe ich ja nichts gesagt, und trotzdem wissen wir beide, was gemeint ist und er wird wohl vor Wut schäumen. Aber soviel ich weiß, ist da wohl mittlerweile auch ein Riegel vorgeschoben worden. Irgendwie können sie einen da wohl auch dafür dran kriegen.

    Jain.
    Für mich macht es nen Unterschied ob ich jemandem auf diese Art indirekt impliziert unterstelle ein Arschloch zu sein (=glaubhaft dass ich dieser Meinung bin), oder indirekt impliziert unterstelle dass er täglich mit 100 Ziegen fickt (=nicht glaubhaft dass ich dieser Meinung bin).

    Ersteres kann man noch als Beleidigung auslegen - wenn man ein Gesetz so frei auslegen möchte.
    Zweiteres... irgendwie nicht mehr so ganz. Zumindest sollte jedem klar sein dass der jeweilige Sprecher/Schreiber nicht der Meinung ist dass das "..." im "wenn ich ... sagen würde" wörtlich zutrifft.
    Demzufolge ist es mMn. auch völlig daneben einen solchen Fall danach zu beurteilen als wäre anzunehmen der Sprecher/Schreiber hätte das als ernst gemeinte Aussage ohne "wenn ich sagen würde" gebracht.

    Dass der Sprecher/Schreiber damit eine Kritik kommunizieren möchte ist mMn. anzunehmen. Auch ein "sich lustig machen" kann man mMn. berechtigt annehmen. Nur genau das muss sich eine Person des öffentlichen Interesses mMn. gefallen lassen. Da gelten einfach andere Regeln - bzw. sollten eben andere Regeln gelten. Genau so wie für solche Personen des öffentlichen Interesses in vielen Fällen das Recht am eigenen Bild stark eingeschränkt ist.

    Zurück zum Thema Satire. Mir fällt dazu auch der Fall Falwell vs. Flynt ein. Im Prinzip fast das selbe. Bloss ohne President und sogar noch ohne dem "wenn ich sagen würde" Teil. Flynt & Hustler wurden damals vom Oberste Gerichtshof der USA freigesprochen - "ist klar Satire, muss Falwell sich gefallen lassen". Was ich als moralisch vollkommen "korrekt" ansehe.
    Hat jetzt mit der deutschen Gesetzeslage anno 2016 natürlich nix zu tun, aber mir geht's auch nicht (nur) um was gesetzlich wie geregelt ist, sondern auch darum was ich für "richtig" halte.

    muemmel schrieb:

    Allgemein ist aber die Version von Böhmermann unterster Abschaum und primitiv. (...)

    Naja das ist deine persönliche Meinung bzw. Wahrnehmung. Die sich z.B. nicht mit meiner Meinung/Wahrnehmung deckt. Ich finde das schwer OK und auch irgendwie ein wenig lustig. Wer meint Medien in einem anderen Land wegen einer mehr oder weniger harmlosen Veräppelung klagen zu können/müssen, der verdient es auch wenn er als Reaktion darauf etwas tiefer durch den Kakao gezogen wird.

    muemmel schrieb:

    Im übrigen die wahren Meister auf dem Gebiet waren die Kabarets in der DDR. Die mussten ja alle Texte zumindest in der Grundform genehmigen lassen. Also durfte es nicht zu plump sein. Aber das Publikum sollte trotzdem mitbekommen was gemeint war. Da kam es dann wirklich auf millimetergenaue Benutzung der deutschen Sprache an.
    In manchen Fällen hat das z.B. auch Ingo Appelt früher gut beherrscht.

    Ich akzeptiere deine Meinung und dass du das für cooler/besser/schöner/gewitzter/[...] hältst. Die Feststellung "das kann man auch anders (besser) machen" hat aber mMn. nix damit zu tun ob eine Sache "OK" ist - man kann alles irgendwie anders (besser) machen.
    Und mit "OK" meine ich: muss man nicht mögen/gut finden, ist aber einfach erlaubt (bzw. sollte erlaubt sein).



  • Was das "Schmähgedicht" angeht: Ich find's eigentlich nicht witzig

    Das Gedicht ist übel, richtig übel. Das kann man nicht verteidigen. So etwas gehört sich nicht im TV.

    Wenn wir über die Beleidigung fremder Staatsoberhäupter reden, dann fangen wir mal mit dem Papst, dem Anti-Erdogan, an. 😉




  • Mod

    GPC schrieb:

    SeppJ schrieb:

    Ich glaube, du hast den Kontext verpasst. Das ist nicht verwunderlich, haben doch die meisten Medien den Kontext (bewusst?) weggelassen. Der ist aber extrem wichtig, wenn man das Gedicht verstehen möchte. Das Gedicht ist kein Angriff auf Erdogan, sondern auf die deutsche Gesetzgebung:
    http://www.spiegel.de/kultur/tv/jan-boehmermann-das-sind-die-fakten-der-staatsaffaere-a-1086571.html
    Wenn man das kennt, erscheint alles in einem komplett anderen Licht.

    Dieser Kontext war mir so tatsächlich nicht bekannt war. Nun, es ändert zwar die Motivation des Gedichts, aber wie Gregor schon sagte.. Straftat zu Demonstrationszwecken bleibt Straftat. Ob es eine Straftat ist, wird dann wohl ein Gericht zu klären haben.

    Was ich meinte ist, dass dieser Kontext völlig die Motivation verändert und somit bei der moralischen Debatte nicht ausgespart werden darf. Es ging nicht primär darum, Erdogan zu beleidigen; der war bloß das Mittel zum Zweck. Es ging nämlich in Wahrheit darum, das deutsche Strafrecht herauszufordern. In diesem Zusammenhang finde eure Reaktion "Straftat bleibt Straftat" ein bisschen komisch. Darum ging es doch gerade: Brauchen wir in Deutschland wirklich ein Gesetz gegen Majestätsbeleidigung? Das ist nämlich buchstäblich(!) woher dieses Gesetz ursprünglich stammt. Dass er mit diesem Zustand nicht zufrieden ist, darauf wollte Böhmermann aufmerksam machen.



  • SeppJ schrieb:

    Was ich meinte ist, dass dieser Kontext völlig die Motivation verändert und somit bei der moralischen Debatte nicht ausgespart werden darf. Es ging nicht primär darum, Erdogan zu beleidigen; der war bloß das Mittel zum Zweck. Es ging nämlich in Wahrheit darum, das deutsche Strafrecht herauszufordern. In diesem Zusammenhang finde eure Reaktion "Straftat bleibt Straftat" ein bisschen komisch. Darum ging es doch gerade: Brauchen wir in Deutschland wirklich ein Gesetz gegen Majestätsbeleidigung? Das ist nämlich buchstäblich(!) woher dieses Gesetz ursprünglich stammt. Dass er mit diesem Zustand nicht zufrieden ist, darauf wollte Böhmermann aufmerksam machen.

    Ja, das ist mir bedingt durch den neuen Kontext schon beides klar, dass Erdogan für Böhmermann nur das "Vehikel" war, um die Grenzen vom Gesetz zur Majestätsbeleidigung auszutesten. Ob man so ein Gesetz braucht? In Deutschland sicher nicht, das ist klar.
    (Was ich mich aber auch frage ist, ob ich es mir gefallen lassen würde, wenn jemand so einen Text über mich verbreitet - obwohl ich nur ein Max Mustermann bin. Offensichtlich greift dann nicht das Gesetz zur Majestätsbeleidigung, aber ich glaube so einfach hinnehmen müsste man das dennoch nicht.)



  • @ SeppJ: Du könntest sicher recht haben. Aber das ist so ein Problem von Böhmermann: Seine Art von doppelbödigem Humor bewirkt, dass niemand mehr am Ende so Recht weiß, was er glauben soll. Jeder kann in seine Kunst hineininterpretieren, was er will. So sind die Positionen "Mann ist der flach!" und "Wow, wie doppel- und trippelbödig!" beide durchaus legitim - ich persönlich gewinne sogar beiden Positionen etwas ab. Das ist bei (Klein-)kunst ja auch vollkommen leigitm, das macht sie streitbar und interessant. Was aber seine Erdogan-Geschichte angeht: Du sagst, die Beleidigungen waren nur der Vorwand, um seine Kritik an der Majestätsbeleidigung unterschwellig zum Ausdruck zu bringen. Ich kann mich aber des Gefühls nicht erwehren, dass er vielleicht doch eher die (weniger) "offensichtliche" Kritik nur vorschob, um eine, wie er hofft, legale Möglichkeit zu finden, sein Gedicht vortragen zu können. Es war quasi der Reiz des Verbotenen (und das Gefühl der Herausforderung nach der x3-Posse), dem er nachgab und daher in seinem Präambel lange darüber schwadronierte, dass das, was gleich komme, ja verboten sei und man nicht machen dürfe, wodurch er es juristisch entschärfen wollte.

    Nun ist es blöd in der Kunst, wenn der Künstler sein Kunstwerk erklären soll - das macht einen guten Teil davon kaputt. Aber am Ende hängt es, wie ich finde, doch sehr von Böhmermann ab, ob er sich nun strafbar gemacht hat oder nicht: er muss nun einfach klären, was er wirklich gemeint hat (das kann er sich jetzt natürlich aussuchen). Wenn er sagt, die Beleidigungen waren nur der Vorwand, widerruft er quasi den Inhalt seines Gedichtes und ist m.E. unschuldig. Wenn er sich nicht klar positioniert, überlässt er es dem Gericht (oder Erdogans Anwälten/der Staatsanwaltschaft), sein Kunstwerk zu interpretieren. Böhmermann hat sich an seiner eigene Mehrdeutigkeit verbrannt, mit der er immer sehr gerne gespielt hat.

    Meine persönliche Haltung: egal, wie Böhmermann es nun meint, besonders witzig fand ich die Aktion nicht (aber so geht es mir bei Böhmermann generell). Trotzdem muss ich gestehen, durchaus geschmunzelt zu haben, als ich das Gedicht gehört habe, einfach deshalb, weil ich nie auf sowas kommen könnte und mich diese Art der vulgären Kreativität schon beeindruckt bzw. ich bei Entsetzen oder Fassungslosigkeit generell oft mit Lachen reagiere.



  • pointercrash() schrieb:

    Was wollte Böhmermann wirklich und wogegen ist er gerappelt?

    er wollte aufmerksamkeit, denn das ist das kapital eines witzemachers. aber er hat stark übertrieben. auf türkenfeindliche stereotypen gesetzt und so.



  • SeppJ schrieb:

    Was ich meinte ist, dass dieser Kontext völlig die Motivation verändert und somit bei der moralischen Debatte nicht ausgespart werden darf. Es ging nicht primär darum, Erdogan zu beleidigen; der war bloß das Mittel zum Zweck. Es ging nämlich in Wahrheit darum, das deutsche Strafrecht herauszufordern. In diesem Zusammenhang finde eure Reaktion "Straftat bleibt Straftat" ein bisschen komisch. Darum ging es doch gerade: Brauchen wir in Deutschland wirklich ein Gesetz gegen Majestätsbeleidigung? Das ist nämlich buchstäblich(!) woher dieses Gesetz ursprünglich stammt. Dass er mit diesem Zustand nicht zufrieden ist, darauf wollte Böhmermann aufmerksam machen.

    Ich bezweifle, dass Boehmermann Paragraph 103 StGB ueberhaupt kannte. Er hat in seiner Anmoderation zumindest nicht auf spezielle Gesetze verwiesen, sondern mehr generell gesagt, was verboten ist. An keiner Stelle seiner Moderation wurde gesagt, dass es bezueglich Regierungen anderer Laender spezielle Gesetze in dieser Hinsicht gibt.



  • Mirek, Gregor,

    genau das war einer der Punkte, auf die ich im OP hinauswollte.

    Ich bin mir sicher, daß Böhmermann und Team über §103 grob Bescheid wußten, sie haben ja explizit damit kokettiert, dass man das so nicht sagen darf und zwar so lange, bis auch der Letzte das kapiert haben sollte. In den meisten Zusammenschnitten wird der Schmähtext entkontextualisiert dargeboten. Für sich genommen definitiv kein Meisterwerk ziselierten Humors. Auch mit dem Kontext, "man darf das nicht machen" ist das ein eher brachialer Hammer, aber es sitzen ja nicht nur Feingeister im Publikum.

    Um so verblüffender die Reaktionen danach, die "Guru Meditations", wo man sich fragt, ob und was alles abgestürzt ist. Denn, nochmal, die Anwendung des §103 zuzulassen ist bereits Rechtsbeugung, die Einschaltung der Gerichtsbarkeit gleichzeitig feige und Mittelverschwendung, zusammen mit der Streichungsankündigung des §103 für 2018 ein echtes Stück aus dem Tollhaus Merkel.

    Dass Böhmermann damit nicht gerechnet hat, ist irgendwie zu verstehen.



  • pointercrash() schrieb:

    Ich bin mir sicher, daß Böhmermann und Team über §103 grob Bescheid wußten, sie haben ja explizit damit kokettiert, dass man das so nicht sagen darf

    Dafür reicht aber Wissen über § 185 StGb.



  • SG1 schrieb:

    pointercrash() schrieb:

    Ich bin mir sicher, daß Böhmermann und Team über §103 grob Bescheid wußten, sie haben ja explizit damit kokettiert, dass man das so nicht sagen darf

    Dafür reicht aber Wissen über § 185 StGb.

    ...dessen Abschaffung nicht zur Debatte steht. Durch die Abschaffung des $103 wird das, was Böhmermann gemacht hat, nicht plötzlich legal, falls es davor illegal war. Die Abschaffung von $103 hätte nur Auswirkungen auf das Strafmaß.

    Jenseits davon braucht man dazu nichtmal Wissen über $185, sondern nur ein naives Rechtsverständnis. Dass Beleidigungen rechtliche Konsequenzen haben können, hört man andauernd.



  • Die (für mich) interessante Frage ist hier ja auch: Kann/darf/soll sich das Gericht die Freiheit rausnehmen sowas als Beleidigung einzustufen?



  • pointercrash() schrieb:

    Mirek, Gregor,

    genau das war einer der Punkte, auf die ich im OP hinauswollte.

    Ich bin mir sicher, daß Böhmermann und Team über §103 grob Bescheid wußten, sie haben ja explizit damit kokettiert, dass man das so nicht sagen darf und zwar so lange, bis auch der Letzte das kapiert haben sollte. In den meisten Zusammenschnitten wird der Schmähtext entkontextualisiert dargeboten. Für sich genommen definitiv kein Meisterwerk ziselierten Humors. Auch mit dem Kontext, "man darf das nicht machen" ist das ein eher brachialer Hammer, aber es sitzen ja nicht nur Feingeister im Publikum.

    das "man darf das nicht sagen", das maximale unverschämtsein, hat sicher seinen besonderen reiz. hätte er mal die nazifotze* petry aufs korn genommen, wäre sicher nicht viel passiert. aber der türkische pascha verteidigt nun mal seine ehre, wie seine fans es von ihm erwarten.

    pointercrash() schrieb:

    Dass Böhmermann damit nicht gerechnet hat, ist irgendwie zu verstehen.

    wenn du recht hast, ist böhmerdingens dümmer als er aussieht.

    😉 ich kann auch böhmermann. 😃



  • hustbaer schrieb:

    Die (für mich) interessante Frage ist hier ja auch: Kann/darf/soll sich das Gericht die Freiheit rausnehmen sowas als Beleidigung einzustufen?

    was böhmermann da fabriziert hat, findet man sonst nur an den wänden öffentlicher toiletten. nur lassen die urheber keine adresse da, so dass man sie anzeigen kann.

    imho sollte ein gericht jedem streitfall beachtung schenken. wofür sind gerichte denn sonst da?


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